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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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süße Lächeln, das unwiderstehlich wirkte und Tausende für ihn freudig in den Tod
gejagt hat.

Ihm zur Rechten stand seine etwas ältliche Frau mit zwei holden Knaben an
der Hand. Sie war jugendlich verklärt von diesem Schauspiel, wohl freute sie sich
desselben noch anders als ihr Gemahl, denn sie war viel ehrgeiziger als er. Auch
lebte sie noch in voller Siegeszuversicht, und kannte nicht den giftigen Wurm des
Mißtrauens und der Besorgniß, der bereits an Kossntl/s Herzen nagte. Zu seiner
Linken und hinter ihm bemerkte man die ehrwürdige Gestalt des greisen, aber
jngeudlichrüstigen Dembinsky, Guyon's chevalercSke Gestalt, das edle, vom schwar¬
zen Bart fast ganz umschattete Gesicht des Obristen Asboth, die kräftige und volle
Figur des stets ernstblickender Kultusministers Michael Horvath und anderer
Revolutionshelden.

Ein tausendstimmiges, mehrere Minuten anhaltendes "Eljeu" erschütterte die
Luft, als die Menge ihren Liebling erblickte. Nur mit Mühe gelang es, dieses
stürmisch aufgeregte Stünmenmecr zu beschwichtigen, um der, im Namen der
Stadt an Kossuth zu richtenden Ansprache Gehör und Aufmerksamkeit zu ver¬
schaffen.--

Der junge talentvolle Magistratsrath Dany war zum Sprecher gewählt.
Seine Rede war in jenem überschwenglichen, binnen- und phrasenreichen Styl ge¬
halten, der damals in Ungarn allgemein üblich war und Kossuth gegenüber per¬
sönlich auf das Nonplusultra der UnVerständlichkeit hinaufgeschraubt wurde. Sie
konnte nur schwer gehört werden, da sie von dein Gemurmel und lauten Flüstern,
wie es unvermeidlich bei einer großen Menschenmenge, die noch dazu vor Unge¬
duld brannte, diese Rede beendigt und Kossuth antworten zuhören, übertönt wurde.
Jedoch, als der Redner mit kräftigerer Stimme schloß: "Die Stadt Szegcdin,
geehrt durch das Vertrauen, welches ihr die Negierung beweise, sei bereit, Gut
und Blut für deren Vertheidigung und zur Rettung des Landes zu opfern", --
da riefen Tausende und Tausende wie Ein Mann: ,MsxvI<" (wir sind bereit).
Und wer dieses aus dem tiefsten Herzen kommende "L"s/.ol<" vernahm, dem war
es wahrhaftig zu verzeihen, wenn er an die Unbesiegbarkeit dieses Volkes glaubte.

Kossuth's kurze, aber kräftige Antwort konnte die Begeisterung und den Ju¬
bel nur steigern. "Es könnte leicht -- so sprach er unter Anderem -- die Zeit
kommen, wo ich genöthigt wäre, diese feierlich angelobte Vereitwilligkeit in An¬
spruch zu nehmen. Ernste, gefahrdrohende Wolken nmdüstcrn den Horizont un-
seres Vaterlandes. Der Gott der Magyaren hat zwar die Tapferkeit unserer
Armee mit den glänzendsten Siegen gekrönt und ihr im Laufe eines Jahres die
Achtung und Bewunderung Europas errungen. Wir werden anch fernerhin den
Sieg an unsere Fahnen fesseln, denn in unserem Lager ist Gott, ist das Recht.
Aber auch unser Feind ist stark, denn er hat sich mit der Hölle verbündet, und
diese ist -- wenn auch nicht allmächtig -- doch überaus mächtig. ..... Wer-


süße Lächeln, das unwiderstehlich wirkte und Tausende für ihn freudig in den Tod
gejagt hat.

Ihm zur Rechten stand seine etwas ältliche Frau mit zwei holden Knaben an
der Hand. Sie war jugendlich verklärt von diesem Schauspiel, wohl freute sie sich
desselben noch anders als ihr Gemahl, denn sie war viel ehrgeiziger als er. Auch
lebte sie noch in voller Siegeszuversicht, und kannte nicht den giftigen Wurm des
Mißtrauens und der Besorgniß, der bereits an Kossntl/s Herzen nagte. Zu seiner
Linken und hinter ihm bemerkte man die ehrwürdige Gestalt des greisen, aber
jngeudlichrüstigen Dembinsky, Guyon's chevalercSke Gestalt, das edle, vom schwar¬
zen Bart fast ganz umschattete Gesicht des Obristen Asboth, die kräftige und volle
Figur des stets ernstblickender Kultusministers Michael Horvath und anderer
Revolutionshelden.

Ein tausendstimmiges, mehrere Minuten anhaltendes „Eljeu" erschütterte die
Luft, als die Menge ihren Liebling erblickte. Nur mit Mühe gelang es, dieses
stürmisch aufgeregte Stünmenmecr zu beschwichtigen, um der, im Namen der
Stadt an Kossuth zu richtenden Ansprache Gehör und Aufmerksamkeit zu ver¬
schaffen.—

Der junge talentvolle Magistratsrath Dany war zum Sprecher gewählt.
Seine Rede war in jenem überschwenglichen, binnen- und phrasenreichen Styl ge¬
halten, der damals in Ungarn allgemein üblich war und Kossuth gegenüber per¬
sönlich auf das Nonplusultra der UnVerständlichkeit hinaufgeschraubt wurde. Sie
konnte nur schwer gehört werden, da sie von dein Gemurmel und lauten Flüstern,
wie es unvermeidlich bei einer großen Menschenmenge, die noch dazu vor Unge¬
duld brannte, diese Rede beendigt und Kossuth antworten zuhören, übertönt wurde.
Jedoch, als der Redner mit kräftigerer Stimme schloß: „Die Stadt Szegcdin,
geehrt durch das Vertrauen, welches ihr die Negierung beweise, sei bereit, Gut
und Blut für deren Vertheidigung und zur Rettung des Landes zu opfern", —
da riefen Tausende und Tausende wie Ein Mann: ,MsxvI<" (wir sind bereit).
Und wer dieses aus dem tiefsten Herzen kommende „L«s/.ol<" vernahm, dem war
es wahrhaftig zu verzeihen, wenn er an die Unbesiegbarkeit dieses Volkes glaubte.

Kossuth's kurze, aber kräftige Antwort konnte die Begeisterung und den Ju¬
bel nur steigern. „Es könnte leicht — so sprach er unter Anderem — die Zeit
kommen, wo ich genöthigt wäre, diese feierlich angelobte Vereitwilligkeit in An¬
spruch zu nehmen. Ernste, gefahrdrohende Wolken nmdüstcrn den Horizont un-
seres Vaterlandes. Der Gott der Magyaren hat zwar die Tapferkeit unserer
Armee mit den glänzendsten Siegen gekrönt und ihr im Laufe eines Jahres die
Achtung und Bewunderung Europas errungen. Wir werden anch fernerhin den
Sieg an unsere Fahnen fesseln, denn in unserem Lager ist Gott, ist das Recht.
Aber auch unser Feind ist stark, denn er hat sich mit der Hölle verbündet, und
diese ist — wenn auch nicht allmächtig — doch überaus mächtig. ..... Wer-


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[0079] süße Lächeln, das unwiderstehlich wirkte und Tausende für ihn freudig in den Tod gejagt hat. Ihm zur Rechten stand seine etwas ältliche Frau mit zwei holden Knaben an der Hand. Sie war jugendlich verklärt von diesem Schauspiel, wohl freute sie sich desselben noch anders als ihr Gemahl, denn sie war viel ehrgeiziger als er. Auch lebte sie noch in voller Siegeszuversicht, und kannte nicht den giftigen Wurm des Mißtrauens und der Besorgniß, der bereits an Kossntl/s Herzen nagte. Zu seiner Linken und hinter ihm bemerkte man die ehrwürdige Gestalt des greisen, aber jngeudlichrüstigen Dembinsky, Guyon's chevalercSke Gestalt, das edle, vom schwar¬ zen Bart fast ganz umschattete Gesicht des Obristen Asboth, die kräftige und volle Figur des stets ernstblickender Kultusministers Michael Horvath und anderer Revolutionshelden. Ein tausendstimmiges, mehrere Minuten anhaltendes „Eljeu" erschütterte die Luft, als die Menge ihren Liebling erblickte. Nur mit Mühe gelang es, dieses stürmisch aufgeregte Stünmenmecr zu beschwichtigen, um der, im Namen der Stadt an Kossuth zu richtenden Ansprache Gehör und Aufmerksamkeit zu ver¬ schaffen.— Der junge talentvolle Magistratsrath Dany war zum Sprecher gewählt. Seine Rede war in jenem überschwenglichen, binnen- und phrasenreichen Styl ge¬ halten, der damals in Ungarn allgemein üblich war und Kossuth gegenüber per¬ sönlich auf das Nonplusultra der UnVerständlichkeit hinaufgeschraubt wurde. Sie konnte nur schwer gehört werden, da sie von dein Gemurmel und lauten Flüstern, wie es unvermeidlich bei einer großen Menschenmenge, die noch dazu vor Unge¬ duld brannte, diese Rede beendigt und Kossuth antworten zuhören, übertönt wurde. Jedoch, als der Redner mit kräftigerer Stimme schloß: „Die Stadt Szegcdin, geehrt durch das Vertrauen, welches ihr die Negierung beweise, sei bereit, Gut und Blut für deren Vertheidigung und zur Rettung des Landes zu opfern", — da riefen Tausende und Tausende wie Ein Mann: ,MsxvI<" (wir sind bereit). Und wer dieses aus dem tiefsten Herzen kommende „L«s/.ol<" vernahm, dem war es wahrhaftig zu verzeihen, wenn er an die Unbesiegbarkeit dieses Volkes glaubte. Kossuth's kurze, aber kräftige Antwort konnte die Begeisterung und den Ju¬ bel nur steigern. „Es könnte leicht — so sprach er unter Anderem — die Zeit kommen, wo ich genöthigt wäre, diese feierlich angelobte Vereitwilligkeit in An¬ spruch zu nehmen. Ernste, gefahrdrohende Wolken nmdüstcrn den Horizont un- seres Vaterlandes. Der Gott der Magyaren hat zwar die Tapferkeit unserer Armee mit den glänzendsten Siegen gekrönt und ihr im Laufe eines Jahres die Achtung und Bewunderung Europas errungen. Wir werden anch fernerhin den Sieg an unsere Fahnen fesseln, denn in unserem Lager ist Gott, ist das Recht. Aber auch unser Feind ist stark, denn er hat sich mit der Hölle verbündet, und diese ist — wenn auch nicht allmächtig — doch überaus mächtig. ..... Wer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/79>, abgerufen am 24.07.2024.