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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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will ich ihn der Haynauischen Polizei deutlich signalisiren, damit die Monarchie
gerettet und Palmerston beschämt werde.

Im Juni vorigen Jahres machte mich eine Dame mit einem jungen Englän¬
der bekannt, der, wie sie sagte, in Literatur und Wissenschaft bereits Einiges
geleistet habe und mit der Times in Verbindung stehe. Seine Bildung war wie
seine äußere Erscheinung exclusiv englisch; seiue stattliche Gestalt und das offene,
Gesundheit und guten Humor strahlende Gesicht machten einen angenehmen Ein¬
druck, während seine steifen Bewegungen und seine naiven Urtheile über das con-
tinentale Leben manchmal zum Lächeln reizten. Seine Sympathien galten überall
den Liberalen, den Whigs, doch schien Politik eben nicht sein Steckenpferd. Er
hatte einige englische Kolonien besucht und schätzenswerthe statistisch-ethnographische
Arbeiten darüber geliefert; ähnliche Beiträge erwartete auch jetzt die Redaktion
der Times von seiner Feder, und so hatte er sich's in den Kopf gesetzt, noch wäh¬
rend der Dauer des Krieges Ungarn und Siebenbürgen zu besuche". Das Visum
war ihm in Wien verweigert worden; er faßte aber den Entschluß, trotzdem die
Grenze zu überschreiten und wo möglich in das Lager Görgey's zu gelangen, der
nach seiner Meinung so gastlich sein werde, ihm einen Freipaß durch's ganze Land
auszustellen. -- Aber die Schwierigkeit, durch den östreichischen Cordon zu schlüp¬
fen und bis zu Gvrgcy zu gelangen! warfen wir ein. -- Fiddlesticks! sagte er.--
Es wurde damals selbst den wegkundigen Bauern und den listigen Paschern schwer,
die östreichische" Borposten zu umgehen; wie wollte ein Wildfremder durchkommen,
den die ungarischen Landstürmler und Honveds eben so leicht als einen Spion
ansehen konnten, wie die Kroaten und Seresaner? Dazu kam, daß Mr. Prid-
ham zwar ein tüchtiger Klassiker war, aber von keiner lebenden Sprache außer
der eigenen, ein Sterbenswörtchen über die Lippen zu bringen vermochte. Fran¬
zösisch konnte er lesen, seine Aussprache des Französischen war aber nur englischen
Ohren verständlich. 5in matter! meinte er, no matter, das Wort: IZnAlistmiiin,
werde Jeder verstehen und respectiren. Je lebhafter wir unsere Bedenken äußer¬
ten, desto hartnäckiger verharrte er in seinem Entschluß, und machte sich endlich
guten Muths auf die Reise.

Nach fünf oder sechs Tagen klopft es an meine Thüre und herein tritt Mr.
Pridham, einen Fuß im Pantoffel, auf einen Stock gestützt, einen offenen Brief
in der Hand, lachend, fluchend und betheuernd, er werde sich Genugthuung ver¬
schaffen. . . Hier habe ich einen Brief an den Fürsten Schwarzenberg aufgesetzt,
den ich Ihnen zeigen will, sagte er, als er endlich Platz nahm. Ich sagte ihm,
als ich das Schreiben durchflogen hatte, daß er auf keinen Erfolg hoffen dürfe,
da er die erlittenen Mißhandlungen seiner eigenen Tollkühnheit zuzuschreiben habe.
Denken Sie, das verzogene Kind Albions ließ seinen Paß nach Gratz vistren, von
da fährt er bis nah an die Grenze, steigt aus und wandert, den Mantelsack in
der Hand, den Hut im Nacken, auf gut Glück gegen Osten, bis ihm einige fried-


will ich ihn der Haynauischen Polizei deutlich signalisiren, damit die Monarchie
gerettet und Palmerston beschämt werde.

Im Juni vorigen Jahres machte mich eine Dame mit einem jungen Englän¬
der bekannt, der, wie sie sagte, in Literatur und Wissenschaft bereits Einiges
geleistet habe und mit der Times in Verbindung stehe. Seine Bildung war wie
seine äußere Erscheinung exclusiv englisch; seiue stattliche Gestalt und das offene,
Gesundheit und guten Humor strahlende Gesicht machten einen angenehmen Ein¬
druck, während seine steifen Bewegungen und seine naiven Urtheile über das con-
tinentale Leben manchmal zum Lächeln reizten. Seine Sympathien galten überall
den Liberalen, den Whigs, doch schien Politik eben nicht sein Steckenpferd. Er
hatte einige englische Kolonien besucht und schätzenswerthe statistisch-ethnographische
Arbeiten darüber geliefert; ähnliche Beiträge erwartete auch jetzt die Redaktion
der Times von seiner Feder, und so hatte er sich's in den Kopf gesetzt, noch wäh¬
rend der Dauer des Krieges Ungarn und Siebenbürgen zu besuche». Das Visum
war ihm in Wien verweigert worden; er faßte aber den Entschluß, trotzdem die
Grenze zu überschreiten und wo möglich in das Lager Görgey's zu gelangen, der
nach seiner Meinung so gastlich sein werde, ihm einen Freipaß durch's ganze Land
auszustellen. — Aber die Schwierigkeit, durch den östreichischen Cordon zu schlüp¬
fen und bis zu Gvrgcy zu gelangen! warfen wir ein. — Fiddlesticks! sagte er.—
Es wurde damals selbst den wegkundigen Bauern und den listigen Paschern schwer,
die östreichische» Borposten zu umgehen; wie wollte ein Wildfremder durchkommen,
den die ungarischen Landstürmler und Honveds eben so leicht als einen Spion
ansehen konnten, wie die Kroaten und Seresaner? Dazu kam, daß Mr. Prid-
ham zwar ein tüchtiger Klassiker war, aber von keiner lebenden Sprache außer
der eigenen, ein Sterbenswörtchen über die Lippen zu bringen vermochte. Fran¬
zösisch konnte er lesen, seine Aussprache des Französischen war aber nur englischen
Ohren verständlich. 5in matter! meinte er, no matter, das Wort: IZnAlistmiiin,
werde Jeder verstehen und respectiren. Je lebhafter wir unsere Bedenken äußer¬
ten, desto hartnäckiger verharrte er in seinem Entschluß, und machte sich endlich
guten Muths auf die Reise.

Nach fünf oder sechs Tagen klopft es an meine Thüre und herein tritt Mr.
Pridham, einen Fuß im Pantoffel, auf einen Stock gestützt, einen offenen Brief
in der Hand, lachend, fluchend und betheuernd, er werde sich Genugthuung ver¬
schaffen. . . Hier habe ich einen Brief an den Fürsten Schwarzenberg aufgesetzt,
den ich Ihnen zeigen will, sagte er, als er endlich Platz nahm. Ich sagte ihm,
als ich das Schreiben durchflogen hatte, daß er auf keinen Erfolg hoffen dürfe,
da er die erlittenen Mißhandlungen seiner eigenen Tollkühnheit zuzuschreiben habe.
Denken Sie, das verzogene Kind Albions ließ seinen Paß nach Gratz vistren, von
da fährt er bis nah an die Grenze, steigt aus und wandert, den Mantelsack in
der Hand, den Hut im Nacken, auf gut Glück gegen Osten, bis ihm einige fried-


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[0318] will ich ihn der Haynauischen Polizei deutlich signalisiren, damit die Monarchie gerettet und Palmerston beschämt werde. Im Juni vorigen Jahres machte mich eine Dame mit einem jungen Englän¬ der bekannt, der, wie sie sagte, in Literatur und Wissenschaft bereits Einiges geleistet habe und mit der Times in Verbindung stehe. Seine Bildung war wie seine äußere Erscheinung exclusiv englisch; seiue stattliche Gestalt und das offene, Gesundheit und guten Humor strahlende Gesicht machten einen angenehmen Ein¬ druck, während seine steifen Bewegungen und seine naiven Urtheile über das con- tinentale Leben manchmal zum Lächeln reizten. Seine Sympathien galten überall den Liberalen, den Whigs, doch schien Politik eben nicht sein Steckenpferd. Er hatte einige englische Kolonien besucht und schätzenswerthe statistisch-ethnographische Arbeiten darüber geliefert; ähnliche Beiträge erwartete auch jetzt die Redaktion der Times von seiner Feder, und so hatte er sich's in den Kopf gesetzt, noch wäh¬ rend der Dauer des Krieges Ungarn und Siebenbürgen zu besuche». Das Visum war ihm in Wien verweigert worden; er faßte aber den Entschluß, trotzdem die Grenze zu überschreiten und wo möglich in das Lager Görgey's zu gelangen, der nach seiner Meinung so gastlich sein werde, ihm einen Freipaß durch's ganze Land auszustellen. — Aber die Schwierigkeit, durch den östreichischen Cordon zu schlüp¬ fen und bis zu Gvrgcy zu gelangen! warfen wir ein. — Fiddlesticks! sagte er.— Es wurde damals selbst den wegkundigen Bauern und den listigen Paschern schwer, die östreichische» Borposten zu umgehen; wie wollte ein Wildfremder durchkommen, den die ungarischen Landstürmler und Honveds eben so leicht als einen Spion ansehen konnten, wie die Kroaten und Seresaner? Dazu kam, daß Mr. Prid- ham zwar ein tüchtiger Klassiker war, aber von keiner lebenden Sprache außer der eigenen, ein Sterbenswörtchen über die Lippen zu bringen vermochte. Fran¬ zösisch konnte er lesen, seine Aussprache des Französischen war aber nur englischen Ohren verständlich. 5in matter! meinte er, no matter, das Wort: IZnAlistmiiin, werde Jeder verstehen und respectiren. Je lebhafter wir unsere Bedenken äußer¬ ten, desto hartnäckiger verharrte er in seinem Entschluß, und machte sich endlich guten Muths auf die Reise. Nach fünf oder sechs Tagen klopft es an meine Thüre und herein tritt Mr. Pridham, einen Fuß im Pantoffel, auf einen Stock gestützt, einen offenen Brief in der Hand, lachend, fluchend und betheuernd, er werde sich Genugthuung ver¬ schaffen. . . Hier habe ich einen Brief an den Fürsten Schwarzenberg aufgesetzt, den ich Ihnen zeigen will, sagte er, als er endlich Platz nahm. Ich sagte ihm, als ich das Schreiben durchflogen hatte, daß er auf keinen Erfolg hoffen dürfe, da er die erlittenen Mißhandlungen seiner eigenen Tollkühnheit zuzuschreiben habe. Denken Sie, das verzogene Kind Albions ließ seinen Paß nach Gratz vistren, von da fährt er bis nah an die Grenze, steigt aus und wandert, den Mantelsack in der Hand, den Hut im Nacken, auf gut Glück gegen Osten, bis ihm einige fried-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/318>, abgerufen am 24.07.2024.