Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.aufrührerischen Schriften, welche den Sinn ihres getreuen Volkes verderben", Wird heut zu Tage in Deutschland ein armselig Dutzend Zeitungen verboten, "Freitag am 16. November ist an ihm im neuen Palast von Westminster aufrührerischen Schriften, welche den Sinn ihres getreuen Volkes verderben", Wird heut zu Tage in Deutschland ein armselig Dutzend Zeitungen verboten, „Freitag am 16. November ist an ihm im neuen Palast von Westminster <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0292" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280379"/> <p xml:id="ID_790" prev="#ID_789"> aufrührerischen Schriften, welche den Sinn ihres getreuen Volkes verderben",<lb/> und konnte mit allem Dem Nichts weiter erzielen, als daß die Drucker, wie Falsch¬<lb/> münzer, in Kellern und Verstecken arbeiteten, daß sie mit ihren Typen und Pressen<lb/> von Quartier zu Quartier, von Flecken zu Flecken wanderten, um sich dem Arme<lb/> der Verfolgung zu entziehen. Der Drang des Volkes nach Büchern rief seine<lb/> großen Geister wach. Die Werke Bacon's und die Dramen Shakspeare's erschienen<lb/> zu jener Zeit'hin Druck, und wurden von der wißbegierigen und nnterhaltungs-<lb/> süchtigcn Menge verschlungen; Naleigh veröffentlichte seine Geschichte der Welt;<lb/> Ben Johnson, Beaumont und Fletcher mit Andern im Bunde wirkten zur Be¬<lb/> reicherung der dramatischen Poesie; ja, es gab eine Epoche, wo Studien und<lb/> Literatenthum so populair, modern und sashionabel wurde, daß James I. sich<lb/> herabließ, die Welt mit seinen Ansichten über Tabak und Hezenthnm zu erleuchte».<lb/> Die politischen Tagesfragen blieben demungeachtet von der öffentlichen Besprechung<lb/> ausgeschlossen. James !. war trotz seiner Schriftstellerei nicht weniger Despot,<lb/> als Elisabeth, uur mit dem Unterschiede, daß Diese immer liebenswürdig sein<lb/> konnte, wenn sie von ihrem treuen Volke Geld brauchte, wozu sich Jener niemals<lb/> herbeiließ. Beinahe hätte London zu jener Zeit das Schicksal Berlins gehabt,<lb/> und wenig hat gefehlt, so wäre Uork das Englische Potsdam geworden. James<lb/> hatte nämlich einmal vorder City Geld borgen wollen, und als diese ihre Taschen<lb/> zuhielt, dem Lord Mayor gedroht, seine Residenz nach Kork zu verlegen. Der<lb/> Lord Mayor hatte aber den Kopf auf dem rechten Flecke, und fragte ergebenste<lb/> „Ew. Majestät werden uns doch die Themse zurücklassen?" Der König blieb in<lb/> London, und die Themse desgleichen, und seil jener Zeit fließt auch die Spree noch<lb/> immer durch Berlin, trotzdem, daß die Hohenzollern nach Potsdam und Char-<lb/> lottenburg ausgewandert sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_791"> Wird heut zu Tage in Deutschland ein armselig Dutzend Zeitungen verboten,<lb/> so geht das Journalgchenl von der Ostsee bis zum Bodensee. Man lese doch,<lb/> wie es den Englischen Zeitungsschreibern vor 200 Jahren erging! Freunde,<lb/> verlieren wir nicht den ewigen Humor. Was ist ein Verbot, eine Confiscation,<lb/> eine Geldstrafe, eine mehrmonatliche Haft, der Verlust der National-Cocarde,<lb/> was ist das Ungeheuerste: die Entziehung des Postdebits gegen die Englischen<lb/> Straflirtheile in jener Zeit? — Es war im Jahr 1630, da publicirte ein ge¬<lb/> wisser Hr. Alexander Leighton einen Aufruf aus Parlament gegen die Prälaten.<lb/> Er schält Letztere „antichristlich" und „fanatisch", „Männer des Bluts", „Raben<lb/> und Dohlen". Wegen dieser harmlosen Aeußerungen, deren sich in gegenwärtiger<lb/> Zeit jedes Irisch-katholische Blatt ungestraft bedient, wurde der Doctor vor die<lb/> Sternkammer citirt und nach kurzem Proceß abgeurtheilt. Im lV. Band der<lb/> Englischen Staatsprocesse ist nun folgende schlichte, erbauliche Schilderung zu lesen,<lb/> wie der Doctor bestraft wurde:</p><lb/> <p xml:id="ID_792" next="#ID_793"> „Freitag am 16. November ist an ihm im neuen Palast von Westminster</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0292]
aufrührerischen Schriften, welche den Sinn ihres getreuen Volkes verderben",
und konnte mit allem Dem Nichts weiter erzielen, als daß die Drucker, wie Falsch¬
münzer, in Kellern und Verstecken arbeiteten, daß sie mit ihren Typen und Pressen
von Quartier zu Quartier, von Flecken zu Flecken wanderten, um sich dem Arme
der Verfolgung zu entziehen. Der Drang des Volkes nach Büchern rief seine
großen Geister wach. Die Werke Bacon's und die Dramen Shakspeare's erschienen
zu jener Zeit'hin Druck, und wurden von der wißbegierigen und nnterhaltungs-
süchtigcn Menge verschlungen; Naleigh veröffentlichte seine Geschichte der Welt;
Ben Johnson, Beaumont und Fletcher mit Andern im Bunde wirkten zur Be¬
reicherung der dramatischen Poesie; ja, es gab eine Epoche, wo Studien und
Literatenthum so populair, modern und sashionabel wurde, daß James I. sich
herabließ, die Welt mit seinen Ansichten über Tabak und Hezenthnm zu erleuchte».
Die politischen Tagesfragen blieben demungeachtet von der öffentlichen Besprechung
ausgeschlossen. James !. war trotz seiner Schriftstellerei nicht weniger Despot,
als Elisabeth, uur mit dem Unterschiede, daß Diese immer liebenswürdig sein
konnte, wenn sie von ihrem treuen Volke Geld brauchte, wozu sich Jener niemals
herbeiließ. Beinahe hätte London zu jener Zeit das Schicksal Berlins gehabt,
und wenig hat gefehlt, so wäre Uork das Englische Potsdam geworden. James
hatte nämlich einmal vorder City Geld borgen wollen, und als diese ihre Taschen
zuhielt, dem Lord Mayor gedroht, seine Residenz nach Kork zu verlegen. Der
Lord Mayor hatte aber den Kopf auf dem rechten Flecke, und fragte ergebenste
„Ew. Majestät werden uns doch die Themse zurücklassen?" Der König blieb in
London, und die Themse desgleichen, und seil jener Zeit fließt auch die Spree noch
immer durch Berlin, trotzdem, daß die Hohenzollern nach Potsdam und Char-
lottenburg ausgewandert sind.
Wird heut zu Tage in Deutschland ein armselig Dutzend Zeitungen verboten,
so geht das Journalgchenl von der Ostsee bis zum Bodensee. Man lese doch,
wie es den Englischen Zeitungsschreibern vor 200 Jahren erging! Freunde,
verlieren wir nicht den ewigen Humor. Was ist ein Verbot, eine Confiscation,
eine Geldstrafe, eine mehrmonatliche Haft, der Verlust der National-Cocarde,
was ist das Ungeheuerste: die Entziehung des Postdebits gegen die Englischen
Straflirtheile in jener Zeit? — Es war im Jahr 1630, da publicirte ein ge¬
wisser Hr. Alexander Leighton einen Aufruf aus Parlament gegen die Prälaten.
Er schält Letztere „antichristlich" und „fanatisch", „Männer des Bluts", „Raben
und Dohlen". Wegen dieser harmlosen Aeußerungen, deren sich in gegenwärtiger
Zeit jedes Irisch-katholische Blatt ungestraft bedient, wurde der Doctor vor die
Sternkammer citirt und nach kurzem Proceß abgeurtheilt. Im lV. Band der
Englischen Staatsprocesse ist nun folgende schlichte, erbauliche Schilderung zu lesen,
wie der Doctor bestraft wurde:
„Freitag am 16. November ist an ihm im neuen Palast von Westminster
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