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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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feinden Meßbuden, Comptoiren, Wohnstuben und Versammlungssälen,, und so
entstand zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, wenn nicht schon früher, "der
Hos der Deutschen zu Nowgorod", der nach seinem Schutzpatron auch schlichtweg
den Namen "Sanct Peter" führte. Wie in Wisby, nahm hier am Wolchow die
deutsche Kaufmannsinnung den Lilienbusch in ihr Wappen anf. Durch strenge
Gesetze, denen sich jedes Mitglied der Genossenschaft, die Handelsherren und
Handwerksmeister, wie Gesellen, Lehrlinge und Packknechte fügen mußten, sicherten
sie das Gedeihen ihrer neuen Niederlassung und richteten sich allmälig mit eigener
Gerichtsbarkeit, eigener Handelsorduung und Gemeiudccasse hier inmitten der frem¬
den Stadt ganz häuslich nud behaglich ein.

Ihr Gesetzbuch, die "Sebra dere Dhutschen to Nogarden", die in der ersten
Hälfte des dreizehnten Jahrhnnders aufgezeichnet sein muß, führt uns das innere
Wesen und Getriebe dieser Stiftung lebendig vor.

An der Spitze der ganzen Niederlassung standen zwei Aelterlente der Kauf¬
mannschaft, der "Olderman thes Hoves" und der "Oldermann Sande Petereö".
Dem letzteren lag die Sorge für den Haushalt des Hofes und die Verwal¬
tung der Jnnnngscasse ob. Er trieb die Steuern ein, die jedes handeltreibende
Mitglied der Gesellschaft je nach dem Werthe und der Menge der von ihm ein¬
geführten Waaren zu entrichten- hatte und nahm die Strafgelder in Empfang, die
nach erfolgten richterlichen Ausspruch für irgend welch' Vergehen, Betrug, Waa¬
renverfälschung, Geldnnterschleif, für Nachlässigkeit im Dienste, anstößiges Be¬
tragen gegen Vorgesetzte, Trunkenheit oder Schlägereien von den dabei Betheilig¬
ten zu erlegen waren. Oberster Richter war der Oldermann des Hofes, der auch
die allgemeinen Versammlungen zu berufen hatte und die Leitung über das Ganze
führte. Er sowohl wie der Acltermann Sanct Peters gingen aus der Wahl der
Kaufleute hervor, wählten sich dann selbst vier Männer zu Gehilfen und bezogen
aus dem gesetzlichen Antheil an Sporteln und Strafgeldern ihr besonderes Ein¬
kommen. Außerdem stand dem wortführenden Acltermann das Recht zu, sich nach
eigenem Gutdünken eine Wohnung auf dem Hofe auszusuchen. Um die übrigen
Häuser mußten die Kaufleute loofen. Diese Wohnungen mochten jedoch klein und
für die Nachtruhe geeignet sein. Die langen Winterabende brachten daher die
Handelsherren, nach Schluß des Geschäftes, in der "großen Stube" zu, die als
Versammlungsort und Speisesaal diente. Ein ähnliches Local, die sogenannte
"Kindern stove", war zu ähnlichen Zwecken für die jüngeren Handelslehrlinge,
Gesellen und Knechte eingerichtet.

Mit Ausnahme der Geschäftsverbindungen unterhielt der Hof nnr geringen
Verkehr mit den übrigen Bewohnern der Stadt. Zu Dienstleistungen innerhalb
seiner Ringmauern wurden daher uur Deutsche zugelassen. Eine eigene Hofbranerei
lieferte hier den süßen Meth, der aus Honig, Wasser und Hopfen zubereitet
wurde. In dem "Sanct Peterskessel" mußte alles Wachs geschmolzen werden,


feinden Meßbuden, Comptoiren, Wohnstuben und Versammlungssälen,, und so
entstand zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, wenn nicht schon früher, „der
Hos der Deutschen zu Nowgorod", der nach seinem Schutzpatron auch schlichtweg
den Namen „Sanct Peter" führte. Wie in Wisby, nahm hier am Wolchow die
deutsche Kaufmannsinnung den Lilienbusch in ihr Wappen anf. Durch strenge
Gesetze, denen sich jedes Mitglied der Genossenschaft, die Handelsherren und
Handwerksmeister, wie Gesellen, Lehrlinge und Packknechte fügen mußten, sicherten
sie das Gedeihen ihrer neuen Niederlassung und richteten sich allmälig mit eigener
Gerichtsbarkeit, eigener Handelsorduung und Gemeiudccasse hier inmitten der frem¬
den Stadt ganz häuslich nud behaglich ein.

Ihr Gesetzbuch, die „Sebra dere Dhutschen to Nogarden", die in der ersten
Hälfte des dreizehnten Jahrhnnders aufgezeichnet sein muß, führt uns das innere
Wesen und Getriebe dieser Stiftung lebendig vor.

An der Spitze der ganzen Niederlassung standen zwei Aelterlente der Kauf¬
mannschaft, der „Olderman thes Hoves" und der „Oldermann Sande Petereö".
Dem letzteren lag die Sorge für den Haushalt des Hofes und die Verwal¬
tung der Jnnnngscasse ob. Er trieb die Steuern ein, die jedes handeltreibende
Mitglied der Gesellschaft je nach dem Werthe und der Menge der von ihm ein¬
geführten Waaren zu entrichten- hatte und nahm die Strafgelder in Empfang, die
nach erfolgten richterlichen Ausspruch für irgend welch' Vergehen, Betrug, Waa¬
renverfälschung, Geldnnterschleif, für Nachlässigkeit im Dienste, anstößiges Be¬
tragen gegen Vorgesetzte, Trunkenheit oder Schlägereien von den dabei Betheilig¬
ten zu erlegen waren. Oberster Richter war der Oldermann des Hofes, der auch
die allgemeinen Versammlungen zu berufen hatte und die Leitung über das Ganze
führte. Er sowohl wie der Acltermann Sanct Peters gingen aus der Wahl der
Kaufleute hervor, wählten sich dann selbst vier Männer zu Gehilfen und bezogen
aus dem gesetzlichen Antheil an Sporteln und Strafgeldern ihr besonderes Ein¬
kommen. Außerdem stand dem wortführenden Acltermann das Recht zu, sich nach
eigenem Gutdünken eine Wohnung auf dem Hofe auszusuchen. Um die übrigen
Häuser mußten die Kaufleute loofen. Diese Wohnungen mochten jedoch klein und
für die Nachtruhe geeignet sein. Die langen Winterabende brachten daher die
Handelsherren, nach Schluß des Geschäftes, in der „großen Stube" zu, die als
Versammlungsort und Speisesaal diente. Ein ähnliches Local, die sogenannte
„Kindern stove", war zu ähnlichen Zwecken für die jüngeren Handelslehrlinge,
Gesellen und Knechte eingerichtet.

Mit Ausnahme der Geschäftsverbindungen unterhielt der Hof nnr geringen
Verkehr mit den übrigen Bewohnern der Stadt. Zu Dienstleistungen innerhalb
seiner Ringmauern wurden daher uur Deutsche zugelassen. Eine eigene Hofbranerei
lieferte hier den süßen Meth, der aus Honig, Wasser und Hopfen zubereitet
wurde. In dem „Sanct Peterskessel" mußte alles Wachs geschmolzen werden,


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[0514] feinden Meßbuden, Comptoiren, Wohnstuben und Versammlungssälen,, und so entstand zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, wenn nicht schon früher, „der Hos der Deutschen zu Nowgorod", der nach seinem Schutzpatron auch schlichtweg den Namen „Sanct Peter" führte. Wie in Wisby, nahm hier am Wolchow die deutsche Kaufmannsinnung den Lilienbusch in ihr Wappen anf. Durch strenge Gesetze, denen sich jedes Mitglied der Genossenschaft, die Handelsherren und Handwerksmeister, wie Gesellen, Lehrlinge und Packknechte fügen mußten, sicherten sie das Gedeihen ihrer neuen Niederlassung und richteten sich allmälig mit eigener Gerichtsbarkeit, eigener Handelsorduung und Gemeiudccasse hier inmitten der frem¬ den Stadt ganz häuslich nud behaglich ein. Ihr Gesetzbuch, die „Sebra dere Dhutschen to Nogarden", die in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhnnders aufgezeichnet sein muß, führt uns das innere Wesen und Getriebe dieser Stiftung lebendig vor. An der Spitze der ganzen Niederlassung standen zwei Aelterlente der Kauf¬ mannschaft, der „Olderman thes Hoves" und der „Oldermann Sande Petereö". Dem letzteren lag die Sorge für den Haushalt des Hofes und die Verwal¬ tung der Jnnnngscasse ob. Er trieb die Steuern ein, die jedes handeltreibende Mitglied der Gesellschaft je nach dem Werthe und der Menge der von ihm ein¬ geführten Waaren zu entrichten- hatte und nahm die Strafgelder in Empfang, die nach erfolgten richterlichen Ausspruch für irgend welch' Vergehen, Betrug, Waa¬ renverfälschung, Geldnnterschleif, für Nachlässigkeit im Dienste, anstößiges Be¬ tragen gegen Vorgesetzte, Trunkenheit oder Schlägereien von den dabei Betheilig¬ ten zu erlegen waren. Oberster Richter war der Oldermann des Hofes, der auch die allgemeinen Versammlungen zu berufen hatte und die Leitung über das Ganze führte. Er sowohl wie der Acltermann Sanct Peters gingen aus der Wahl der Kaufleute hervor, wählten sich dann selbst vier Männer zu Gehilfen und bezogen aus dem gesetzlichen Antheil an Sporteln und Strafgeldern ihr besonderes Ein¬ kommen. Außerdem stand dem wortführenden Acltermann das Recht zu, sich nach eigenem Gutdünken eine Wohnung auf dem Hofe auszusuchen. Um die übrigen Häuser mußten die Kaufleute loofen. Diese Wohnungen mochten jedoch klein und für die Nachtruhe geeignet sein. Die langen Winterabende brachten daher die Handelsherren, nach Schluß des Geschäftes, in der „großen Stube" zu, die als Versammlungsort und Speisesaal diente. Ein ähnliches Local, die sogenannte „Kindern stove", war zu ähnlichen Zwecken für die jüngeren Handelslehrlinge, Gesellen und Knechte eingerichtet. Mit Ausnahme der Geschäftsverbindungen unterhielt der Hof nnr geringen Verkehr mit den übrigen Bewohnern der Stadt. Zu Dienstleistungen innerhalb seiner Ringmauern wurden daher uur Deutsche zugelassen. Eine eigene Hofbranerei lieferte hier den süßen Meth, der aus Honig, Wasser und Hopfen zubereitet wurde. In dem „Sanct Peterskessel" mußte alles Wachs geschmolzen werden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/514>, abgerufen am 04.07.2024.