Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Also nach London! Im Reich, wo ich durchkommen bin, sieht's bös ans. In Leipzig Habens mir eine Straßen gezeigt, wos an die 130 Buchläden Also nach London! Im Reich, wo ich durchkommen bin, sieht's bös ans. In Leipzig Habens mir eine Straßen gezeigt, wos an die 130 Buchläden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280355"/> <p xml:id="ID_722"> Also nach London! Im Reich, wo ich durchkommen bin, sieht's bös ans.<lb/> Da reden die Leut noch immer Hochdeutsch, und geben Einem schlechts Silber fürs<lb/> schöne Ocstreichische Papier, aber ein Agio draufzahlen, dös wollens int. Ich<lb/> denk in Mein' schlichten Verstand, 's wird so'ne Verschwörung sein, wie die Wel¬<lb/> schen gegen die kaiserlichen Ziehgvrrn angestist' haben; uur sein die Platzkomman¬<lb/> dos draus unterm Luder, und die Polizei scheints gar in der Heimlichkeit mit<lb/> denen Wühlern zu halten, sonst Haltens die Winkeljuden einmal tüchtig durchkar-<lb/> batscht, uuds wär a Nuh, daß ein armer Beomtcr nit ausgeraubt werden that,<lb/> wie er nur die Nasen ins Reich steckt. Aber, wie der Jörgel immer gesagt hat,<lb/> 's it kein Gemüth nnter denen Leut nit; vor lauter Logik und Büllldung<lb/> Habens das Herz aus'in Leibe verloren. Und dös ist der Dank davor, daß unser<lb/> Oestreich so'n guter Narr gewesen it, und an die zwei Jahr in Italien für die<lb/> Deutsche Sprach' und Hoheit Krieg geführt hat, und daß wir noch jetzt die blanken<lb/> Sechserl 'nauswerfcu, ums Reich gegen dös Welsche Gesindel zu vertheidigen;<lb/> denn wann unsere Armee uit gar so prächtig gerauft hätt, so gäbs dort kein<lb/> Stockhänsl und kein Schilderhäusl mehr, wo man ein chrlichs Wörtl Deutsch<lb/> reden könnt, und ein jeder lumpiger Signor dorse' uns Bvrboreu schimpfen, ohne<lb/> daß ihm Bruder Haslinger davor einen Straußischeu aus'in Gesäß tanzen thät.<lb/> Dös vergessen halt die gebnllldten Herrn Deutschen, und am End' seins gar<lb/> noch bös, daß wir ihnen wenigstens auf dem einen Weltfleckerl eine Reputation<lb/> gemacht haben, — denn wo wir nit hingekommen sein und der Wiudpreuß allein<lb/> gehaust hat, na, da Haben's sich doch Samos blamirt!</p><lb/> <p xml:id="ID_723" next="#ID_724"> In Leipzig Habens mir eine Straßen gezeigt, wos an die 130 Buchläden<lb/> in Reih und Glied nebcnander gibt. Du lieber Himmel, hab ich denkt, da<lb/> muß Einem ja der Verstand still stehen! und 'S ist ein wahres Mirakel, daß bei<lb/> dem schwarzen Meer von Unsinn, was alle Tag über die Menschheit g'gossen<lb/> wird, nit die ganze Welt voller Rebellen is. Die Haar sein mir zu Berg ge¬<lb/> stiegen, wenn ich denkt hab, daß ich, Hans Jörgel se-n., der schlichte, einfältige<lb/> Biedermann durch und durch, eben so gut als Prinz und Thronfolger hätt' auf<lb/> die Welt kommen können. Ich hab mich so in mein Gedanken in die Lag' eines<lb/> Königs oder Kaisers hineinversetzt, der vor Gott vor das Seelenheil von so nud<lb/> so viel Millionen Menschen verantwortlich is, und da hab ich erst recht g'sehen, was die<lb/> beneideten Majestäten im Grund vor Märtyrer und Dulder sein. Was thätst Du<lb/> thun, hab ich mich gefragt, wann Du als König oder Kaiser Dein von Gott an¬<lb/> vertrautes Volk gegen einhundert und fünfzig solche Höllemnarkctender zu ver¬<lb/> theidigen hältst? Und da is mir g'wesen, als ob mir Einer eine Dorncnkron<lb/> um die Stirn, die Schläfen und deu Hinterkopf recht tief in die Haut hinein¬<lb/> gequetscht hätt'! Die Schweißtropfen sein mir wie dicke siedheiße Bleikugeln aufm<lb/> Gesicht g'standen, denn 's ist kein Spaß, auf so'ne Gewissensfrage gleich zu ant¬<lb/> worten. — Und was hat der Jörgel geantwort't? — Na, was meinen's? Hat</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
Also nach London! Im Reich, wo ich durchkommen bin, sieht's bös ans.
Da reden die Leut noch immer Hochdeutsch, und geben Einem schlechts Silber fürs
schöne Ocstreichische Papier, aber ein Agio draufzahlen, dös wollens int. Ich
denk in Mein' schlichten Verstand, 's wird so'ne Verschwörung sein, wie die Wel¬
schen gegen die kaiserlichen Ziehgvrrn angestist' haben; uur sein die Platzkomman¬
dos draus unterm Luder, und die Polizei scheints gar in der Heimlichkeit mit
denen Wühlern zu halten, sonst Haltens die Winkeljuden einmal tüchtig durchkar-
batscht, uuds wär a Nuh, daß ein armer Beomtcr nit ausgeraubt werden that,
wie er nur die Nasen ins Reich steckt. Aber, wie der Jörgel immer gesagt hat,
's it kein Gemüth nnter denen Leut nit; vor lauter Logik und Büllldung
Habens das Herz aus'in Leibe verloren. Und dös ist der Dank davor, daß unser
Oestreich so'n guter Narr gewesen it, und an die zwei Jahr in Italien für die
Deutsche Sprach' und Hoheit Krieg geführt hat, und daß wir noch jetzt die blanken
Sechserl 'nauswerfcu, ums Reich gegen dös Welsche Gesindel zu vertheidigen;
denn wann unsere Armee uit gar so prächtig gerauft hätt, so gäbs dort kein
Stockhänsl und kein Schilderhäusl mehr, wo man ein chrlichs Wörtl Deutsch
reden könnt, und ein jeder lumpiger Signor dorse' uns Bvrboreu schimpfen, ohne
daß ihm Bruder Haslinger davor einen Straußischeu aus'in Gesäß tanzen thät.
Dös vergessen halt die gebnllldten Herrn Deutschen, und am End' seins gar
noch bös, daß wir ihnen wenigstens auf dem einen Weltfleckerl eine Reputation
gemacht haben, — denn wo wir nit hingekommen sein und der Wiudpreuß allein
gehaust hat, na, da Haben's sich doch Samos blamirt!
In Leipzig Habens mir eine Straßen gezeigt, wos an die 130 Buchläden
in Reih und Glied nebcnander gibt. Du lieber Himmel, hab ich denkt, da
muß Einem ja der Verstand still stehen! und 'S ist ein wahres Mirakel, daß bei
dem schwarzen Meer von Unsinn, was alle Tag über die Menschheit g'gossen
wird, nit die ganze Welt voller Rebellen is. Die Haar sein mir zu Berg ge¬
stiegen, wenn ich denkt hab, daß ich, Hans Jörgel se-n., der schlichte, einfältige
Biedermann durch und durch, eben so gut als Prinz und Thronfolger hätt' auf
die Welt kommen können. Ich hab mich so in mein Gedanken in die Lag' eines
Königs oder Kaisers hineinversetzt, der vor Gott vor das Seelenheil von so nud
so viel Millionen Menschen verantwortlich is, und da hab ich erst recht g'sehen, was die
beneideten Majestäten im Grund vor Märtyrer und Dulder sein. Was thätst Du
thun, hab ich mich gefragt, wann Du als König oder Kaiser Dein von Gott an¬
vertrautes Volk gegen einhundert und fünfzig solche Höllemnarkctender zu ver¬
theidigen hältst? Und da is mir g'wesen, als ob mir Einer eine Dorncnkron
um die Stirn, die Schläfen und deu Hinterkopf recht tief in die Haut hinein¬
gequetscht hätt'! Die Schweißtropfen sein mir wie dicke siedheiße Bleikugeln aufm
Gesicht g'standen, denn 's ist kein Spaß, auf so'ne Gewissensfrage gleich zu ant¬
worten. — Und was hat der Jörgel geantwort't? — Na, was meinen's? Hat
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |