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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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reichischen Herrschaft im Banat ein Ende machte, indem er Puchner nach der Wa¬
lachei und Nukowina in seine Festung zurückschlug, konnten die gedrückten Deutschen
frei ausathmen. Er wurde damals von den Lugoser Deutschen nicht nur mit au¬
ßerordentlichem Jubel empfangen, sondern anch, wie er selbst der Regierung schrieb,
mit Geld und anderen Hilfsmitteln reichlich unterstützt; aber die Walachen, die
damals ihren Haß unterdrücken mußten, kochten Rache gegen die Niemzen. Man
denke sich "un das Gefühl der Lugoser Magyarcnfreuude, als ihnen am 10. Au¬
gust die Flüchtlinge von Temesvar die Kunde und das traurige Bild von Ungarns
Niederlage brachten! ^- Zu dem herzzerreißenden Schmerz der verlorenen Freiheit
kam noch die Furcht vor den Walachen, die nun ohne Schen in Wort und
Geberden die furchtbarsten Drohungen gegen sie ausstießen; aber diese Furcht hielt
sie dennoch nicht zurück, den unglücklichen Kämpfern die möglichste Hilfe angedeihen
zu lassen. Ihre Vorrathe reichten zwar nicht hin, dem Bedarf eines seit mehre¬
ren Tagen hungernden Heeres von 25--30,000 Mann zu genügen, aber die rich¬
tende Gottheit beurtheilt die Handlungen nicht nach ihrer äußeren Größe, sondern
nach deu inneren Motiven. Schon auf die Kunde von der Ankunft des flüchtigen
Heeres vergruben die Walachen, die, ausschließlich Landbauer, in dem fast alleini¬
gen Besitz der Lebensmittel sind, ihre reichen Vorräthe, und schon am ersten Tage
unserer Ankunft stiegen die Lebensmittel so enorm im Preise, so daß man für ei¬
nen Laib schwarzen, nur halbgebackenen Brotes, den man auch nur äußerst selten
zu Gesichte bekam, 1- -2 Gulden Münze anbot und sich glücklich schätzte, ihn für
solchen Preis erstanden zu haben; in den folgenden Tagen aber war nicht nur das
Brot, sondern auch alles Obst und Gemüse von dem Markte verschwunden, und
die mit jeder Stunde anschwellende Menge der Flüchtlinge mußte mit klaffenden
Wunden unter freiem Himmel anf den gefüllten Korngruben der Walachen ver¬
hungern. "

Nachdem man sich von dem ersten Schreck erholt hatte, fingen die anwesenden
Feldherren an, ihre Häuflein zu sammeln und wo möglich wieder zu einem Ganzen
zu gestalten. Von den höhern Offizieren waren angelangt: Bem, Guyon, Vvcsey,
Torsk und Kmety. Dembinsky und Perczel nahmen mit einem Theil der polnischen
Legion gleich nach der Schlacht bei Temesvar ihren Weg über Karansebes nach
Orsova. Auch ein ungarisches Corps von 3--4ra"send Mann (wie allgemein
behauptet wurde unter Lazar) nahm diese Richtung; doch ist es noch jetzt unge¬
wiß, ob ans eigenem Antrieb oder auf höhern Befehl, um den Regierungsmännern
den Weg nach der Türkei zu sichern; mir scheint das letztere wahrscheinlicher. --
Und wirklich gelang es auch den Feldherren in Lugos schon am 2. und 3. Tage
bedeutende Massen, Mannschaft und Geschütz zu organisiren, wie man aus den
ununterbrochen durch die Stadt marschirenden vollzähligen oder doch wenig defec-
ten und wohlbewaffneten Honvedbataillonen und zahlreichen Kanonen jeden Kalibers
ersehen konnte; anch Kossuth, der am 10. angelangt war, fuhr bis am 14. Abends


reichischen Herrschaft im Banat ein Ende machte, indem er Puchner nach der Wa¬
lachei und Nukowina in seine Festung zurückschlug, konnten die gedrückten Deutschen
frei ausathmen. Er wurde damals von den Lugoser Deutschen nicht nur mit au¬
ßerordentlichem Jubel empfangen, sondern anch, wie er selbst der Regierung schrieb,
mit Geld und anderen Hilfsmitteln reichlich unterstützt; aber die Walachen, die
damals ihren Haß unterdrücken mußten, kochten Rache gegen die Niemzen. Man
denke sich «un das Gefühl der Lugoser Magyarcnfreuude, als ihnen am 10. Au¬
gust die Flüchtlinge von Temesvar die Kunde und das traurige Bild von Ungarns
Niederlage brachten! ^- Zu dem herzzerreißenden Schmerz der verlorenen Freiheit
kam noch die Furcht vor den Walachen, die nun ohne Schen in Wort und
Geberden die furchtbarsten Drohungen gegen sie ausstießen; aber diese Furcht hielt
sie dennoch nicht zurück, den unglücklichen Kämpfern die möglichste Hilfe angedeihen
zu lassen. Ihre Vorrathe reichten zwar nicht hin, dem Bedarf eines seit mehre¬
ren Tagen hungernden Heeres von 25—30,000 Mann zu genügen, aber die rich¬
tende Gottheit beurtheilt die Handlungen nicht nach ihrer äußeren Größe, sondern
nach deu inneren Motiven. Schon auf die Kunde von der Ankunft des flüchtigen
Heeres vergruben die Walachen, die, ausschließlich Landbauer, in dem fast alleini¬
gen Besitz der Lebensmittel sind, ihre reichen Vorräthe, und schon am ersten Tage
unserer Ankunft stiegen die Lebensmittel so enorm im Preise, so daß man für ei¬
nen Laib schwarzen, nur halbgebackenen Brotes, den man auch nur äußerst selten
zu Gesichte bekam, 1- -2 Gulden Münze anbot und sich glücklich schätzte, ihn für
solchen Preis erstanden zu haben; in den folgenden Tagen aber war nicht nur das
Brot, sondern auch alles Obst und Gemüse von dem Markte verschwunden, und
die mit jeder Stunde anschwellende Menge der Flüchtlinge mußte mit klaffenden
Wunden unter freiem Himmel anf den gefüllten Korngruben der Walachen ver¬
hungern. »

Nachdem man sich von dem ersten Schreck erholt hatte, fingen die anwesenden
Feldherren an, ihre Häuflein zu sammeln und wo möglich wieder zu einem Ganzen
zu gestalten. Von den höhern Offizieren waren angelangt: Bem, Guyon, Vvcsey,
Torsk und Kmety. Dembinsky und Perczel nahmen mit einem Theil der polnischen
Legion gleich nach der Schlacht bei Temesvar ihren Weg über Karansebes nach
Orsova. Auch ein ungarisches Corps von 3—4ra»send Mann (wie allgemein
behauptet wurde unter Lazar) nahm diese Richtung; doch ist es noch jetzt unge¬
wiß, ob ans eigenem Antrieb oder auf höhern Befehl, um den Regierungsmännern
den Weg nach der Türkei zu sichern; mir scheint das letztere wahrscheinlicher. —
Und wirklich gelang es auch den Feldherren in Lugos schon am 2. und 3. Tage
bedeutende Massen, Mannschaft und Geschütz zu organisiren, wie man aus den
ununterbrochen durch die Stadt marschirenden vollzähligen oder doch wenig defec-
ten und wohlbewaffneten Honvedbataillonen und zahlreichen Kanonen jeden Kalibers
ersehen konnte; anch Kossuth, der am 10. angelangt war, fuhr bis am 14. Abends


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/198>, abgerufen am 04.07.2024.