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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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und sie zu rücksichtsloser Rache auffordert. Da kommt Byron in Dinerlaune mit
einigen Herren nach Hause, von denen einer, welcher Sheridan heißt, und wie
bemerkt wird, ein genialer Politiker ist, starke Neigungen zur Trunkenheit verräth.
Lord Byron merkt, daß sein geheimes Kästchen aufgemacht ist, wird darüber sehr
zornig und fühlt das Unglück seiner Ehe. Darauf Theaterloge Lord Byrons.
Lord Holland fordert Byron auf, seine Kräfte dem Staat zu widmen, um auf
den Flügeln seines Genius England empvrzutragen. Byron verspricht das. Da tritt
Miß Clara auf, Pfeifen und Zischen beginnt, Schmähworte fallen auf die Bühne,
Byron stürzt in höchster Wuth hervor und trotzt dem Publikum, auch gegen ihn
und seine Unmoralität wendet sich der Zorn der Menge, und durch furchtbaren
Scandal wird die Vorstellung unterbrochen. Byron hat die halbtodte Clara auf
die Straße gerettet, der betrunkene Sheridan stammelt aus einer Bank mit einem
Nachtwächter, Byron legt die Schauspielerin neben den Betrunkenen, drei Genies
stehen einsam und untergehend in einer Gruppe. Da die Wohnung der Schau¬
spielerin von aufgeregten Haufen bedroht wird, bringt Byron sie in den Schutz
seines eigenen Hanfes. Aus dem Entsetzen , mit welchem sich das Mädchen zuerst
von ihm abwendet, bricht endlich ihre leidenschaftliche Liebe heraus, Beide über¬
winden hochherzig ihr Gefühl, Byron beschließt zu restgniren. Als er abgegangen
ist, dringt Lady Byron herein, überhäuft Clara mit maßlosen Schmähungen, der
Geist des unglücklichen Mädchens kann den neuen Schlag nicht aushalten, und
beginnt zu schwärmen; sie wird wahnsinnig und empfindet sich als Ophelia.
Byron kommt dazu, beide Gatten stehen entsetzt über dem ungeheuern Ereigniß.
Lady Byron kommt zur Erkenntniß ihres Unrechtes und straft sich dadurch, daß sie
sich von dem Mann, den sie in ihrer Art leidenschaftlich liebt, scheidet. Sie reist ab,
Clara kommt in die Pflege eines Irrenarztes. Byron ist jetzt allein, gehaßt und
verfolgt von der ganzen guten Gesellschaft Londons, unaufhörlich durchj die Journale
und den Straßenwitz als Bösewicht geschmäht, anch von seinen Gläubigern grim¬
mig verfolgt, ein geschlagener Mann, der mit der Welt fertig ist. -- Strandgegend,
schlimmes Wetter. Ein alter Lootse, der als "Wettermacher" von seinen Nachbarn
gefürchtet und gemieden wird, hält Byron, als dieser sich in die See stürzen
will, schilt ihn kräftig und rüttelt ihn auf, er ermahnt ihn, daß durch Manneskraft
all das Leiden, an dem er krank sei, bewältigt werden könne. Byron beschließt,
dem undankbaren England seine Größe in der Fremde zu beweise" und besteigt
ein Schiff, abzufahren.

Der Theatererfolg dieses Stückes ist bis jetzt ein sehr günstiger gewesen und
die erbarmungslose Kritik kann darüber nicht trauern. Die Handlung ist undra¬
matisch, weil die Persönlichkeit des Helden und seine Schicksale in der Kunst keine
tragische Berechtigung haben. Wer ist dieser Lord Byron, der als ein Genie
einer bornirten und faulen Gesellschaft gegenübergestellt wird? Er lebt zunächst
in unglücklicher Ehe. Wenn ein Mann von gebildetem Urtheil ein Weib heira"


und sie zu rücksichtsloser Rache auffordert. Da kommt Byron in Dinerlaune mit
einigen Herren nach Hause, von denen einer, welcher Sheridan heißt, und wie
bemerkt wird, ein genialer Politiker ist, starke Neigungen zur Trunkenheit verräth.
Lord Byron merkt, daß sein geheimes Kästchen aufgemacht ist, wird darüber sehr
zornig und fühlt das Unglück seiner Ehe. Darauf Theaterloge Lord Byrons.
Lord Holland fordert Byron auf, seine Kräfte dem Staat zu widmen, um auf
den Flügeln seines Genius England empvrzutragen. Byron verspricht das. Da tritt
Miß Clara auf, Pfeifen und Zischen beginnt, Schmähworte fallen auf die Bühne,
Byron stürzt in höchster Wuth hervor und trotzt dem Publikum, auch gegen ihn
und seine Unmoralität wendet sich der Zorn der Menge, und durch furchtbaren
Scandal wird die Vorstellung unterbrochen. Byron hat die halbtodte Clara auf
die Straße gerettet, der betrunkene Sheridan stammelt aus einer Bank mit einem
Nachtwächter, Byron legt die Schauspielerin neben den Betrunkenen, drei Genies
stehen einsam und untergehend in einer Gruppe. Da die Wohnung der Schau¬
spielerin von aufgeregten Haufen bedroht wird, bringt Byron sie in den Schutz
seines eigenen Hanfes. Aus dem Entsetzen , mit welchem sich das Mädchen zuerst
von ihm abwendet, bricht endlich ihre leidenschaftliche Liebe heraus, Beide über¬
winden hochherzig ihr Gefühl, Byron beschließt zu restgniren. Als er abgegangen
ist, dringt Lady Byron herein, überhäuft Clara mit maßlosen Schmähungen, der
Geist des unglücklichen Mädchens kann den neuen Schlag nicht aushalten, und
beginnt zu schwärmen; sie wird wahnsinnig und empfindet sich als Ophelia.
Byron kommt dazu, beide Gatten stehen entsetzt über dem ungeheuern Ereigniß.
Lady Byron kommt zur Erkenntniß ihres Unrechtes und straft sich dadurch, daß sie
sich von dem Mann, den sie in ihrer Art leidenschaftlich liebt, scheidet. Sie reist ab,
Clara kommt in die Pflege eines Irrenarztes. Byron ist jetzt allein, gehaßt und
verfolgt von der ganzen guten Gesellschaft Londons, unaufhörlich durchj die Journale
und den Straßenwitz als Bösewicht geschmäht, anch von seinen Gläubigern grim¬
mig verfolgt, ein geschlagener Mann, der mit der Welt fertig ist. — Strandgegend,
schlimmes Wetter. Ein alter Lootse, der als „Wettermacher" von seinen Nachbarn
gefürchtet und gemieden wird, hält Byron, als dieser sich in die See stürzen
will, schilt ihn kräftig und rüttelt ihn auf, er ermahnt ihn, daß durch Manneskraft
all das Leiden, an dem er krank sei, bewältigt werden könne. Byron beschließt,
dem undankbaren England seine Größe in der Fremde zu beweise« und besteigt
ein Schiff, abzufahren.

Der Theatererfolg dieses Stückes ist bis jetzt ein sehr günstiger gewesen und
die erbarmungslose Kritik kann darüber nicht trauern. Die Handlung ist undra¬
matisch, weil die Persönlichkeit des Helden und seine Schicksale in der Kunst keine
tragische Berechtigung haben. Wer ist dieser Lord Byron, der als ein Genie
einer bornirten und faulen Gesellschaft gegenübergestellt wird? Er lebt zunächst
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[0302] und sie zu rücksichtsloser Rache auffordert. Da kommt Byron in Dinerlaune mit einigen Herren nach Hause, von denen einer, welcher Sheridan heißt, und wie bemerkt wird, ein genialer Politiker ist, starke Neigungen zur Trunkenheit verräth. Lord Byron merkt, daß sein geheimes Kästchen aufgemacht ist, wird darüber sehr zornig und fühlt das Unglück seiner Ehe. Darauf Theaterloge Lord Byrons. Lord Holland fordert Byron auf, seine Kräfte dem Staat zu widmen, um auf den Flügeln seines Genius England empvrzutragen. Byron verspricht das. Da tritt Miß Clara auf, Pfeifen und Zischen beginnt, Schmähworte fallen auf die Bühne, Byron stürzt in höchster Wuth hervor und trotzt dem Publikum, auch gegen ihn und seine Unmoralität wendet sich der Zorn der Menge, und durch furchtbaren Scandal wird die Vorstellung unterbrochen. Byron hat die halbtodte Clara auf die Straße gerettet, der betrunkene Sheridan stammelt aus einer Bank mit einem Nachtwächter, Byron legt die Schauspielerin neben den Betrunkenen, drei Genies stehen einsam und untergehend in einer Gruppe. Da die Wohnung der Schau¬ spielerin von aufgeregten Haufen bedroht wird, bringt Byron sie in den Schutz seines eigenen Hanfes. Aus dem Entsetzen , mit welchem sich das Mädchen zuerst von ihm abwendet, bricht endlich ihre leidenschaftliche Liebe heraus, Beide über¬ winden hochherzig ihr Gefühl, Byron beschließt zu restgniren. Als er abgegangen ist, dringt Lady Byron herein, überhäuft Clara mit maßlosen Schmähungen, der Geist des unglücklichen Mädchens kann den neuen Schlag nicht aushalten, und beginnt zu schwärmen; sie wird wahnsinnig und empfindet sich als Ophelia. Byron kommt dazu, beide Gatten stehen entsetzt über dem ungeheuern Ereigniß. Lady Byron kommt zur Erkenntniß ihres Unrechtes und straft sich dadurch, daß sie sich von dem Mann, den sie in ihrer Art leidenschaftlich liebt, scheidet. Sie reist ab, Clara kommt in die Pflege eines Irrenarztes. Byron ist jetzt allein, gehaßt und verfolgt von der ganzen guten Gesellschaft Londons, unaufhörlich durchj die Journale und den Straßenwitz als Bösewicht geschmäht, anch von seinen Gläubigern grim¬ mig verfolgt, ein geschlagener Mann, der mit der Welt fertig ist. — Strandgegend, schlimmes Wetter. Ein alter Lootse, der als „Wettermacher" von seinen Nachbarn gefürchtet und gemieden wird, hält Byron, als dieser sich in die See stürzen will, schilt ihn kräftig und rüttelt ihn auf, er ermahnt ihn, daß durch Manneskraft all das Leiden, an dem er krank sei, bewältigt werden könne. Byron beschließt, dem undankbaren England seine Größe in der Fremde zu beweise« und besteigt ein Schiff, abzufahren. Der Theatererfolg dieses Stückes ist bis jetzt ein sehr günstiger gewesen und die erbarmungslose Kritik kann darüber nicht trauern. Die Handlung ist undra¬ matisch, weil die Persönlichkeit des Helden und seine Schicksale in der Kunst keine tragische Berechtigung haben. Wer ist dieser Lord Byron, der als ein Genie einer bornirten und faulen Gesellschaft gegenübergestellt wird? Er lebt zunächst in unglücklicher Ehe. Wenn ein Mann von gebildetem Urtheil ein Weib heira»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/302>, abgerufen am 24.07.2024.