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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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hin hervorrief und die Negierung, die mau dadurch zu entwaffnen glaubte, im
Gegentheil stärkte und befestigte.

Das Verfahren der kurhcssischen Volksvertretung dagegen hat die Achtung,
die man zeither vor derselben hegte, keineswegs vermindert, vielmehr durch die
Mäßigung, die anch noch in jenem Beschlusse sichtbar war, solche noch verstärkt
und eine cockpacte öffentliche Meinung in ganz Deutschland zu ihren Gunsten
geschaffen.

Blicken wir auf die Urheber der Beschlüsse, die in jenen beiden so ver¬
schiedenartigen Fällen den Stenerverweigerungsbeschlüssen entgegengesetzt wurden,
so finden wir als Urheberin des Beschlusses vom 20. Nov. 1848 eine Versamm¬
lung, deren Befugniß zu einer Einmischung dieser Art in die Angelegenheiten
und Rechtszustände eiues EinzelstaateS, formell betrachtet, sehr zweifelhaft war.
Aber ihr Beschluß ward als gerechtfertigt durch das Gebot politischer Nothwendig¬
keit anerkannt, und so half er die Wirkung vollenden, die jener Beschluß, gegen
den er gerichtet war, vermöge des natürlichen Rückschlags schon durch sich selbst
zu äußern begonnen hatte.

Worauf aber kauu jene Versammlung in der Eschenheimer Gasse süßen?
Das formelle Recht ist gegen sie, denn so gewiß die Nationalversammlung durch
förmlichen Beschluß des alten Bundestages zusammenberufen, so gewiß die Cen-
tralgewalt durch einen gleichen Beschluß anerkannt und mit den Befugnissen der
höchsten Behörde über Deutschland bekleidet worden ist, so gewiß ward durch
eiuen nicht minder förmlichen Beschluß der Bundestag selbst aufgehoben, und
seine Wiederherstellung ist daher ein einseitiger, rechtswidriger Act, seine Beschlüsse
sind ungültige und rechtlich nichtige. Aber allerwenigsten aber steht diesem Bun¬
destag und seiner Wirksamkeit, wie sie in dem vorliegenden Beschlüsse znerst that¬
sächlich sich ankündigt, irgendwie ein Bedürfniß der Station oder eine politische
Nothwendigkeit zur Seite, die jene formellen Mängel heilen könnte. Die Nation
verwirft einmüthig -- eine ganz kleine Coterie fanatischer Reactionäre ausgenom¬
men, -- diesen Versuch, deu alten Fürstenabsolntiöinus wieder aufzurichten; alle
Einsichtigen erkennen mit tiefer Besorgniß die Gefahren desselben für die öffent¬
liche Ruhe und Ordnung, und nnr jene Partei, welche nicht die mit Ordnung
gepaarte Freiheit, sondern den Umsturz, die Anarchie, die Herrschaft der rohen
Gewalt wünscht, reibt sich schadenfroh die Hände über die Verblendung, womit die
Reaction in Frankfurt ihr den Weg bereitet und ihre Pläne fördert. Das ist
dieselbe Partei, die über jenen Beschluß der Nationalversammlung vom 20. No¬
vember 1848 so wüthend war, weil sie darau erkannte, daß die Majorität der¬
selben die Ordnung aufrichtig wolle und entschlossen sei, anarchischen Bestrebun¬
gen, selbst um den Preis einer augenblicklichen Gefährdung der Freiheit, mit aller
Energie entgegenzutreten.

Der Beschluß der Nationalversammlung vom 20. Nov. 1848 bezeichnete


hin hervorrief und die Negierung, die mau dadurch zu entwaffnen glaubte, im
Gegentheil stärkte und befestigte.

Das Verfahren der kurhcssischen Volksvertretung dagegen hat die Achtung,
die man zeither vor derselben hegte, keineswegs vermindert, vielmehr durch die
Mäßigung, die anch noch in jenem Beschlusse sichtbar war, solche noch verstärkt
und eine cockpacte öffentliche Meinung in ganz Deutschland zu ihren Gunsten
geschaffen.

Blicken wir auf die Urheber der Beschlüsse, die in jenen beiden so ver¬
schiedenartigen Fällen den Stenerverweigerungsbeschlüssen entgegengesetzt wurden,
so finden wir als Urheberin des Beschlusses vom 20. Nov. 1848 eine Versamm¬
lung, deren Befugniß zu einer Einmischung dieser Art in die Angelegenheiten
und Rechtszustände eiues EinzelstaateS, formell betrachtet, sehr zweifelhaft war.
Aber ihr Beschluß ward als gerechtfertigt durch das Gebot politischer Nothwendig¬
keit anerkannt, und so half er die Wirkung vollenden, die jener Beschluß, gegen
den er gerichtet war, vermöge des natürlichen Rückschlags schon durch sich selbst
zu äußern begonnen hatte.

Worauf aber kauu jene Versammlung in der Eschenheimer Gasse süßen?
Das formelle Recht ist gegen sie, denn so gewiß die Nationalversammlung durch
förmlichen Beschluß des alten Bundestages zusammenberufen, so gewiß die Cen-
tralgewalt durch einen gleichen Beschluß anerkannt und mit den Befugnissen der
höchsten Behörde über Deutschland bekleidet worden ist, so gewiß ward durch
eiuen nicht minder förmlichen Beschluß der Bundestag selbst aufgehoben, und
seine Wiederherstellung ist daher ein einseitiger, rechtswidriger Act, seine Beschlüsse
sind ungültige und rechtlich nichtige. Aber allerwenigsten aber steht diesem Bun¬
destag und seiner Wirksamkeit, wie sie in dem vorliegenden Beschlüsse znerst that¬
sächlich sich ankündigt, irgendwie ein Bedürfniß der Station oder eine politische
Nothwendigkeit zur Seite, die jene formellen Mängel heilen könnte. Die Nation
verwirft einmüthig — eine ganz kleine Coterie fanatischer Reactionäre ausgenom¬
men, — diesen Versuch, deu alten Fürstenabsolntiöinus wieder aufzurichten; alle
Einsichtigen erkennen mit tiefer Besorgniß die Gefahren desselben für die öffent¬
liche Ruhe und Ordnung, und nnr jene Partei, welche nicht die mit Ordnung
gepaarte Freiheit, sondern den Umsturz, die Anarchie, die Herrschaft der rohen
Gewalt wünscht, reibt sich schadenfroh die Hände über die Verblendung, womit die
Reaction in Frankfurt ihr den Weg bereitet und ihre Pläne fördert. Das ist
dieselbe Partei, die über jenen Beschluß der Nationalversammlung vom 20. No¬
vember 1848 so wüthend war, weil sie darau erkannte, daß die Majorität der¬
selben die Ordnung aufrichtig wolle und entschlossen sei, anarchischen Bestrebun¬
gen, selbst um den Preis einer augenblicklichen Gefährdung der Freiheit, mit aller
Energie entgegenzutreten.

Der Beschluß der Nationalversammlung vom 20. Nov. 1848 bezeichnete


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/69>, abgerufen am 27.07.2024.