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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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mehr oder weniger abstoßende Wirkung ausübten. Daß es innerhalb dieser Rech¬
ten selbst wieder eine äußerste Rechte, ein rechtes und ein linkes Centrum gebe,
und daß die beiden Eudpole der äußerlich zusammenhaltenden Partei innerlich ein¬
ander beinahe eben so fern, ja ferner ständen, als z. B. das linke Centrum der
gemäßigten Linken, verhehlte man sich nicht; allein die gemeinsame Gefahr, die
von der Linken, früheren Erfahrungen nach, zu drohen schien, hielt auch das Wi¬
derstrebende zusammen und ließ eine Trennung in gesonderte und dadurch schwache
Gruppen bedenklich erscheinen. Auch die Linke stellte offenbar, wenigstens in der
zweiten Kammer, wo es an einem überragenden Führer fehlte, bei Weitem nicht
eine so compacte und blindlings gehorchende Masse dar, wie beim vorigen Land¬
tag; vielmehr unterschied man bald eine gemäßigte Linke, eine eigentliche Linke
und eine äußerste Linke, die bei manchen Fragen sich spalteten. Dennoch bildete
auch die Linke im Ganzen eine geschlossene Partei und hielt bei eigentlichen Par¬
tei- und Pcrsonenfragen in der Regel fest zusammen. Der Einzige, Dieskau,
ging seinen Weg einsam für sich, nachdem er gleich in einer der ersten Clubbera-
thungen seine allzu scharf zugespitzten demokratischen Grundsätze von der Partei
nicht getheilt und unterstützt sehen mußte.

Noch eine andere Aeußerlichkeit wirkte entscheidend zu der Gestaltung der Par¬
teien mit, wenigstens in der zweiten Kammer. Die Sitzordnung ist hier dergestalt
eingerichtet, daß es nur eine Rechte und eine Linke gibt; blos drei Plätze, dem
Directorialtische gerade gegenüber, bilden als eine Art von Centrum die Verbin-
dung zwischen den beiden Seiten. In der Mitte dieses Centrums nahm der ehe¬
malige Chef des Märzministerinms, Braun, seinen Platz; von ihm nach links
zu Klinger, dessen politischer Richtung diese Stellung ganz entspricht; der Rech¬
ten näher dagegen der von Frankfurt her als Mitglied der "Erbkaiserpartei" be¬
kannte Maukisch. Alle Uebrigen waren genöthigt, schlechthin entweder auf der
Rechten oder der Linken sich niederzulassen.

So war von vornherein der einfache, scharfe Gegensatz zweier Hauptparteien
gegeben, die Bildung eines Centrums aber wesentlich erschwert. Von der Linken,
selbst der gemäßigsten wäre Keiner dahin zu bringen gewesen, auf der rechten
Seite Platz zu nehmen -- was hätten die "gesinnungsmäßigen" Wähler, was die
radicalen Blätter dazu gesagt. Eben so wenig war man von der andern Seite
geneigt, den Nubicon zu überschreiten und sich aus den Sitzen niederzulassen, die
durch ihre Inhaber vom vorigen Landtage her, eine so zweideutige Berühmtheit
erlangt hatten. Ein Einziger, Funkhäuel, hatte den Muth, obwohl grundsätz¬
lich den Radicalen abgewandt, dennoch zu ihnen auf die Linke sich zu setzen. Eine
Mitte, wo die sich nahestehenden Pole beider Seiten hätten zusammenkommen
mögen, gab's nicht, und so blieben die Linke und die Rechte, ohne äußerliche Ver¬
mittelung, streng von einander getrennt.

Dieser Umstand hatte noch eine weitere, nicht unerhebliche Folge. Der linken


mehr oder weniger abstoßende Wirkung ausübten. Daß es innerhalb dieser Rech¬
ten selbst wieder eine äußerste Rechte, ein rechtes und ein linkes Centrum gebe,
und daß die beiden Eudpole der äußerlich zusammenhaltenden Partei innerlich ein¬
ander beinahe eben so fern, ja ferner ständen, als z. B. das linke Centrum der
gemäßigten Linken, verhehlte man sich nicht; allein die gemeinsame Gefahr, die
von der Linken, früheren Erfahrungen nach, zu drohen schien, hielt auch das Wi¬
derstrebende zusammen und ließ eine Trennung in gesonderte und dadurch schwache
Gruppen bedenklich erscheinen. Auch die Linke stellte offenbar, wenigstens in der
zweiten Kammer, wo es an einem überragenden Führer fehlte, bei Weitem nicht
eine so compacte und blindlings gehorchende Masse dar, wie beim vorigen Land¬
tag; vielmehr unterschied man bald eine gemäßigte Linke, eine eigentliche Linke
und eine äußerste Linke, die bei manchen Fragen sich spalteten. Dennoch bildete
auch die Linke im Ganzen eine geschlossene Partei und hielt bei eigentlichen Par¬
tei- und Pcrsonenfragen in der Regel fest zusammen. Der Einzige, Dieskau,
ging seinen Weg einsam für sich, nachdem er gleich in einer der ersten Clubbera-
thungen seine allzu scharf zugespitzten demokratischen Grundsätze von der Partei
nicht getheilt und unterstützt sehen mußte.

Noch eine andere Aeußerlichkeit wirkte entscheidend zu der Gestaltung der Par¬
teien mit, wenigstens in der zweiten Kammer. Die Sitzordnung ist hier dergestalt
eingerichtet, daß es nur eine Rechte und eine Linke gibt; blos drei Plätze, dem
Directorialtische gerade gegenüber, bilden als eine Art von Centrum die Verbin-
dung zwischen den beiden Seiten. In der Mitte dieses Centrums nahm der ehe¬
malige Chef des Märzministerinms, Braun, seinen Platz; von ihm nach links
zu Klinger, dessen politischer Richtung diese Stellung ganz entspricht; der Rech¬
ten näher dagegen der von Frankfurt her als Mitglied der „Erbkaiserpartei" be¬
kannte Maukisch. Alle Uebrigen waren genöthigt, schlechthin entweder auf der
Rechten oder der Linken sich niederzulassen.

So war von vornherein der einfache, scharfe Gegensatz zweier Hauptparteien
gegeben, die Bildung eines Centrums aber wesentlich erschwert. Von der Linken,
selbst der gemäßigsten wäre Keiner dahin zu bringen gewesen, auf der rechten
Seite Platz zu nehmen — was hätten die „gesinnungsmäßigen" Wähler, was die
radicalen Blätter dazu gesagt. Eben so wenig war man von der andern Seite
geneigt, den Nubicon zu überschreiten und sich aus den Sitzen niederzulassen, die
durch ihre Inhaber vom vorigen Landtage her, eine so zweideutige Berühmtheit
erlangt hatten. Ein Einziger, Funkhäuel, hatte den Muth, obwohl grundsätz¬
lich den Radicalen abgewandt, dennoch zu ihnen auf die Linke sich zu setzen. Eine
Mitte, wo die sich nahestehenden Pole beider Seiten hätten zusammenkommen
mögen, gab's nicht, und so blieben die Linke und die Rechte, ohne äußerliche Ver¬
mittelung, streng von einander getrennt.

Dieser Umstand hatte noch eine weitere, nicht unerhebliche Folge. Der linken


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[0072] mehr oder weniger abstoßende Wirkung ausübten. Daß es innerhalb dieser Rech¬ ten selbst wieder eine äußerste Rechte, ein rechtes und ein linkes Centrum gebe, und daß die beiden Eudpole der äußerlich zusammenhaltenden Partei innerlich ein¬ ander beinahe eben so fern, ja ferner ständen, als z. B. das linke Centrum der gemäßigten Linken, verhehlte man sich nicht; allein die gemeinsame Gefahr, die von der Linken, früheren Erfahrungen nach, zu drohen schien, hielt auch das Wi¬ derstrebende zusammen und ließ eine Trennung in gesonderte und dadurch schwache Gruppen bedenklich erscheinen. Auch die Linke stellte offenbar, wenigstens in der zweiten Kammer, wo es an einem überragenden Führer fehlte, bei Weitem nicht eine so compacte und blindlings gehorchende Masse dar, wie beim vorigen Land¬ tag; vielmehr unterschied man bald eine gemäßigte Linke, eine eigentliche Linke und eine äußerste Linke, die bei manchen Fragen sich spalteten. Dennoch bildete auch die Linke im Ganzen eine geschlossene Partei und hielt bei eigentlichen Par¬ tei- und Pcrsonenfragen in der Regel fest zusammen. Der Einzige, Dieskau, ging seinen Weg einsam für sich, nachdem er gleich in einer der ersten Clubbera- thungen seine allzu scharf zugespitzten demokratischen Grundsätze von der Partei nicht getheilt und unterstützt sehen mußte. Noch eine andere Aeußerlichkeit wirkte entscheidend zu der Gestaltung der Par¬ teien mit, wenigstens in der zweiten Kammer. Die Sitzordnung ist hier dergestalt eingerichtet, daß es nur eine Rechte und eine Linke gibt; blos drei Plätze, dem Directorialtische gerade gegenüber, bilden als eine Art von Centrum die Verbin- dung zwischen den beiden Seiten. In der Mitte dieses Centrums nahm der ehe¬ malige Chef des Märzministerinms, Braun, seinen Platz; von ihm nach links zu Klinger, dessen politischer Richtung diese Stellung ganz entspricht; der Rech¬ ten näher dagegen der von Frankfurt her als Mitglied der „Erbkaiserpartei" be¬ kannte Maukisch. Alle Uebrigen waren genöthigt, schlechthin entweder auf der Rechten oder der Linken sich niederzulassen. So war von vornherein der einfache, scharfe Gegensatz zweier Hauptparteien gegeben, die Bildung eines Centrums aber wesentlich erschwert. Von der Linken, selbst der gemäßigsten wäre Keiner dahin zu bringen gewesen, auf der rechten Seite Platz zu nehmen — was hätten die „gesinnungsmäßigen" Wähler, was die radicalen Blätter dazu gesagt. Eben so wenig war man von der andern Seite geneigt, den Nubicon zu überschreiten und sich aus den Sitzen niederzulassen, die durch ihre Inhaber vom vorigen Landtage her, eine so zweideutige Berühmtheit erlangt hatten. Ein Einziger, Funkhäuel, hatte den Muth, obwohl grundsätz¬ lich den Radicalen abgewandt, dennoch zu ihnen auf die Linke sich zu setzen. Eine Mitte, wo die sich nahestehenden Pole beider Seiten hätten zusammenkommen mögen, gab's nicht, und so blieben die Linke und die Rechte, ohne äußerliche Ver¬ mittelung, streng von einander getrennt. Dieser Umstand hatte noch eine weitere, nicht unerhebliche Folge. Der linken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/72>, abgerufen am 24.07.2024.