Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.mit Bewußtsein Ungewöhnliches und Bedeutendes empfindet und eben deshalb Das Detail der Handlung, die Situationen und der Dialog des vorliegenden Das Stück selbst ist nicht zu retten, aber der Dichter hat jedenfalls die Fä¬ mit Bewußtsein Ungewöhnliches und Bedeutendes empfindet und eben deshalb Das Detail der Handlung, die Situationen und der Dialog des vorliegenden Das Stück selbst ist nicht zu retten, aber der Dichter hat jedenfalls die Fä¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93127"/> <p xml:id="ID_1041" prev="#ID_1040"> mit Bewußtsein Ungewöhnliches und Bedeutendes empfindet und eben deshalb<lb/> nicht Freiheit gewinnt, Bedeutendes zu thun. Das größte Beispiel von den fast<lb/> unüberwindlichen Schwierigkeiten eines solchen Stoffes ist Göthes Tasso.</p><lb/> <p xml:id="ID_1042"> Das Detail der Handlung, die Situationen und der Dialog des vorliegenden<lb/> Stückes zeigen überall die Manier unseres jungen Deutschlands. Die Charaktere<lb/> sind unvollständig empfunden und erhalten durch chargirte Züge einen verwerflichen<lb/> Neiz, in der Diction wird durch eingesetzte, weither geholte Bilder und geistreiche<lb/> Phrasen der Ausdruck der Leidenschaft nur zu oft gestört. Und doch, trotz der<lb/> Unbrauchbarkeit der Handlung, trotz des Gesuchten und Studirten in Situationen<lb/> und Sprache ist ein starkes dramatisches Talent deutlich zu erkennen. Der Dich¬<lb/> ter weiß, was dramatischer Wirkung sähig ist, und mit Vorliebe behandelt er diese<lb/> Scene», wo große Bewegungen der Seele und die Entwickelung der Leidenschaft<lb/> darzustellen sind. Clara und Byron in der Wohnung der Schauspielerin, die<lb/> eifersüchtige Lady Byron, und die große Scene des Wahnsinns, sie sind alle<lb/> nicht schön, ja sie leiden auch an Mangel von dramatischem Detail, aber es<lb/> ist doch ein gewisser kühner Wurf darin zu sehen; ein poetisches Behagen, die<lb/> Personen recht in die Teufelei der Leidenschaft hereinzusühren. Und das geschieht<lb/> mit großer Geschicklichkeit und mit Geist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1043"> Das Stück selbst ist nicht zu retten, aber der Dichter hat jedenfalls die Fä¬<lb/> higkeit, Besseres zu schaffen. Nur ist freilich nach diesem Stück zweifelhaft, ob<lb/> man sich über das, was er von Dichterkraft unleugbar besitzt, freuen darf, oder<lb/> ob man fürchten muß, durch ein neues Talent eine verderbliche Richtung in der<lb/> Kunst fortgebildet zu sehen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
mit Bewußtsein Ungewöhnliches und Bedeutendes empfindet und eben deshalb
nicht Freiheit gewinnt, Bedeutendes zu thun. Das größte Beispiel von den fast
unüberwindlichen Schwierigkeiten eines solchen Stoffes ist Göthes Tasso.
Das Detail der Handlung, die Situationen und der Dialog des vorliegenden
Stückes zeigen überall die Manier unseres jungen Deutschlands. Die Charaktere
sind unvollständig empfunden und erhalten durch chargirte Züge einen verwerflichen
Neiz, in der Diction wird durch eingesetzte, weither geholte Bilder und geistreiche
Phrasen der Ausdruck der Leidenschaft nur zu oft gestört. Und doch, trotz der
Unbrauchbarkeit der Handlung, trotz des Gesuchten und Studirten in Situationen
und Sprache ist ein starkes dramatisches Talent deutlich zu erkennen. Der Dich¬
ter weiß, was dramatischer Wirkung sähig ist, und mit Vorliebe behandelt er diese
Scene», wo große Bewegungen der Seele und die Entwickelung der Leidenschaft
darzustellen sind. Clara und Byron in der Wohnung der Schauspielerin, die
eifersüchtige Lady Byron, und die große Scene des Wahnsinns, sie sind alle
nicht schön, ja sie leiden auch an Mangel von dramatischem Detail, aber es
ist doch ein gewisser kühner Wurf darin zu sehen; ein poetisches Behagen, die
Personen recht in die Teufelei der Leidenschaft hereinzusühren. Und das geschieht
mit großer Geschicklichkeit und mit Geist.
Das Stück selbst ist nicht zu retten, aber der Dichter hat jedenfalls die Fä¬
higkeit, Besseres zu schaffen. Nur ist freilich nach diesem Stück zweifelhaft, ob
man sich über das, was er von Dichterkraft unleugbar besitzt, freuen darf, oder
ob man fürchten muß, durch ein neues Talent eine verderbliche Richtung in der
Kunst fortgebildet zu sehen.
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