Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Dieselbe wurde vor mehrern Jahren noch sehr durch den Erlaß verstärkt, Die Einsetzung speeialer Russischer Wissenschaften in die Reihe der Lehrfächer Zum Glück waren die Russischen Officiere fähiger, den Schulämtern, als Am Eifrigsten, wir mochten sagen, am Wüthendsten oder Unverständigsten, hat In deu letzten Jahren unter Okanieffs Procuratorimn hat ein solches Treiben Dieselbe wurde vor mehrern Jahren noch sehr durch den Erlaß verstärkt, Die Einsetzung speeialer Russischer Wissenschaften in die Reihe der Lehrfächer Zum Glück waren die Russischen Officiere fähiger, den Schulämtern, als Am Eifrigsten, wir mochten sagen, am Wüthendsten oder Unverständigsten, hat In deu letzten Jahren unter Okanieffs Procuratorimn hat ein solches Treiben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280188"/> <p xml:id="ID_250"> Dieselbe wurde vor mehrern Jahren noch sehr durch den Erlaß verstärkt,<lb/> daß nur diejenigen Gyiunasiasteu Ansprüche ans Staatsämter haben sollen, denen<lb/> in den drei letzten Jahresexamen vor dem Abgänge in Betreff der Russischen<lb/> Sprache jedes Mal der Censurgrad „ausgezeichnet" zu Theil geworden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_251"> Die Einsetzung speeialer Russischer Wissenschaften in die Reihe der Lehrfächer<lb/> scheint aber mit guter Berechnung auf eine neue Veränderung an den Gymnasien<lb/> berechnet, welche in gewisser Beziehung von großem Erfolg zu sein erwarten läßt.<lb/> Da man nämlich Russische Geschichtskunde, Geographie und besonders Sprache<lb/> zu Lehrfächern gemacht, so waren neue Lehrer dieser Wissenschaften nöthig, und<lb/> da solche sich natürlich unter den Polnischen Philologen nicht fanden, so war<lb/> die Einsetzung von Russischen Officieren in die Lehrämter vollkonrmenst gerecht¬<lb/> fertiget.</p><lb/> <p xml:id="ID_252"> Zum Glück waren die Russischen Officiere fähiger, den Schulämtern, als<lb/> jenen Staatsämter» vorzustehen. Ihre Einsetzung wurde fast forcirt, und an man¬<lb/> chen Gymnasien sah es aus, als ob hinfort das gesammte Lehrercollegium Epau¬<lb/> lette tragen solle. Während mancher Professor vier, fünf und mehr Lehrfächer zu<lb/> verwalten hatte, wurden allein für die Russische Sprache an manchen Gymnasien<lb/> vier, fünf Officiere als Lehrer eingesetzt. Man ging hänfig über die Schranken,<lb/> und übergab Russischen Officieren andere Wissenschaften, von denen sie keinen<lb/> Begriff hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_253"> Am Eifrigsten, wir mochten sagen, am Wüthendsten oder Unverständigsten, hat<lb/> sich bei der Durchführung der Maßregel der General S. bewiesen — doch wir<lb/> dürfen seinen Namen nennen, da er sich gegenwärtig in Ungnade und eiuer Art<lb/> von Verbannung befindet. Wir meinen den General Storozenko. Dieser Mann<lb/> hätte mittels der Maßregel lieber sämmtliche Polnische Lehrer von den Schulen<lb/> verjagt. Seine Verfahrungsweise bestand in Schreckschüssen, die er bisweilen<lb/> gleich gegen ein halbes Lehrercollegium losfeucrte. Er eröffnete nämlich den<lb/> ausersehenen Opfern unwahrheitmäßig, daß sich ihre Namen auf der Liste der¬<lb/> jenigen Polnischen Professoren befänden, welche von dem Lehramte entfernt werden<lb/> sollten, und forderte sie ans, um ihre Demission und eine Pension supplicirend ein¬<lb/> zukommen. Die Alternative ließ keine Wahl. Eine Menge Polnischer Professoren<lb/> wurden durch diese und ähnliche Schwindel aus ihren Stellen gebracht, und Herr<lb/> von Storozenko war der Mann, der immer ganze Hansen von Russischen Epan-<lb/> lcttenträgern für die vacanten Stellen in Vorrath hatte. Man sagt, seine Gemah¬<lb/> lin habe vorzüglichen Antheil an der Instandhaltung der Candidatenliste ihres<lb/> Mannes gehabt.</p><lb/> <p xml:id="ID_254" next="#ID_255"> In deu letzten Jahren unter Okanieffs Procuratorimn hat ein solches Treiben<lb/> allerdings aufgehört, freilich ist auch gerade dasjenige so ziemlich beseitigt,<lb/> wogegen das Treiben sammt der zu Grunde liegenden Verordnung gerichtet war.<lb/> Die tüchtigsten der alten Polnischen Professoren sind in Unthätigkeit versetzt, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
Dieselbe wurde vor mehrern Jahren noch sehr durch den Erlaß verstärkt,
daß nur diejenigen Gyiunasiasteu Ansprüche ans Staatsämter haben sollen, denen
in den drei letzten Jahresexamen vor dem Abgänge in Betreff der Russischen
Sprache jedes Mal der Censurgrad „ausgezeichnet" zu Theil geworden ist.
Die Einsetzung speeialer Russischer Wissenschaften in die Reihe der Lehrfächer
scheint aber mit guter Berechnung auf eine neue Veränderung an den Gymnasien
berechnet, welche in gewisser Beziehung von großem Erfolg zu sein erwarten läßt.
Da man nämlich Russische Geschichtskunde, Geographie und besonders Sprache
zu Lehrfächern gemacht, so waren neue Lehrer dieser Wissenschaften nöthig, und
da solche sich natürlich unter den Polnischen Philologen nicht fanden, so war
die Einsetzung von Russischen Officieren in die Lehrämter vollkonrmenst gerecht¬
fertiget.
Zum Glück waren die Russischen Officiere fähiger, den Schulämtern, als
jenen Staatsämter» vorzustehen. Ihre Einsetzung wurde fast forcirt, und an man¬
chen Gymnasien sah es aus, als ob hinfort das gesammte Lehrercollegium Epau¬
lette tragen solle. Während mancher Professor vier, fünf und mehr Lehrfächer zu
verwalten hatte, wurden allein für die Russische Sprache an manchen Gymnasien
vier, fünf Officiere als Lehrer eingesetzt. Man ging hänfig über die Schranken,
und übergab Russischen Officieren andere Wissenschaften, von denen sie keinen
Begriff hatten.
Am Eifrigsten, wir mochten sagen, am Wüthendsten oder Unverständigsten, hat
sich bei der Durchführung der Maßregel der General S. bewiesen — doch wir
dürfen seinen Namen nennen, da er sich gegenwärtig in Ungnade und eiuer Art
von Verbannung befindet. Wir meinen den General Storozenko. Dieser Mann
hätte mittels der Maßregel lieber sämmtliche Polnische Lehrer von den Schulen
verjagt. Seine Verfahrungsweise bestand in Schreckschüssen, die er bisweilen
gleich gegen ein halbes Lehrercollegium losfeucrte. Er eröffnete nämlich den
ausersehenen Opfern unwahrheitmäßig, daß sich ihre Namen auf der Liste der¬
jenigen Polnischen Professoren befänden, welche von dem Lehramte entfernt werden
sollten, und forderte sie ans, um ihre Demission und eine Pension supplicirend ein¬
zukommen. Die Alternative ließ keine Wahl. Eine Menge Polnischer Professoren
wurden durch diese und ähnliche Schwindel aus ihren Stellen gebracht, und Herr
von Storozenko war der Mann, der immer ganze Hansen von Russischen Epan-
lcttenträgern für die vacanten Stellen in Vorrath hatte. Man sagt, seine Gemah¬
lin habe vorzüglichen Antheil an der Instandhaltung der Candidatenliste ihres
Mannes gehabt.
In deu letzten Jahren unter Okanieffs Procuratorimn hat ein solches Treiben
allerdings aufgehört, freilich ist auch gerade dasjenige so ziemlich beseitigt,
wogegen das Treiben sammt der zu Grunde liegenden Verordnung gerichtet war.
Die tüchtigsten der alten Polnischen Professoren sind in Unthätigkeit versetzt, und
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