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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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König schlechter Laune und das soll sehr oft der Fall sein, so macht er wenig
Unterschied zwischen einem Stallknecht oder einem hohen Beamten, wenn dieser sein
Mißfallen erregt hat, und tänzelt Beide auf gleiche Weise ab. Die unteren
Stände freuen sich dann, daß der vornehme hochmüthige Mann auch sein tüchtig
Theil vom strengen alten König bekommen habe, und mit Wohlgefallen gehen un"
zähligc, oft sehr kräftige Aeußerungen dieser Art im Munde des Volkes umher.
Dann freute mau sich auch sehr über die schnellen Antworten, die ans Eingaben
und Beschwerden vom Könige selbst erfolgen, in denen er zuweilen zur Ver¬
zweiflung seiner Juristen mit hausbackenen Verstand und vieler Gemüthlichkeit
entscheiden soll. Nur seine Passion sür die Jagd und die Kavallerie muß uicht mit
seiner Gutmüthigkeit in Conflict kommen. In seinen Bescheiden gibt er den klagen¬
den Bittstellern gern Recht, aber in Jagd- und Militärangclegenheiten ist er
grimmig und schont durchaus keine Untcrthanengefühle. Die hannöversche Kavalle¬
rie ist aber auch so vortrefflich, daß man es kaum dem Könige verdenken kann,
wenn er großen Gefallen an ihr findet. Solch edle Rosse reitet keine andere
deutsche Reiterei, und dazu besteht die Mannschaft aus lauter freiwilligen, wohl¬
habenden Bauernsöhnen, dein Kern der männlichen Bevölkerung. Eigenthümlich
ist die Einrichtung, daß oft die Hälfte der Mannschaft mit sammt ihren Pferden
auf Monate in die Heimath beurlaubt wird. In jedem hannöverschen Dorfe findet
man einige so beurlaubte Husaren, Dragoner oder Kürassiere, die in der Woche
ihren Eltern oder Brüdern fleißig bei der Arbeit helfen, des Sonntags in den
Feierstunden aber wacker ihre schonen Pferde herumtummeln, um die gelernten
Reiterkünste nicht zu vergessen, ein Gegenstand des Neides aller übrigen Dorf¬
burscheu, der Sehnsucht aller Dorsschönen. Die letzten Jahre haben übrigens auch
bei der hannöverschen Kavallerie, sonst dem unantastbaren Heiligthum des Königs,
ihren zerstörenden Einfluß ausgeübt. Der Kostenersparniß wegen hat man sich
genöthigt gesehen, ans drei Regimentern immer zwei zu machen. Früher hatte
man die Regimenter an Mannschaft möglichst recht klein gehalten, um so viel
Stabsoffiziere als möglich anzustellen und die Mannigfaltigkeit der Uniformen
zu erhöhen. Die Zahl der Reiterregimenter betrug sonst 8, jetzt sind sie in
6 zusammengezogen und das Land spart mehrere tausend Thaler, ohne daß der
militärische Nutzen im Mindesten gelitten hätte. -- Ein sehr überflüssiger und
verhaßter Luxus sind die Garden. Frankreich und Oestreich haben sie nicht, selbst
Baiern hat keine. Und Hannover, das doch kleiner ist, hat bei iz Million Ein¬
wohnern, Garde-Grenadiere, Garde-Jäger, Garde dn corps, Garde-Kürassiere,
Garde-Husaren n. s> w.

Daß nach des Königs Tode vielfache Veränderungen im ganzen Lande vor¬
gehen werden, ist die allgemeine Ueberzeugung. Der kostbare Hofstaat in Hannover
selbst, das Prunken mit unnützen, aber sehr kostspieligen Gesandten an allen
möglichen Höfen dürfte sehr, vermindert werden. Auch soll die künftige Regenten-


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König schlechter Laune und das soll sehr oft der Fall sein, so macht er wenig
Unterschied zwischen einem Stallknecht oder einem hohen Beamten, wenn dieser sein
Mißfallen erregt hat, und tänzelt Beide auf gleiche Weise ab. Die unteren
Stände freuen sich dann, daß der vornehme hochmüthige Mann auch sein tüchtig
Theil vom strengen alten König bekommen habe, und mit Wohlgefallen gehen un«
zähligc, oft sehr kräftige Aeußerungen dieser Art im Munde des Volkes umher.
Dann freute mau sich auch sehr über die schnellen Antworten, die ans Eingaben
und Beschwerden vom Könige selbst erfolgen, in denen er zuweilen zur Ver¬
zweiflung seiner Juristen mit hausbackenen Verstand und vieler Gemüthlichkeit
entscheiden soll. Nur seine Passion sür die Jagd und die Kavallerie muß uicht mit
seiner Gutmüthigkeit in Conflict kommen. In seinen Bescheiden gibt er den klagen¬
den Bittstellern gern Recht, aber in Jagd- und Militärangclegenheiten ist er
grimmig und schont durchaus keine Untcrthanengefühle. Die hannöversche Kavalle¬
rie ist aber auch so vortrefflich, daß man es kaum dem Könige verdenken kann,
wenn er großen Gefallen an ihr findet. Solch edle Rosse reitet keine andere
deutsche Reiterei, und dazu besteht die Mannschaft aus lauter freiwilligen, wohl¬
habenden Bauernsöhnen, dein Kern der männlichen Bevölkerung. Eigenthümlich
ist die Einrichtung, daß oft die Hälfte der Mannschaft mit sammt ihren Pferden
auf Monate in die Heimath beurlaubt wird. In jedem hannöverschen Dorfe findet
man einige so beurlaubte Husaren, Dragoner oder Kürassiere, die in der Woche
ihren Eltern oder Brüdern fleißig bei der Arbeit helfen, des Sonntags in den
Feierstunden aber wacker ihre schonen Pferde herumtummeln, um die gelernten
Reiterkünste nicht zu vergessen, ein Gegenstand des Neides aller übrigen Dorf¬
burscheu, der Sehnsucht aller Dorsschönen. Die letzten Jahre haben übrigens auch
bei der hannöverschen Kavallerie, sonst dem unantastbaren Heiligthum des Königs,
ihren zerstörenden Einfluß ausgeübt. Der Kostenersparniß wegen hat man sich
genöthigt gesehen, ans drei Regimentern immer zwei zu machen. Früher hatte
man die Regimenter an Mannschaft möglichst recht klein gehalten, um so viel
Stabsoffiziere als möglich anzustellen und die Mannigfaltigkeit der Uniformen
zu erhöhen. Die Zahl der Reiterregimenter betrug sonst 8, jetzt sind sie in
6 zusammengezogen und das Land spart mehrere tausend Thaler, ohne daß der
militärische Nutzen im Mindesten gelitten hätte. — Ein sehr überflüssiger und
verhaßter Luxus sind die Garden. Frankreich und Oestreich haben sie nicht, selbst
Baiern hat keine. Und Hannover, das doch kleiner ist, hat bei iz Million Ein¬
wohnern, Garde-Grenadiere, Garde-Jäger, Garde dn corps, Garde-Kürassiere,
Garde-Husaren n. s> w.

Daß nach des Königs Tode vielfache Veränderungen im ganzen Lande vor¬
gehen werden, ist die allgemeine Ueberzeugung. Der kostbare Hofstaat in Hannover
selbst, das Prunken mit unnützen, aber sehr kostspieligen Gesandten an allen
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[0147] König schlechter Laune und das soll sehr oft der Fall sein, so macht er wenig Unterschied zwischen einem Stallknecht oder einem hohen Beamten, wenn dieser sein Mißfallen erregt hat, und tänzelt Beide auf gleiche Weise ab. Die unteren Stände freuen sich dann, daß der vornehme hochmüthige Mann auch sein tüchtig Theil vom strengen alten König bekommen habe, und mit Wohlgefallen gehen un« zähligc, oft sehr kräftige Aeußerungen dieser Art im Munde des Volkes umher. Dann freute mau sich auch sehr über die schnellen Antworten, die ans Eingaben und Beschwerden vom Könige selbst erfolgen, in denen er zuweilen zur Ver¬ zweiflung seiner Juristen mit hausbackenen Verstand und vieler Gemüthlichkeit entscheiden soll. Nur seine Passion sür die Jagd und die Kavallerie muß uicht mit seiner Gutmüthigkeit in Conflict kommen. In seinen Bescheiden gibt er den klagen¬ den Bittstellern gern Recht, aber in Jagd- und Militärangclegenheiten ist er grimmig und schont durchaus keine Untcrthanengefühle. Die hannöversche Kavalle¬ rie ist aber auch so vortrefflich, daß man es kaum dem Könige verdenken kann, wenn er großen Gefallen an ihr findet. Solch edle Rosse reitet keine andere deutsche Reiterei, und dazu besteht die Mannschaft aus lauter freiwilligen, wohl¬ habenden Bauernsöhnen, dein Kern der männlichen Bevölkerung. Eigenthümlich ist die Einrichtung, daß oft die Hälfte der Mannschaft mit sammt ihren Pferden auf Monate in die Heimath beurlaubt wird. In jedem hannöverschen Dorfe findet man einige so beurlaubte Husaren, Dragoner oder Kürassiere, die in der Woche ihren Eltern oder Brüdern fleißig bei der Arbeit helfen, des Sonntags in den Feierstunden aber wacker ihre schonen Pferde herumtummeln, um die gelernten Reiterkünste nicht zu vergessen, ein Gegenstand des Neides aller übrigen Dorf¬ burscheu, der Sehnsucht aller Dorsschönen. Die letzten Jahre haben übrigens auch bei der hannöverschen Kavallerie, sonst dem unantastbaren Heiligthum des Königs, ihren zerstörenden Einfluß ausgeübt. Der Kostenersparniß wegen hat man sich genöthigt gesehen, ans drei Regimentern immer zwei zu machen. Früher hatte man die Regimenter an Mannschaft möglichst recht klein gehalten, um so viel Stabsoffiziere als möglich anzustellen und die Mannigfaltigkeit der Uniformen zu erhöhen. Die Zahl der Reiterregimenter betrug sonst 8, jetzt sind sie in 6 zusammengezogen und das Land spart mehrere tausend Thaler, ohne daß der militärische Nutzen im Mindesten gelitten hätte. — Ein sehr überflüssiger und verhaßter Luxus sind die Garden. Frankreich und Oestreich haben sie nicht, selbst Baiern hat keine. Und Hannover, das doch kleiner ist, hat bei iz Million Ein¬ wohnern, Garde-Grenadiere, Garde-Jäger, Garde dn corps, Garde-Kürassiere, Garde-Husaren n. s> w. Daß nach des Königs Tode vielfache Veränderungen im ganzen Lande vor¬ gehen werden, ist die allgemeine Ueberzeugung. Der kostbare Hofstaat in Hannover selbst, das Prunken mit unnützen, aber sehr kostspieligen Gesandten an allen möglichen Höfen dürfte sehr, vermindert werden. Auch soll die künftige Regenten- 18'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/147>, abgerufen am 04.07.2024.