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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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ihm stand der Delifischek Spaho Spain in vollem Waffenschmuck. -- Eine Weile
stand Gergo stumm vor Schreck, dann stammelte er schüchtern: "Euch helfe Gott
und schenke Glück Euch, ehrsamer Aga." -- Da runzelte der Spaho die Stirn
und brummte: "Was sür ein Aga? kommst Du mir mit dem Aga? Hol der Teu¬
fel den Aga! Laß den Unsinn sein und nenne mich Deinen Wahlbruder, denu der
bin ich." -- Aus diese Autwort war Gergo nicht gefaßt: er war wie ans den
Wolken gefallen, noch nicht recht wissend, ob Spaho's Rede ernst gemeint sei,
oder bitterer Spott, doch ermannte er sich gleich und fragte gemäß der üblichen
Etiquette nach dem Wohlsein des improvisirten Bruders. Dieser dankte freund¬
lichst in wohlgesetzten Worten, nahm den Gergo beim Arm und führte ihn in sein
Hans. Ein Festmahl ward bereitet, und viele Gäste dazu geladen, lauter Männer
von Gewicht, rechtgläubige Türken, reiche Kaufleute und Hofbeamte des Pascha
und Gergo saß am Ehrenplatze, und Spaho Spain klopfte ihm bei jedem Gerichte,
indem er sich mit der linke" Hand bete struppigen Bart strich, mit der Rechten
aus die Achsel und wiederholte jedesmal schmunzelnd: "Seht, dieser ist mein lieb¬
ster Gast,-mein Wahlbruder, der Gergo!" Drei Tage wurde hoch geschmaust in
Spaho's Hause, dem Gergo zu Ehren, und brav Ralle getrunken. Am vierten
Tage überreichte Spaho Ehrengeschenke dem Gergo für ihn und sein ganzes Haus.
Spaho's Weib schickte für Gergo ein seidenes Hemd, buutwollene Strümpfe, ja
auch ein Paar Hosen! Als Gergo aufbrach, führte ihm Spaho selbst das Pferd
vor und hielt ihm den Steigbügel, dann begleitete er ihn mit der ganzen Tisch¬
gesellschaft zu Pferd eine halbe Stunde von Mostar.

Zu Hause angelangt, erzählte Gergo die ganze Geschichte seinem Weib nud
den verwunderten Nachbarn. Drei Tage darauf wählte er zwei der schönsten
Ochsen aus seiner Heerde, behängte sie mit rothem .Tuch und steckte ihnen ver¬
goldete Aepfel an die Hörner und sandte sie so nach Mostar dem Spaho Spain
als ein brüderliches Gegengeschenk.

Seit jener Zeit vertragen sich Gergo und Spaho wie leibliche Brüder, und
seit jener Zeit hat Spaho, treu seinem Bundcsbrnderschwur, keinem Christen mehr
auch nur ein Haar gekrümmt. Spaho ist ein anderer Mann geworden und sein
^ > ^ alter Beiname Delifischek wird bald in Vergessenheit kommen.




ihm stand der Delifischek Spaho Spain in vollem Waffenschmuck. — Eine Weile
stand Gergo stumm vor Schreck, dann stammelte er schüchtern: „Euch helfe Gott
und schenke Glück Euch, ehrsamer Aga." — Da runzelte der Spaho die Stirn
und brummte: „Was sür ein Aga? kommst Du mir mit dem Aga? Hol der Teu¬
fel den Aga! Laß den Unsinn sein und nenne mich Deinen Wahlbruder, denu der
bin ich." — Aus diese Autwort war Gergo nicht gefaßt: er war wie ans den
Wolken gefallen, noch nicht recht wissend, ob Spaho's Rede ernst gemeint sei,
oder bitterer Spott, doch ermannte er sich gleich und fragte gemäß der üblichen
Etiquette nach dem Wohlsein des improvisirten Bruders. Dieser dankte freund¬
lichst in wohlgesetzten Worten, nahm den Gergo beim Arm und führte ihn in sein
Hans. Ein Festmahl ward bereitet, und viele Gäste dazu geladen, lauter Männer
von Gewicht, rechtgläubige Türken, reiche Kaufleute und Hofbeamte des Pascha
und Gergo saß am Ehrenplatze, und Spaho Spain klopfte ihm bei jedem Gerichte,
indem er sich mit der linke» Hand bete struppigen Bart strich, mit der Rechten
aus die Achsel und wiederholte jedesmal schmunzelnd: „Seht, dieser ist mein lieb¬
ster Gast,-mein Wahlbruder, der Gergo!" Drei Tage wurde hoch geschmaust in
Spaho's Hause, dem Gergo zu Ehren, und brav Ralle getrunken. Am vierten
Tage überreichte Spaho Ehrengeschenke dem Gergo für ihn und sein ganzes Haus.
Spaho's Weib schickte für Gergo ein seidenes Hemd, buutwollene Strümpfe, ja
auch ein Paar Hosen! Als Gergo aufbrach, führte ihm Spaho selbst das Pferd
vor und hielt ihm den Steigbügel, dann begleitete er ihn mit der ganzen Tisch¬
gesellschaft zu Pferd eine halbe Stunde von Mostar.

Zu Hause angelangt, erzählte Gergo die ganze Geschichte seinem Weib nud
den verwunderten Nachbarn. Drei Tage darauf wählte er zwei der schönsten
Ochsen aus seiner Heerde, behängte sie mit rothem .Tuch und steckte ihnen ver¬
goldete Aepfel an die Hörner und sandte sie so nach Mostar dem Spaho Spain
als ein brüderliches Gegengeschenk.

Seit jener Zeit vertragen sich Gergo und Spaho wie leibliche Brüder, und
seit jener Zeit hat Spaho, treu seinem Bundcsbrnderschwur, keinem Christen mehr
auch nur ein Haar gekrümmt. Spaho ist ein anderer Mann geworden und sein
^ > ^ alter Beiname Delifischek wird bald in Vergessenheit kommen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/226>, abgerufen am 24.07.2024.