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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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großen Schaden brachte, beweist der Umstand, daß später als Bem gegen die von
drei Seiten in Siebenbürgen eingedrungenen Russen sich wacker vertheidigte und
diesen mehrere Niederlagen beibrachte, die Reste des im Banat geschlagenen Puch-
ner'schen Corps, gegen 8000 Mann, unter Claim-Gallas zu den Russen stießen
und die kleine Macht Bein's aufreiben halfen.

Mit Perczel hatte es folgende Bewandtniß. Dieser wackre Freiheitskämpe,
der zwar nicht viel strategische Kenntnisse haben soll, war dem ritterlichen Jellachich
und dem großen serbischen Helden Knicanin doch so sehr gewachsen, daß er mit
seinem Heere von 10 --12,000 Mann das ihm an Zahl und Geschütze" mehr als
zweifach überlegene rachisch-kroatische Heer unter diesen Feldherren in mehreren
Schlachten aus's Haupt schlug, das für unbezwingbar gehaltene Se. Tamas
erstürmte, den von der Natur zu einer Festung geschaffenen Csajkistenkreis, mit
Ansnahme Titels, eroberte, die ganze Bacska vom Feinde säuberte und die Theiß
überschreitend, Kikinda und Pancsova einnahm, Peterwardein entsetzte und auf die
durch Natur und Kunst gleich meisterhaft aufgeführten Schanzen von Kamenicza
einen Sturm versuchte. Doch hier endete seine Siegesbahn; der unerschrockene
Volksmann mochte Görgey schon längst ein Dorn im Auge gewesen sein, nnn
kamen noch die Lorbeern hinzu, die sich jener in einer Zeit von drei Wochen in
so reichlichem Maße erwarb: dies war für Görgey zu viel, er ließ als Kriegs¬
minister den gepriesenen Sieger an Allem Mangel leiden und hemmte seine Ope¬
rationen durch Befehle. -- Perczel's Heer war durch die vielen Schlachten, die
er dem überlegenen Feind liefern mußte, auf 6 -- 8000 Mann geschmolzen; er
schickte Kuriere über Kuriere nach Pesth und bat um Verstärkung; die Nothwen¬
digkeit, dem Sieger alle mögliche Hilfe angedeihen zu lassen, konnte jedermann
einsehen, und wäre sie ihm geworden, er hätte den in zehn Schlachten geschlagenen
und gänzlich entmuthigten Feind wie eine Heerde vor sich Hergetrieben, und wäre
durch das von Mannschaft entblößte Kroatien nach dem nur schwach besetzten Fiume
gekommen. Welche Aussichten!

Aber Görgey schickte keine Truppen, obwohl mehrere seiner Corps ganz un¬
thätig waren, und der Held erstürmte zwar mit seiner kleinen, sieggewohnten
Schaar drei der unzugänglichen Schanzen von Kamenicza, aber er hatte keine
frischen Truppen, die durch die ungeheuere Anstrengung unbrauchbar gewordenen zu
ersetzen und mußte das schwer Errungene wieder aufgeben, selbst die eroberten
Kanonen konnte er aus Mangel an Pferden nicht alle wegschaffen, und von 20 er¬
oberten Geschützen blieben nur 7--8 in seinem Besitz. Auch wurde der Feind
durch den ersten theuer erkauften Vortheil ermuthigt, und mit einer Verstärkung
aus Esseg ergriff er die Offensive und schlug Perczel bei Katy anf's Haupt. --

Auf die Kunde dieser Niederlage wurde Perczel abberufen und sein Com-
mando an General Vetter übertragen. Mit diesem erfahrenen und kenntnißreichen
Feldherrn hatte sich Görgey schon im Winter überwerfen: es war also auch für


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großen Schaden brachte, beweist der Umstand, daß später als Bem gegen die von
drei Seiten in Siebenbürgen eingedrungenen Russen sich wacker vertheidigte und
diesen mehrere Niederlagen beibrachte, die Reste des im Banat geschlagenen Puch-
ner'schen Corps, gegen 8000 Mann, unter Claim-Gallas zu den Russen stießen
und die kleine Macht Bein's aufreiben halfen.

Mit Perczel hatte es folgende Bewandtniß. Dieser wackre Freiheitskämpe,
der zwar nicht viel strategische Kenntnisse haben soll, war dem ritterlichen Jellachich
und dem großen serbischen Helden Knicanin doch so sehr gewachsen, daß er mit
seinem Heere von 10 —12,000 Mann das ihm an Zahl und Geschütze» mehr als
zweifach überlegene rachisch-kroatische Heer unter diesen Feldherren in mehreren
Schlachten aus's Haupt schlug, das für unbezwingbar gehaltene Se. Tamas
erstürmte, den von der Natur zu einer Festung geschaffenen Csajkistenkreis, mit
Ansnahme Titels, eroberte, die ganze Bacska vom Feinde säuberte und die Theiß
überschreitend, Kikinda und Pancsova einnahm, Peterwardein entsetzte und auf die
durch Natur und Kunst gleich meisterhaft aufgeführten Schanzen von Kamenicza
einen Sturm versuchte. Doch hier endete seine Siegesbahn; der unerschrockene
Volksmann mochte Görgey schon längst ein Dorn im Auge gewesen sein, nnn
kamen noch die Lorbeern hinzu, die sich jener in einer Zeit von drei Wochen in
so reichlichem Maße erwarb: dies war für Görgey zu viel, er ließ als Kriegs¬
minister den gepriesenen Sieger an Allem Mangel leiden und hemmte seine Ope¬
rationen durch Befehle. — Perczel's Heer war durch die vielen Schlachten, die
er dem überlegenen Feind liefern mußte, auf 6 — 8000 Mann geschmolzen; er
schickte Kuriere über Kuriere nach Pesth und bat um Verstärkung; die Nothwen¬
digkeit, dem Sieger alle mögliche Hilfe angedeihen zu lassen, konnte jedermann
einsehen, und wäre sie ihm geworden, er hätte den in zehn Schlachten geschlagenen
und gänzlich entmuthigten Feind wie eine Heerde vor sich Hergetrieben, und wäre
durch das von Mannschaft entblößte Kroatien nach dem nur schwach besetzten Fiume
gekommen. Welche Aussichten!

Aber Görgey schickte keine Truppen, obwohl mehrere seiner Corps ganz un¬
thätig waren, und der Held erstürmte zwar mit seiner kleinen, sieggewohnten
Schaar drei der unzugänglichen Schanzen von Kamenicza, aber er hatte keine
frischen Truppen, die durch die ungeheuere Anstrengung unbrauchbar gewordenen zu
ersetzen und mußte das schwer Errungene wieder aufgeben, selbst die eroberten
Kanonen konnte er aus Mangel an Pferden nicht alle wegschaffen, und von 20 er¬
oberten Geschützen blieben nur 7—8 in seinem Besitz. Auch wurde der Feind
durch den ersten theuer erkauften Vortheil ermuthigt, und mit einer Verstärkung
aus Esseg ergriff er die Offensive und schlug Perczel bei Katy anf's Haupt. —

Auf die Kunde dieser Niederlage wurde Perczel abberufen und sein Com-
mando an General Vetter übertragen. Mit diesem erfahrenen und kenntnißreichen
Feldherrn hatte sich Görgey schon im Winter überwerfen: es war also auch für


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[0107] großen Schaden brachte, beweist der Umstand, daß später als Bem gegen die von drei Seiten in Siebenbürgen eingedrungenen Russen sich wacker vertheidigte und diesen mehrere Niederlagen beibrachte, die Reste des im Banat geschlagenen Puch- ner'schen Corps, gegen 8000 Mann, unter Claim-Gallas zu den Russen stießen und die kleine Macht Bein's aufreiben halfen. Mit Perczel hatte es folgende Bewandtniß. Dieser wackre Freiheitskämpe, der zwar nicht viel strategische Kenntnisse haben soll, war dem ritterlichen Jellachich und dem großen serbischen Helden Knicanin doch so sehr gewachsen, daß er mit seinem Heere von 10 —12,000 Mann das ihm an Zahl und Geschütze» mehr als zweifach überlegene rachisch-kroatische Heer unter diesen Feldherren in mehreren Schlachten aus's Haupt schlug, das für unbezwingbar gehaltene Se. Tamas erstürmte, den von der Natur zu einer Festung geschaffenen Csajkistenkreis, mit Ansnahme Titels, eroberte, die ganze Bacska vom Feinde säuberte und die Theiß überschreitend, Kikinda und Pancsova einnahm, Peterwardein entsetzte und auf die durch Natur und Kunst gleich meisterhaft aufgeführten Schanzen von Kamenicza einen Sturm versuchte. Doch hier endete seine Siegesbahn; der unerschrockene Volksmann mochte Görgey schon längst ein Dorn im Auge gewesen sein, nnn kamen noch die Lorbeern hinzu, die sich jener in einer Zeit von drei Wochen in so reichlichem Maße erwarb: dies war für Görgey zu viel, er ließ als Kriegs¬ minister den gepriesenen Sieger an Allem Mangel leiden und hemmte seine Ope¬ rationen durch Befehle. — Perczel's Heer war durch die vielen Schlachten, die er dem überlegenen Feind liefern mußte, auf 6 — 8000 Mann geschmolzen; er schickte Kuriere über Kuriere nach Pesth und bat um Verstärkung; die Nothwen¬ digkeit, dem Sieger alle mögliche Hilfe angedeihen zu lassen, konnte jedermann einsehen, und wäre sie ihm geworden, er hätte den in zehn Schlachten geschlagenen und gänzlich entmuthigten Feind wie eine Heerde vor sich Hergetrieben, und wäre durch das von Mannschaft entblößte Kroatien nach dem nur schwach besetzten Fiume gekommen. Welche Aussichten! Aber Görgey schickte keine Truppen, obwohl mehrere seiner Corps ganz un¬ thätig waren, und der Held erstürmte zwar mit seiner kleinen, sieggewohnten Schaar drei der unzugänglichen Schanzen von Kamenicza, aber er hatte keine frischen Truppen, die durch die ungeheuere Anstrengung unbrauchbar gewordenen zu ersetzen und mußte das schwer Errungene wieder aufgeben, selbst die eroberten Kanonen konnte er aus Mangel an Pferden nicht alle wegschaffen, und von 20 er¬ oberten Geschützen blieben nur 7—8 in seinem Besitz. Auch wurde der Feind durch den ersten theuer erkauften Vortheil ermuthigt, und mit einer Verstärkung aus Esseg ergriff er die Offensive und schlug Perczel bei Katy anf's Haupt. — Auf die Kunde dieser Niederlage wurde Perczel abberufen und sein Com- mando an General Vetter übertragen. Mit diesem erfahrenen und kenntnißreichen Feldherrn hatte sich Görgey schon im Winter überwerfen: es war also auch für 13*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/107>, abgerufen am 24.07.2024.