Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.sind, und vermischte Gedichte. In ihrem Charakter unterscheiden sie sich nicht Neue, große und kühne Gedanken dürfen wir in all diesen Gedichten nicht Wir gehen jetzt zu einer andern Richtung Moore's über, zu den Orienta¬ sind, und vermischte Gedichte. In ihrem Charakter unterscheiden sie sich nicht Neue, große und kühne Gedanken dürfen wir in all diesen Gedichten nicht Wir gehen jetzt zu einer andern Richtung Moore's über, zu den Orienta¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280345"/> <p xml:id="ID_698" prev="#ID_697"> sind, und vermischte Gedichte. In ihrem Charakter unterscheiden sie sich nicht<lb/> wesentlich von den Irischen Melodien, mit Ausnahme einzelner, die sich mehr<lb/> der Französischen Chanson nähern. Auch die „Reime auf der Landstraße", 1819,<lb/> gehören dahin, die Frucht einer Reise, welche Moore mit Lord John Russell<lb/> nach Italien machte, bei welcher Gelegenheit er Lord Byron kennen lernte und<lb/> eine dauernde Freundschaft mit ihm schloß. Ferner eine hübsche Idylle, „das<lb/> Sommcrfest", 183-1.</p><lb/> <p xml:id="ID_699"> Neue, große und kühne Gedanken dürfen wir in all diesen Gedichten nicht<lb/> suchen. Moore gehört nicht zu den Dichtern, die eine neue Aera herbeiführen,<lb/> aber die Innigkeit seiner Empfindung hat wesentlich dazu beigetragen, die Be¬<lb/> freiung der volksthümlichen Poesie von den ängstlichen Regeln des Französischen<lb/> Geschmacks herbeizuführen, welche Befreiung die Hauptausgabe der Dichter zu<lb/> Anfang dieses Jahrhunderts war. Das möge man nicht vergessen, daß heut zu<lb/> Tage, wo die Sprache mit zarten und sinnigen Vorstellungen durch die frühern<lb/> Dichter schon überreich versehen ist, keine große Kunst dazu gehört, die alten<lb/> Bilder auf eine leidliche Weise zu neuen Combinationen zu vereinigen. Moore's<lb/> Einfluß auch auf unsre lyrische Poesie ist sehr bedeutend. Leider ist Vieles, was<lb/> bei ihm ursprüngliche Natur war, in seinen Nachahmern zur Manier geworden.<lb/> So hat er namentlich die Gewohnheit, gleich den Anfang seiner Lieder durch<lb/> einen hübschen, pikanten Ausdruck zu schmücken, und diesen als Ueberschrift über<lb/> das Gedicht zu setzen. Bei uus ist es jetzt Mode, in diesem ersten pikanten<lb/> Ausdruck alle Kraft der Erfindung zu erschöpfen; was daraus folgt, ist gleich-<lb/> giltiger Zusatz.</p><lb/> <p xml:id="ID_700" next="#ID_701"> Wir gehen jetzt zu einer andern Richtung Moore's über, zu den Orienta¬<lb/> lischen Bildern, die verhältnißmäßig seinen Namen berühmter gemacht haben, als<lb/> seine frühern volksthümlichen Weisen, denen wir aber nicht das gleiche Lob er-<lb/> theilen können. Die Neigung zum Orient verbreitete sich damals ziemlich gleich¬<lb/> zeitig über die Poesie aller gebildetem Völker; allein sie ging von einem doppelten<lb/> Bedürfniß aus. Einerseits trieb die alte Romantik nach der Heimath alles Wun¬<lb/> derbaren, Unklaren und Mystischen. Bei dem Herumstöbern in alten Mythologien<lb/> und Mysterien fand man in Indien die reichste Ausbeute. A. W. Schlegel er-<lb/> kannte die klimatische Unfähigkeit Europa's zur Religion und rieth seinen Freun-<lb/> den, nach dem Ganges zu pilgern, wo wenigstens noch Spuren der verlorenen<lb/> zu finden sein müßten. Nachdem die Philologie dahinter gekommen war, freilich<lb/> mehr in Abnagen, als in bestimmter Erkenntniß, daß mau den Ursprung<lb/> der meisten neuern Sprachen bis in das Sanskrit hin verfolgen könne, suchte<lb/> man auch für die modernen Mythen, Dichtungen und Sagen die Quelle in den<lb/> heiligen Palmenwäldern des Orients. Man wird sich noch an die wunderlichen<lb/> Lehrbücher der Symbolik erinnern, in denen man nicht blos die Phantastik der<lb/> nordischen Göttergeschichten, sondern auch die klare, heitere, plastische Welt des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
sind, und vermischte Gedichte. In ihrem Charakter unterscheiden sie sich nicht
wesentlich von den Irischen Melodien, mit Ausnahme einzelner, die sich mehr
der Französischen Chanson nähern. Auch die „Reime auf der Landstraße", 1819,
gehören dahin, die Frucht einer Reise, welche Moore mit Lord John Russell
nach Italien machte, bei welcher Gelegenheit er Lord Byron kennen lernte und
eine dauernde Freundschaft mit ihm schloß. Ferner eine hübsche Idylle, „das
Sommcrfest", 183-1.
Neue, große und kühne Gedanken dürfen wir in all diesen Gedichten nicht
suchen. Moore gehört nicht zu den Dichtern, die eine neue Aera herbeiführen,
aber die Innigkeit seiner Empfindung hat wesentlich dazu beigetragen, die Be¬
freiung der volksthümlichen Poesie von den ängstlichen Regeln des Französischen
Geschmacks herbeizuführen, welche Befreiung die Hauptausgabe der Dichter zu
Anfang dieses Jahrhunderts war. Das möge man nicht vergessen, daß heut zu
Tage, wo die Sprache mit zarten und sinnigen Vorstellungen durch die frühern
Dichter schon überreich versehen ist, keine große Kunst dazu gehört, die alten
Bilder auf eine leidliche Weise zu neuen Combinationen zu vereinigen. Moore's
Einfluß auch auf unsre lyrische Poesie ist sehr bedeutend. Leider ist Vieles, was
bei ihm ursprüngliche Natur war, in seinen Nachahmern zur Manier geworden.
So hat er namentlich die Gewohnheit, gleich den Anfang seiner Lieder durch
einen hübschen, pikanten Ausdruck zu schmücken, und diesen als Ueberschrift über
das Gedicht zu setzen. Bei uus ist es jetzt Mode, in diesem ersten pikanten
Ausdruck alle Kraft der Erfindung zu erschöpfen; was daraus folgt, ist gleich-
giltiger Zusatz.
Wir gehen jetzt zu einer andern Richtung Moore's über, zu den Orienta¬
lischen Bildern, die verhältnißmäßig seinen Namen berühmter gemacht haben, als
seine frühern volksthümlichen Weisen, denen wir aber nicht das gleiche Lob er-
theilen können. Die Neigung zum Orient verbreitete sich damals ziemlich gleich¬
zeitig über die Poesie aller gebildetem Völker; allein sie ging von einem doppelten
Bedürfniß aus. Einerseits trieb die alte Romantik nach der Heimath alles Wun¬
derbaren, Unklaren und Mystischen. Bei dem Herumstöbern in alten Mythologien
und Mysterien fand man in Indien die reichste Ausbeute. A. W. Schlegel er-
kannte die klimatische Unfähigkeit Europa's zur Religion und rieth seinen Freun-
den, nach dem Ganges zu pilgern, wo wenigstens noch Spuren der verlorenen
zu finden sein müßten. Nachdem die Philologie dahinter gekommen war, freilich
mehr in Abnagen, als in bestimmter Erkenntniß, daß mau den Ursprung
der meisten neuern Sprachen bis in das Sanskrit hin verfolgen könne, suchte
man auch für die modernen Mythen, Dichtungen und Sagen die Quelle in den
heiligen Palmenwäldern des Orients. Man wird sich noch an die wunderlichen
Lehrbücher der Symbolik erinnern, in denen man nicht blos die Phantastik der
nordischen Göttergeschichten, sondern auch die klare, heitere, plastische Welt des
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