Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ungarischen Intervention Rußlands, doppelt Ursache habe sich Oestreich zu
nähren, so wohl seiner selbst wegen, als anch Oestreichs wegen, damit Oestreich nicht
in eine isolirte und feindliche Stellung gegen Europa gerathe, ohne irgend einen
Anhalt und ein Gegnuvicht gegen Rußlands brüderliche Uebermacht. Mit dieser
würdigen und politischen Empfindung, welche beide Staaten bei Abschluß des In¬
terim hatten, verbanden sich freilich bei beideu auch kleinere"egoistische Interessen.
Oestreich fürchtete Preußens Vordringen in Deutschland auf Grund des Dreikö-
nigsbündnisseö und Preußen wollte durch das Interim seinen Bundesstaat vor den
Proteste" nud Heeren des Ostens sichern. Ob die preußischen Diplomaten bei
Abschluß des Interims klug genug waren, Oestreich durch die Betheiligung an
einer Commission, deren Schicksal Unpvpularitat und Resnltatlosigkeit zu sein scheint,
abzufinden, wird erst die Zukunft zeigen, jedenfalls hat sich, das Interim in ge¬
meinsamen Verwalrungssachen (Matriknlarbeiträge, Festungen und Flotte) als nütz¬
lich bewiesen; vielleicht noch mehr dadurch, daß es die preußische Regierung be¬
lehrt hat, wie auf dem Wege eine Lösung der deutschen Frage nicht zu erreichen
sei. Wenigstens beweist die Uebersiedlung des preußischen Vertrauten Hrn. v. Na-
dowitz nach Erfurt, daß Preußen den Angelpunkt seiner deutschen Interessen in
Erfurt und nicht mehr bei der Jnterimscommission in Frankfurt siudet.

Schon die letzten Verhandlungen des Verw a le u ng s rat h es lehrten das.
Er hatte in der letzten Zeit den publizirten Protokollen nach eine bedeutsame Thä¬
tigkeit entwickelt. Er hat den Antrag gestellt, die Regierung von Hannover beim
Schiedsgericht zu verklage", dies ist geschehen, und Preußen hat seinen Gesandten
aus Hannover fortgezogen. Er hat ferner eine Znsatzcrcte z" dem Entwürfe der
Verfassung berathen, welche dem Reichstage vorgelegt werden soll: Der deutsche
Bundesstaat soll deutsche Union heißen, so lauge nicht alle Staaten dazuge¬
hören. Das Volks- und Staatenhaus führen deu Namen Parlament der
deutschen Union. Die deutsche Union übt als Einheit den, deutschen Bunde
gegenüber alle Rechte und Pflichten aus, welche bisher den einzelnen Regierungen
zukamen, sie sendet ihre Gesandten auch zu deu deutschen Bundesstaaten, welche
der Union nicht beigetreten sind, das der Unionsgewalt zustehende Recht des Krie¬
ges nud Friedens darf gegen uicht unirte deutsche Staaten nicht ausgeübt wer¬
den. Das Heerwesen der Union wird so geordnet, daß es sich der Kriegsverfas¬
sung des deutschen Bundes anschließt; folgen die Modificationen über Zusammen¬
setzung des Fürstcucollegiums des StaateulMses, wobei Sachsen und Hannover
noch als zur Union gehörig betrachtet werden. Darnach besteht das Fürstencolle-
gium aus fünf Stimme", von denen Preußen eine hat, das Staatenhaus aus
120 Stimme", von denen Preußen 40 entsendet. -- Endlich hat der Verwaltungs-
rath die Mecklenburg-Schwerin'sche Angelegenheit in die Hand genommen, und in
Folge eines vortrefflichen Referats von Dr. Liebe sowohl erklärt, daß das Schieds¬
gericht der Union die competente Behörde dafür sei, als auch, daß das bisherige


ungarischen Intervention Rußlands, doppelt Ursache habe sich Oestreich zu
nähren, so wohl seiner selbst wegen, als anch Oestreichs wegen, damit Oestreich nicht
in eine isolirte und feindliche Stellung gegen Europa gerathe, ohne irgend einen
Anhalt und ein Gegnuvicht gegen Rußlands brüderliche Uebermacht. Mit dieser
würdigen und politischen Empfindung, welche beide Staaten bei Abschluß des In¬
terim hatten, verbanden sich freilich bei beideu auch kleinere»egoistische Interessen.
Oestreich fürchtete Preußens Vordringen in Deutschland auf Grund des Dreikö-
nigsbündnisseö und Preußen wollte durch das Interim seinen Bundesstaat vor den
Proteste» nud Heeren des Ostens sichern. Ob die preußischen Diplomaten bei
Abschluß des Interims klug genug waren, Oestreich durch die Betheiligung an
einer Commission, deren Schicksal Unpvpularitat und Resnltatlosigkeit zu sein scheint,
abzufinden, wird erst die Zukunft zeigen, jedenfalls hat sich, das Interim in ge¬
meinsamen Verwalrungssachen (Matriknlarbeiträge, Festungen und Flotte) als nütz¬
lich bewiesen; vielleicht noch mehr dadurch, daß es die preußische Regierung be¬
lehrt hat, wie auf dem Wege eine Lösung der deutschen Frage nicht zu erreichen
sei. Wenigstens beweist die Uebersiedlung des preußischen Vertrauten Hrn. v. Na-
dowitz nach Erfurt, daß Preußen den Angelpunkt seiner deutschen Interessen in
Erfurt und nicht mehr bei der Jnterimscommission in Frankfurt siudet.

Schon die letzten Verhandlungen des Verw a le u ng s rat h es lehrten das.
Er hatte in der letzten Zeit den publizirten Protokollen nach eine bedeutsame Thä¬
tigkeit entwickelt. Er hat den Antrag gestellt, die Regierung von Hannover beim
Schiedsgericht zu verklage», dies ist geschehen, und Preußen hat seinen Gesandten
aus Hannover fortgezogen. Er hat ferner eine Znsatzcrcte z» dem Entwürfe der
Verfassung berathen, welche dem Reichstage vorgelegt werden soll: Der deutsche
Bundesstaat soll deutsche Union heißen, so lauge nicht alle Staaten dazuge¬
hören. Das Volks- und Staatenhaus führen deu Namen Parlament der
deutschen Union. Die deutsche Union übt als Einheit den, deutschen Bunde
gegenüber alle Rechte und Pflichten aus, welche bisher den einzelnen Regierungen
zukamen, sie sendet ihre Gesandten auch zu deu deutschen Bundesstaaten, welche
der Union nicht beigetreten sind, das der Unionsgewalt zustehende Recht des Krie¬
ges nud Friedens darf gegen uicht unirte deutsche Staaten nicht ausgeübt wer¬
den. Das Heerwesen der Union wird so geordnet, daß es sich der Kriegsverfas¬
sung des deutschen Bundes anschließt; folgen die Modificationen über Zusammen¬
setzung des Fürstcucollegiums des StaateulMses, wobei Sachsen und Hannover
noch als zur Union gehörig betrachtet werden. Darnach besteht das Fürstencolle-
gium aus fünf Stimme», von denen Preußen eine hat, das Staatenhaus aus
120 Stimme», von denen Preußen 40 entsendet. — Endlich hat der Verwaltungs-
rath die Mecklenburg-Schwerin'sche Angelegenheit in die Hand genommen, und in
Folge eines vortrefflichen Referats von Dr. Liebe sowohl erklärt, daß das Schieds¬
gericht der Union die competente Behörde dafür sei, als auch, daß das bisherige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93334"/>
          <p xml:id="ID_1758" prev="#ID_1757"> ungarischen Intervention Rußlands, doppelt Ursache habe sich Oestreich zu<lb/>
nähren, so wohl seiner selbst wegen, als anch Oestreichs wegen, damit Oestreich nicht<lb/>
in eine isolirte und feindliche Stellung gegen Europa gerathe, ohne irgend einen<lb/>
Anhalt und ein Gegnuvicht gegen Rußlands brüderliche Uebermacht. Mit dieser<lb/>
würdigen und politischen Empfindung, welche beide Staaten bei Abschluß des In¬<lb/>
terim hatten, verbanden sich freilich bei beideu auch kleinere»egoistische Interessen.<lb/>
Oestreich fürchtete Preußens Vordringen in Deutschland auf Grund des Dreikö-<lb/>
nigsbündnisseö und Preußen wollte durch das Interim seinen Bundesstaat vor den<lb/>
Proteste» nud Heeren des Ostens sichern. Ob die preußischen Diplomaten bei<lb/>
Abschluß des Interims klug genug waren, Oestreich durch die Betheiligung an<lb/>
einer Commission, deren Schicksal Unpvpularitat und Resnltatlosigkeit zu sein scheint,<lb/>
abzufinden, wird erst die Zukunft zeigen, jedenfalls hat sich, das Interim in ge¬<lb/>
meinsamen Verwalrungssachen (Matriknlarbeiträge, Festungen und Flotte) als nütz¬<lb/>
lich bewiesen; vielleicht noch mehr dadurch, daß es die preußische Regierung be¬<lb/>
lehrt hat, wie auf dem Wege eine Lösung der deutschen Frage nicht zu erreichen<lb/>
sei. Wenigstens beweist die Uebersiedlung des preußischen Vertrauten Hrn. v. Na-<lb/>
dowitz nach Erfurt, daß Preußen den Angelpunkt seiner deutschen Interessen in<lb/>
Erfurt und nicht mehr bei der Jnterimscommission in Frankfurt siudet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1759" next="#ID_1760"> Schon die letzten Verhandlungen des Verw a le u ng s rat h es lehrten das.<lb/>
Er hatte in der letzten Zeit den publizirten Protokollen nach eine bedeutsame Thä¬<lb/>
tigkeit entwickelt. Er hat den Antrag gestellt, die Regierung von Hannover beim<lb/>
Schiedsgericht zu verklage», dies ist geschehen, und Preußen hat seinen Gesandten<lb/>
aus Hannover fortgezogen. Er hat ferner eine Znsatzcrcte z» dem Entwürfe der<lb/>
Verfassung berathen, welche dem Reichstage vorgelegt werden soll: Der deutsche<lb/>
Bundesstaat soll deutsche Union heißen, so lauge nicht alle Staaten dazuge¬<lb/>
hören. Das Volks- und Staatenhaus führen deu Namen Parlament der<lb/>
deutschen Union. Die deutsche Union übt als Einheit den, deutschen Bunde<lb/>
gegenüber alle Rechte und Pflichten aus, welche bisher den einzelnen Regierungen<lb/>
zukamen, sie sendet ihre Gesandten auch zu deu deutschen Bundesstaaten, welche<lb/>
der Union nicht beigetreten sind, das der Unionsgewalt zustehende Recht des Krie¬<lb/>
ges nud Friedens darf gegen uicht unirte deutsche Staaten nicht ausgeübt wer¬<lb/>
den. Das Heerwesen der Union wird so geordnet, daß es sich der Kriegsverfas¬<lb/>
sung des deutschen Bundes anschließt; folgen die Modificationen über Zusammen¬<lb/>
setzung des Fürstcucollegiums des StaateulMses, wobei Sachsen und Hannover<lb/>
noch als zur Union gehörig betrachtet werden. Darnach besteht das Fürstencolle-<lb/>
gium aus fünf Stimme», von denen Preußen eine hat, das Staatenhaus aus<lb/>
120 Stimme», von denen Preußen 40 entsendet. &#x2014; Endlich hat der Verwaltungs-<lb/>
rath die Mecklenburg-Schwerin'sche Angelegenheit in die Hand genommen, und in<lb/>
Folge eines vortrefflichen Referats von Dr. Liebe sowohl erklärt, daß das Schieds¬<lb/>
gericht der Union die competente Behörde dafür sei, als auch, daß das bisherige</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0511] ungarischen Intervention Rußlands, doppelt Ursache habe sich Oestreich zu nähren, so wohl seiner selbst wegen, als anch Oestreichs wegen, damit Oestreich nicht in eine isolirte und feindliche Stellung gegen Europa gerathe, ohne irgend einen Anhalt und ein Gegnuvicht gegen Rußlands brüderliche Uebermacht. Mit dieser würdigen und politischen Empfindung, welche beide Staaten bei Abschluß des In¬ terim hatten, verbanden sich freilich bei beideu auch kleinere»egoistische Interessen. Oestreich fürchtete Preußens Vordringen in Deutschland auf Grund des Dreikö- nigsbündnisseö und Preußen wollte durch das Interim seinen Bundesstaat vor den Proteste» nud Heeren des Ostens sichern. Ob die preußischen Diplomaten bei Abschluß des Interims klug genug waren, Oestreich durch die Betheiligung an einer Commission, deren Schicksal Unpvpularitat und Resnltatlosigkeit zu sein scheint, abzufinden, wird erst die Zukunft zeigen, jedenfalls hat sich, das Interim in ge¬ meinsamen Verwalrungssachen (Matriknlarbeiträge, Festungen und Flotte) als nütz¬ lich bewiesen; vielleicht noch mehr dadurch, daß es die preußische Regierung be¬ lehrt hat, wie auf dem Wege eine Lösung der deutschen Frage nicht zu erreichen sei. Wenigstens beweist die Uebersiedlung des preußischen Vertrauten Hrn. v. Na- dowitz nach Erfurt, daß Preußen den Angelpunkt seiner deutschen Interessen in Erfurt und nicht mehr bei der Jnterimscommission in Frankfurt siudet. Schon die letzten Verhandlungen des Verw a le u ng s rat h es lehrten das. Er hatte in der letzten Zeit den publizirten Protokollen nach eine bedeutsame Thä¬ tigkeit entwickelt. Er hat den Antrag gestellt, die Regierung von Hannover beim Schiedsgericht zu verklage», dies ist geschehen, und Preußen hat seinen Gesandten aus Hannover fortgezogen. Er hat ferner eine Znsatzcrcte z» dem Entwürfe der Verfassung berathen, welche dem Reichstage vorgelegt werden soll: Der deutsche Bundesstaat soll deutsche Union heißen, so lauge nicht alle Staaten dazuge¬ hören. Das Volks- und Staatenhaus führen deu Namen Parlament der deutschen Union. Die deutsche Union übt als Einheit den, deutschen Bunde gegenüber alle Rechte und Pflichten aus, welche bisher den einzelnen Regierungen zukamen, sie sendet ihre Gesandten auch zu deu deutschen Bundesstaaten, welche der Union nicht beigetreten sind, das der Unionsgewalt zustehende Recht des Krie¬ ges nud Friedens darf gegen uicht unirte deutsche Staaten nicht ausgeübt wer¬ den. Das Heerwesen der Union wird so geordnet, daß es sich der Kriegsverfas¬ sung des deutschen Bundes anschließt; folgen die Modificationen über Zusammen¬ setzung des Fürstcucollegiums des StaateulMses, wobei Sachsen und Hannover noch als zur Union gehörig betrachtet werden. Darnach besteht das Fürstencolle- gium aus fünf Stimme», von denen Preußen eine hat, das Staatenhaus aus 120 Stimme», von denen Preußen 40 entsendet. — Endlich hat der Verwaltungs- rath die Mecklenburg-Schwerin'sche Angelegenheit in die Hand genommen, und in Folge eines vortrefflichen Referats von Dr. Liebe sowohl erklärt, daß das Schieds¬ gericht der Union die competente Behörde dafür sei, als auch, daß das bisherige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/511
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/511>, abgerufen am 04.07.2024.