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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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der Szolnoker Eisenbahn beinahe täglich zurück. Die Regierung blieb einstweilen
in der Hauptstadt.

Doch nicht lange. Dessefy und Visoczky hatten nacheinander die Städte Ka-
schau, Eperies, Miskolz räumen müssen. Die russische Hauptmacht rückte von der
Pesther Seite über Gyvnyös und Hatvan immer näher heran. Görgcy hatte in
den ersten Julitagen in den Schanzen bei Allszöuy abermals eine Schlappe er¬
litten. Er mußte das Feld räumen. Die östreichische Hauptmacht drang in Folge
dessen auf der Ofener Seite rasch vor. Pesth-Osen war nicht mehr zu halten.
Am 9. Juli verließen es mit dem Abeudtrain der Pesth-Szolnoker Bahn die
letzten Regierungsmänner: Lad. Cftnyi, Mvsiiros und Dembinsky. Am 10. u. 11.
Juli zogen auch die letzten Honveds ab und wer sonst flüchten mußte oder wollte.

Szegedin war jetzt das neue Mekka geworden, wohin die erlösungsbegic-
rigen Patrioten wanderten. Denn der frühere Zufluchtsort der revolutionären
Partei, Debreczin, war bereits am 8. Juli vom General Tscheodajeff, der am
29. Juni den Theißübergaug bei Tokay erzwungen hatte, besetzt worden. Hier¬
durch war auch Großwardein, sowie dieser ganze südöstliche Theil Ungarns be¬
droht und zur Zufluchtsstätte durchaus uicht mehr geeignet.

In Szegediu hingegen fühlte man sich so ziemlich sicher. Die bedeutenden
Armeekorps unter Perczel, Dembinsky, Visoczky und Dessefy waren, mit einem
großen Landsturm verstärkt, bei Czegled, Abony und Szolnok concentrirt, mit
dem Auftrage, der unter Paskiewitsch heranrückenden russische" Hauptarmee je
uach Umständen den Uebergang über die Theiß streitig zu machen, oder sie auf
dem rechten Theißufer anzugreifen. Hiermit war der Regierung der Rücken ge¬
deckt. Marschalllientnant Vetter operirte damals, im Verein mit Guyon, mit dem
glänzendsten Erfolge in der B-icska. Die am 14. Juli bei Hegyes gelieferte
Schlacht war von den entscheidendsten Folgen gewesen. Der Bau hatte einen un¬
gemein starken Verlust erlitten, mußte Hegyes verlassen und konnte sich nur mit
Mühe nach Verbiis über den Kanal zurückziehn. Somit war Szegedin auch in
der Flanke vollkommen gedeckt. Das Banat war schon früher durch Perczel und
Bem -- bis auf die Festung Temesvar -- vom Feinde gereinigt worden. Arad
hatte nach neunmonatlicher Belagerung endlich Ende Juni kapitulirt. Und im
schlimmsten Fall stand also der Regierung der Rückzug ins Banat und in die
Festung Arad frei.

Am 11. Juli war endlich der letzte Zug patriotischer Flüchtlinge, wie auch
das Gesammtministerium, der "Gvuverneurpräsident" an dessen Spitze, in Sze¬
gedin angelangt.

Hier herrschte darüber großer und allgemeiner Jubel. Die patriotischen Ein¬
wohner betrachteten und empfingen uns durchaus nicht als Flüchtlinge, die bei
ihnen Schutz und Sicherheit suchten, denn ihr Vertrauen war so groß, daß sie
es der Regierung aufs Wort glaubte", sie hatte Pesth-Osen sehr leicht behaupten


der Szolnoker Eisenbahn beinahe täglich zurück. Die Regierung blieb einstweilen
in der Hauptstadt.

Doch nicht lange. Dessefy und Visoczky hatten nacheinander die Städte Ka-
schau, Eperies, Miskolz räumen müssen. Die russische Hauptmacht rückte von der
Pesther Seite über Gyvnyös und Hatvan immer näher heran. Görgcy hatte in
den ersten Julitagen in den Schanzen bei Allszöuy abermals eine Schlappe er¬
litten. Er mußte das Feld räumen. Die östreichische Hauptmacht drang in Folge
dessen auf der Ofener Seite rasch vor. Pesth-Osen war nicht mehr zu halten.
Am 9. Juli verließen es mit dem Abeudtrain der Pesth-Szolnoker Bahn die
letzten Regierungsmänner: Lad. Cftnyi, Mvsiiros und Dembinsky. Am 10. u. 11.
Juli zogen auch die letzten Honveds ab und wer sonst flüchten mußte oder wollte.

Szegedin war jetzt das neue Mekka geworden, wohin die erlösungsbegic-
rigen Patrioten wanderten. Denn der frühere Zufluchtsort der revolutionären
Partei, Debreczin, war bereits am 8. Juli vom General Tscheodajeff, der am
29. Juni den Theißübergaug bei Tokay erzwungen hatte, besetzt worden. Hier¬
durch war auch Großwardein, sowie dieser ganze südöstliche Theil Ungarns be¬
droht und zur Zufluchtsstätte durchaus uicht mehr geeignet.

In Szegediu hingegen fühlte man sich so ziemlich sicher. Die bedeutenden
Armeekorps unter Perczel, Dembinsky, Visoczky und Dessefy waren, mit einem
großen Landsturm verstärkt, bei Czegled, Abony und Szolnok concentrirt, mit
dem Auftrage, der unter Paskiewitsch heranrückenden russische» Hauptarmee je
uach Umständen den Uebergang über die Theiß streitig zu machen, oder sie auf
dem rechten Theißufer anzugreifen. Hiermit war der Regierung der Rücken ge¬
deckt. Marschalllientnant Vetter operirte damals, im Verein mit Guyon, mit dem
glänzendsten Erfolge in der B-icska. Die am 14. Juli bei Hegyes gelieferte
Schlacht war von den entscheidendsten Folgen gewesen. Der Bau hatte einen un¬
gemein starken Verlust erlitten, mußte Hegyes verlassen und konnte sich nur mit
Mühe nach Verbiis über den Kanal zurückziehn. Somit war Szegedin auch in
der Flanke vollkommen gedeckt. Das Banat war schon früher durch Perczel und
Bem — bis auf die Festung Temesvar — vom Feinde gereinigt worden. Arad
hatte nach neunmonatlicher Belagerung endlich Ende Juni kapitulirt. Und im
schlimmsten Fall stand also der Regierung der Rückzug ins Banat und in die
Festung Arad frei.

Am 11. Juli war endlich der letzte Zug patriotischer Flüchtlinge, wie auch
das Gesammtministerium, der „Gvuverneurpräsident" an dessen Spitze, in Sze¬
gedin angelangt.

Hier herrschte darüber großer und allgemeiner Jubel. Die patriotischen Ein¬
wohner betrachteten und empfingen uns durchaus nicht als Flüchtlinge, die bei
ihnen Schutz und Sicherheit suchten, denn ihr Vertrauen war so groß, daß sie
es der Regierung aufs Wort glaubte«, sie hatte Pesth-Osen sehr leicht behaupten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/76>, abgerufen am 24.07.2024.