Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.Amleth sagt: "Gar Vieles findest Du verändert hier," erwiedert ihm dieser: "des
Amlelh beschließt also Rache. Um aber Gewißheit zu haben, will er zuvor
Der Argwohn ist theils durch das allgemeine Gerücht, theils durch eine Art Amleth sagt: „Gar Vieles findest Du verändert hier," erwiedert ihm dieser: „des
Amlelh beschließt also Rache. Um aber Gewißheit zu haben, will er zuvor
Der Argwohn ist theils durch das allgemeine Gerücht, theils durch eine Art <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92365"/> <p xml:id="ID_232" prev="#ID_231"> Amleth sagt: „Gar Vieles findest Du verändert hier," erwiedert ihm dieser: „des<lb/> Menschen That ist wie der Wolken Zug." Welcher Schwillst, um den einfachen<lb/> Sinn auszudrücken: Es verändert sich mancherlei im Leben. — Als er das Ver¬<lb/> brechen erfährt, bemerkt er wieder sehr schwülstig:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> Dein Wort schlägt wie ein Blitz in meine Eiche,<lb/> Zerknickt die Zweige, spaltet nicht den Stamm. —</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_233" next="#ID_234"> Amlelh beschließt also Rache. Um aber Gewißheit zu haben, will er zuvor<lb/> deu König versuchen. So wird der geheuchelte Wahnsinn pragmatisch motivirt.<lb/> — Scene zwischeu Fengo und Gerüche; Lehtere wird vom Argwohn geanalt.<lb/> Häßlich plastische Bilder, wie diese:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_7" type="poem"> <l> — Reden muß ich, es der Tod<lb/> Mit Erdpech mir den blassen Mund versiegelt. —<lb/> So sprich! Verjagen wir in dein Gespräch<lb/> Die Trauer, die in stiller Einsamkeit<lb/> Wie Schimmel wuchert an der Kellermancr. —</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_234" prev="#ID_233" next="#ID_235"> Der Argwohn ist theils durch das allgemeine Gerücht, theils durch eine Art<lb/> Vision hervorgebracht; Geruthe bildet sich ein, die Statue ihres ermordeten Ge¬<lb/> mahls, die in ihrem Zimmer steht, in Bewegung gesehen zu haben. Das Ge¬<lb/> spräch führt zu keinem Resultat; Geruthe ist im Grund ihres Herzens schon über¬<lb/> zeugt. — Ein Vertrauter des Königs (Wifil) berichtet die Ankunft des schiff¬<lb/> brüchigen und wahnsinnigen Prinzen: „das auge strengte Schwimmen hat<lb/> seines Hirns Gerader überspannt!" — Amleth erscheint, von vielem Volk be¬<lb/> gleitet; er redet, wie Hamlet, halb Unsinn, halb versteckten Sinn, und kommt<lb/> dnrch allerlei Kreuz- und Q-nerfragen zu der Ueberzeugung von der Schuld des<lb/> Königs. — Warum drängt er diese Ueberzeugung nicht sofort dein Volke auf,<lb/> und bringt das Geschäft in Ordnung? — Ich weiß es nicht; bei Hamlet's<lb/> Charakter ist der Grund klar, Amleth, der ein Held sein soll, und sich am Schluß<lb/> des Acts damit begnügt, am Grabhügel seines Vaters verwuudersame Reden zu<lb/> halten, fällt dadurch aus seiner Rolle. — Den König täuscht die Maske keines-<lb/> wegs, er beschließt, sich des Gefährlichen zu entledigen. — Der zweite Act be¬<lb/> ginnt mit einer Mondscheiuscene in dem oben erwähnten lyrischen Versmaß, zwi¬<lb/> schen Sigrid, der ehemaligen Geliebten Amleth'ö, und ihrer Amme; Sigrid be¬<lb/> schließt, von einer berühmten Hexe einen Trank zu holen, der Amleth'ö Verstand<lb/> wiederherstellen soll. Amleth's brüskes Benehmen gegen Sigrid bei seinem erstell<lb/> Auftreten wird dadurch pragmatisch motivirt, daß sie ihm auch verdächtig ist, diese<lb/> Waldpartie zur Hexe im Mondenschein steigert deu Verdacht, er folgt ihr heim¬<lb/> lich, sie zu belauschen. — Die Hexe phantasirt in se'attischen Rhythmen, dlemm<lb/> Gespräch mit der eintretenden Sigrid wieder durch jenen leidigen Balladen-Vers<lb/> unterbrochen werden; sie hat Feugo das Gift zum Morde seines Bruders gegeben,<lb/> und zum Lohne einen goldenen Becher erhalten, den sie triumphirend vorzeigt.<lb/> So erhält der lauschende Amleth zugleich den Beweis von der Unschuld seiner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Amleth sagt: „Gar Vieles findest Du verändert hier," erwiedert ihm dieser: „des
Menschen That ist wie der Wolken Zug." Welcher Schwillst, um den einfachen
Sinn auszudrücken: Es verändert sich mancherlei im Leben. — Als er das Ver¬
brechen erfährt, bemerkt er wieder sehr schwülstig:
Dein Wort schlägt wie ein Blitz in meine Eiche,
Zerknickt die Zweige, spaltet nicht den Stamm. —
Amlelh beschließt also Rache. Um aber Gewißheit zu haben, will er zuvor
deu König versuchen. So wird der geheuchelte Wahnsinn pragmatisch motivirt.
— Scene zwischeu Fengo und Gerüche; Lehtere wird vom Argwohn geanalt.
Häßlich plastische Bilder, wie diese:
— Reden muß ich, es der Tod
Mit Erdpech mir den blassen Mund versiegelt. —
So sprich! Verjagen wir in dein Gespräch
Die Trauer, die in stiller Einsamkeit
Wie Schimmel wuchert an der Kellermancr. —
Der Argwohn ist theils durch das allgemeine Gerücht, theils durch eine Art
Vision hervorgebracht; Geruthe bildet sich ein, die Statue ihres ermordeten Ge¬
mahls, die in ihrem Zimmer steht, in Bewegung gesehen zu haben. Das Ge¬
spräch führt zu keinem Resultat; Geruthe ist im Grund ihres Herzens schon über¬
zeugt. — Ein Vertrauter des Königs (Wifil) berichtet die Ankunft des schiff¬
brüchigen und wahnsinnigen Prinzen: „das auge strengte Schwimmen hat
seines Hirns Gerader überspannt!" — Amleth erscheint, von vielem Volk be¬
gleitet; er redet, wie Hamlet, halb Unsinn, halb versteckten Sinn, und kommt
dnrch allerlei Kreuz- und Q-nerfragen zu der Ueberzeugung von der Schuld des
Königs. — Warum drängt er diese Ueberzeugung nicht sofort dein Volke auf,
und bringt das Geschäft in Ordnung? — Ich weiß es nicht; bei Hamlet's
Charakter ist der Grund klar, Amleth, der ein Held sein soll, und sich am Schluß
des Acts damit begnügt, am Grabhügel seines Vaters verwuudersame Reden zu
halten, fällt dadurch aus seiner Rolle. — Den König täuscht die Maske keines-
wegs, er beschließt, sich des Gefährlichen zu entledigen. — Der zweite Act be¬
ginnt mit einer Mondscheiuscene in dem oben erwähnten lyrischen Versmaß, zwi¬
schen Sigrid, der ehemaligen Geliebten Amleth'ö, und ihrer Amme; Sigrid be¬
schließt, von einer berühmten Hexe einen Trank zu holen, der Amleth'ö Verstand
wiederherstellen soll. Amleth's brüskes Benehmen gegen Sigrid bei seinem erstell
Auftreten wird dadurch pragmatisch motivirt, daß sie ihm auch verdächtig ist, diese
Waldpartie zur Hexe im Mondenschein steigert deu Verdacht, er folgt ihr heim¬
lich, sie zu belauschen. — Die Hexe phantasirt in se'attischen Rhythmen, dlemm
Gespräch mit der eintretenden Sigrid wieder durch jenen leidigen Balladen-Vers
unterbrochen werden; sie hat Feugo das Gift zum Morde seines Bruders gegeben,
und zum Lohne einen goldenen Becher erhalten, den sie triumphirend vorzeigt.
So erhält der lauschende Amleth zugleich den Beweis von der Unschuld seiner
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