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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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die Function des Berathens eingeschränkt ist, wie Sie es wollen, denn zu einem
zwecklosen Redeübungsverein werden sich die besten Männer nicht hergeben. Aber
der Reichstag selber erzeugt, was vorher nicht da war, Gemeinsamkeit der Inter¬
essen, Gliederung der Parteien, bestimmte Stellung der gegenseitigen Ansprüche.
Der Reichstag ist, wie in anderer, untergeordneter Beziehung ein stegreiches
Heer, die erste Grundlage einer wirklichen Nationalität. Ich finde nicht, daß
die Gorallen und Schotten viel dabei verlieren, wenn sie, um diesen Zweck zu
erreichen, Deutsch lernen müsse"; wird es doch auch Ihnen, hochgeehrter Herr,
bei Ihren wissenschaftlichen Arbeiten zuweilen noth thun, trotz der Gleichberechti¬
gung der Sprache", da leider uicht alle Dichter und Denker in der Zunge Libus-
sa's geredet haben. Trösten Sie sich mit Nordamerika, der Creole wird in seiner
Ehre nicht gekränkt, wenn er ans dem Kongreß Englisch reden muß, der Deutsche
bequemt sich ohnehin. Es wird noch Interessen genug geben, über die Sie sich
mit Ihren Landsleuten, Uffo Horn u. s. w>, in Ihrer Muttersprache unterhalten.
Die Aufmerksamkeit Europas werden diese Unterhaltungen freilich nicht auf sich
zieh", da eben der Umfang des Königreichs nach modernem Zuschnitt nicht groß
genug ist. Sollte es deun aber ein so großes Unglück sein, wenn Sie der Welt
auf Deutsch imponiren? Ich dächte, den Feind in seiner eigenen Sprache zu schla¬
gen, müßte der schönste Triumph eines edlen Gemüthes sein.

Hochgeehrter Herr! Sie haben den Kampfplatz verlassen. Sie verschmähen
es, das Princip, das Sie in dogmatischer Kürze, gleichsam im Lapidarstyl, hin¬
gestellt, dialektisch zu entwickeln und es gegen die Böswilligen zu vertheidigen.
Rechnen Sie mich nicht dazu! So verschieden unsere Standpunkte siud, geht
unser Streben doch im Wesentlichen nach derselben Richtung. Als Deutscher strebe
ich danach, das unnatürliche Band, das uns an Oestreich knüpft, zu lösen; als
Czeche protestiren Sie gegen das Aufgehen Oestreichs in Deutschland. Ihnen ge¬
bührt der Ruhm, zuerst ausgesprochen zu haben, was nöthig war. Daß Sie es
nicht aus Liebe zu Deutschland thaten, verdenke ich Ihnen nicht. Aber halten Sie
nun auch am Gesammtstaat! Wenn Ihr Plan durchginge, so würde Schmerling
Ihnen mit Vergnügen das gesammte Unterrichtswesen in czechischer Sprache über¬
lassen, dafür müßten Sie ihm Geld und Soldaten bewilligen, so viel er haben
wollte, und Gaj und wie die übrigen Slavenapostel heißen, müßten dasselbe thun;
mit diesem Geld und diesen Soldaten würde er Deutschland mit Krieg überziehn,
und wenn er es erobert, was freilich nicht wahrscheinlich ist, so würde er mit
den neuerworbenen Deutsch-Oestreichern dem Traum der Mutter Slava ein Eude
mit Schrecken machen, und die übernächtigen Träumer würde er aus den Spiel¬
berg schicken oder Freund Haynan in den Rachen werfen, so sehr er Ihre Gelehr¬
samkeit schätzen mag. Daß er das thut, hindern Sie mit Ihrer Partei auf demi
östreichischen Reichstage. Ganz der Ihrige.


I. 6.

die Function des Berathens eingeschränkt ist, wie Sie es wollen, denn zu einem
zwecklosen Redeübungsverein werden sich die besten Männer nicht hergeben. Aber
der Reichstag selber erzeugt, was vorher nicht da war, Gemeinsamkeit der Inter¬
essen, Gliederung der Parteien, bestimmte Stellung der gegenseitigen Ansprüche.
Der Reichstag ist, wie in anderer, untergeordneter Beziehung ein stegreiches
Heer, die erste Grundlage einer wirklichen Nationalität. Ich finde nicht, daß
die Gorallen und Schotten viel dabei verlieren, wenn sie, um diesen Zweck zu
erreichen, Deutsch lernen müsse»; wird es doch auch Ihnen, hochgeehrter Herr,
bei Ihren wissenschaftlichen Arbeiten zuweilen noth thun, trotz der Gleichberechti¬
gung der Sprache», da leider uicht alle Dichter und Denker in der Zunge Libus-
sa's geredet haben. Trösten Sie sich mit Nordamerika, der Creole wird in seiner
Ehre nicht gekränkt, wenn er ans dem Kongreß Englisch reden muß, der Deutsche
bequemt sich ohnehin. Es wird noch Interessen genug geben, über die Sie sich
mit Ihren Landsleuten, Uffo Horn u. s. w>, in Ihrer Muttersprache unterhalten.
Die Aufmerksamkeit Europas werden diese Unterhaltungen freilich nicht auf sich
zieh», da eben der Umfang des Königreichs nach modernem Zuschnitt nicht groß
genug ist. Sollte es deun aber ein so großes Unglück sein, wenn Sie der Welt
auf Deutsch imponiren? Ich dächte, den Feind in seiner eigenen Sprache zu schla¬
gen, müßte der schönste Triumph eines edlen Gemüthes sein.

Hochgeehrter Herr! Sie haben den Kampfplatz verlassen. Sie verschmähen
es, das Princip, das Sie in dogmatischer Kürze, gleichsam im Lapidarstyl, hin¬
gestellt, dialektisch zu entwickeln und es gegen die Böswilligen zu vertheidigen.
Rechnen Sie mich nicht dazu! So verschieden unsere Standpunkte siud, geht
unser Streben doch im Wesentlichen nach derselben Richtung. Als Deutscher strebe
ich danach, das unnatürliche Band, das uns an Oestreich knüpft, zu lösen; als
Czeche protestiren Sie gegen das Aufgehen Oestreichs in Deutschland. Ihnen ge¬
bührt der Ruhm, zuerst ausgesprochen zu haben, was nöthig war. Daß Sie es
nicht aus Liebe zu Deutschland thaten, verdenke ich Ihnen nicht. Aber halten Sie
nun auch am Gesammtstaat! Wenn Ihr Plan durchginge, so würde Schmerling
Ihnen mit Vergnügen das gesammte Unterrichtswesen in czechischer Sprache über¬
lassen, dafür müßten Sie ihm Geld und Soldaten bewilligen, so viel er haben
wollte, und Gaj und wie die übrigen Slavenapostel heißen, müßten dasselbe thun;
mit diesem Geld und diesen Soldaten würde er Deutschland mit Krieg überziehn,
und wenn er es erobert, was freilich nicht wahrscheinlich ist, so würde er mit
den neuerworbenen Deutsch-Oestreichern dem Traum der Mutter Slava ein Eude
mit Schrecken machen, und die übernächtigen Träumer würde er aus den Spiel¬
berg schicken oder Freund Haynan in den Rachen werfen, so sehr er Ihre Gelehr¬
samkeit schätzen mag. Daß er das thut, hindern Sie mit Ihrer Partei auf demi
östreichischen Reichstage. Ganz der Ihrige.


I. 6.
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[0096] die Function des Berathens eingeschränkt ist, wie Sie es wollen, denn zu einem zwecklosen Redeübungsverein werden sich die besten Männer nicht hergeben. Aber der Reichstag selber erzeugt, was vorher nicht da war, Gemeinsamkeit der Inter¬ essen, Gliederung der Parteien, bestimmte Stellung der gegenseitigen Ansprüche. Der Reichstag ist, wie in anderer, untergeordneter Beziehung ein stegreiches Heer, die erste Grundlage einer wirklichen Nationalität. Ich finde nicht, daß die Gorallen und Schotten viel dabei verlieren, wenn sie, um diesen Zweck zu erreichen, Deutsch lernen müsse»; wird es doch auch Ihnen, hochgeehrter Herr, bei Ihren wissenschaftlichen Arbeiten zuweilen noth thun, trotz der Gleichberechti¬ gung der Sprache», da leider uicht alle Dichter und Denker in der Zunge Libus- sa's geredet haben. Trösten Sie sich mit Nordamerika, der Creole wird in seiner Ehre nicht gekränkt, wenn er ans dem Kongreß Englisch reden muß, der Deutsche bequemt sich ohnehin. Es wird noch Interessen genug geben, über die Sie sich mit Ihren Landsleuten, Uffo Horn u. s. w>, in Ihrer Muttersprache unterhalten. Die Aufmerksamkeit Europas werden diese Unterhaltungen freilich nicht auf sich zieh», da eben der Umfang des Königreichs nach modernem Zuschnitt nicht groß genug ist. Sollte es deun aber ein so großes Unglück sein, wenn Sie der Welt auf Deutsch imponiren? Ich dächte, den Feind in seiner eigenen Sprache zu schla¬ gen, müßte der schönste Triumph eines edlen Gemüthes sein. Hochgeehrter Herr! Sie haben den Kampfplatz verlassen. Sie verschmähen es, das Princip, das Sie in dogmatischer Kürze, gleichsam im Lapidarstyl, hin¬ gestellt, dialektisch zu entwickeln und es gegen die Böswilligen zu vertheidigen. Rechnen Sie mich nicht dazu! So verschieden unsere Standpunkte siud, geht unser Streben doch im Wesentlichen nach derselben Richtung. Als Deutscher strebe ich danach, das unnatürliche Band, das uns an Oestreich knüpft, zu lösen; als Czeche protestiren Sie gegen das Aufgehen Oestreichs in Deutschland. Ihnen ge¬ bührt der Ruhm, zuerst ausgesprochen zu haben, was nöthig war. Daß Sie es nicht aus Liebe zu Deutschland thaten, verdenke ich Ihnen nicht. Aber halten Sie nun auch am Gesammtstaat! Wenn Ihr Plan durchginge, so würde Schmerling Ihnen mit Vergnügen das gesammte Unterrichtswesen in czechischer Sprache über¬ lassen, dafür müßten Sie ihm Geld und Soldaten bewilligen, so viel er haben wollte, und Gaj und wie die übrigen Slavenapostel heißen, müßten dasselbe thun; mit diesem Geld und diesen Soldaten würde er Deutschland mit Krieg überziehn, und wenn er es erobert, was freilich nicht wahrscheinlich ist, so würde er mit den neuerworbenen Deutsch-Oestreichern dem Traum der Mutter Slava ein Eude mit Schrecken machen, und die übernächtigen Träumer würde er aus den Spiel¬ berg schicken oder Freund Haynan in den Rachen werfen, so sehr er Ihre Gelehr¬ samkeit schätzen mag. Daß er das thut, hindern Sie mit Ihrer Partei auf demi östreichischen Reichstage. Ganz der Ihrige. I. 6.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/96>, abgerufen am 24.07.2024.