Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.macht seitdem ein sehr albernes Gesicht; das hatte er von seiner alten Muhme Endlich zog Times den letzten Pfeil ans ihrem Köcher, er hatte die Spitze macht seitdem ein sehr albernes Gesicht; das hatte er von seiner alten Muhme Endlich zog Times den letzten Pfeil ans ihrem Köcher, er hatte die Spitze <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92349"/> <p xml:id="ID_170" prev="#ID_169"> macht seitdem ein sehr albernes Gesicht; das hatte er von seiner alten Muhme<lb/> in der City nicht erwartet. Die liberalen Wochenblätter, welche mit bei Welling¬<lb/> ton Thee getrunken hatten, halten es unter ihrer Würde, deu alten Herzog gegen<lb/> die ungerathene Muhme in Schutz zu nehmen, aber sie waren geschäftig wie alte<lb/> Kaffeeschwestern, der Times ihr Sündenregister in allen Tonarten vorzuspielen,<lb/> während Weekly-Dispatch, Weck'ip-News, Suuday-Times, Weekly-Chronicle ?c.<lb/> im Bunde mit allen Proviuzverwaudteu die Times geradezu ein toroiKn paper<lb/> nannten, das für russisch-östreichisches Geld aller Welts und Englands Ehre ver¬<lb/> schachere; ging ihr der feiugeschriebeue Examiner am härtesten zu Leibe, indem er<lb/> die Ansichten der Times vom Jahre 1849 und 1850 fein säuberlich zusammen¬<lb/> stellte und ihr boöbafterweise bewies, sie selbst habe durch ihre vorjährigen ful-<lb/> minanten Artikel gegen den „Butcher" deu Mob zu jener „Missethat" aufgestachelt,<lb/> die sie jetzt so salbungsvoll verdamme. Arme Times! sie stand mit Moruiug-<lb/> Chronicle ganz vereinzelt. Selbst die Toryblätter zogen von doppeltem Haß<lb/> gegen sie und Rothschild gepeitscht gegen sie zu Felde. Staudard und Morning<lb/> Herald, die beiden Herren in Glan6haudschuheu, drückten den Brauern von Bar¬<lb/> clay Perkins die rußigen Hände, und wollten vom Patchonli der Times nichts<lb/> wissen. Jetzt hat sich der Baron von Rothschild freilich entschuldigt, aber der<lb/> Times wird das nicht so leicht werden; sie kauu ihre Artikel nicht desavouiren,<lb/> sie hat keinen Buchhalter, keinen Associe, den sie vorschieben konnte. Arme Ti¬<lb/> mes, wenn schon die City Dich verdammt, wenn schon die conservativen Banquiers<lb/> von Lombard-Street ihr den Nücken drehen! Sie könnte versucht werden, nach<lb/> Wien oder Petersburg auszuwandern, wenn sie nicht die Annoncen am Kleide<lb/> festhielten! —</p><lb/> <p xml:id="ID_171" next="#ID_172"> Endlich zog Times den letzten Pfeil ans ihrem Köcher, er hatte die Spitze<lb/> und die Schwungfedern der Wiener Zeitung abgeborgt. Ueber magyarische<lb/> Schauergeschichten sollten uns Engländern beweisen, daß wir uns mit unsern Sym¬<lb/> pathien für Ungarn, gelinde gesagt, lächerlich gemacht hatten. Daily News<lb/> übernahm es frischweg, uns vor einem Nidicule zu schützen. Die große Liste<lb/> magyarischer Verbrechen machte auf unsere Fischnatur uicht mehr Eindruck, als<lb/> wir sie englisch in der Times lasen, denn damals, als sie uns die Wiener Zeitung<lb/> deutsch brachte. Die Quelle ist doch gar zu sumpfig. Times ist dadurch unserm<lb/> gesunden Menschenverstande, wie früher nnserm alten Herzog nahe getreten. Wird<lb/> doch ein von der Cholera Hiugevpferter der Barbarei der Magyaren aufgebür¬<lb/> det! Braucht es mehr, um die ganze spalteureiche Schauergeschichte zur Fratze<lb/> zu machen? Und daun — ich erinnere mich eben an eine Anekdote, die aus den<lb/> Grenzboten in ein hiesiges moniti^ ing.gu/.me überging: an den komischen Zorn<lb/> jenes gutmüthigen Wiener Dummkopfes, der Haynau mit den Worten entschul¬<lb/> digte: „Die Cholera hat mehr Meuscheu abgeschlachtet, als er und Windischgrätz<lb/> zusammengenommen, und damals hat kein Mensch deshalb so großen Lärm ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
macht seitdem ein sehr albernes Gesicht; das hatte er von seiner alten Muhme
in der City nicht erwartet. Die liberalen Wochenblätter, welche mit bei Welling¬
ton Thee getrunken hatten, halten es unter ihrer Würde, deu alten Herzog gegen
die ungerathene Muhme in Schutz zu nehmen, aber sie waren geschäftig wie alte
Kaffeeschwestern, der Times ihr Sündenregister in allen Tonarten vorzuspielen,
während Weekly-Dispatch, Weck'ip-News, Suuday-Times, Weekly-Chronicle ?c.
im Bunde mit allen Proviuzverwaudteu die Times geradezu ein toroiKn paper
nannten, das für russisch-östreichisches Geld aller Welts und Englands Ehre ver¬
schachere; ging ihr der feiugeschriebeue Examiner am härtesten zu Leibe, indem er
die Ansichten der Times vom Jahre 1849 und 1850 fein säuberlich zusammen¬
stellte und ihr boöbafterweise bewies, sie selbst habe durch ihre vorjährigen ful-
minanten Artikel gegen den „Butcher" deu Mob zu jener „Missethat" aufgestachelt,
die sie jetzt so salbungsvoll verdamme. Arme Times! sie stand mit Moruiug-
Chronicle ganz vereinzelt. Selbst die Toryblätter zogen von doppeltem Haß
gegen sie und Rothschild gepeitscht gegen sie zu Felde. Staudard und Morning
Herald, die beiden Herren in Glan6haudschuheu, drückten den Brauern von Bar¬
clay Perkins die rußigen Hände, und wollten vom Patchonli der Times nichts
wissen. Jetzt hat sich der Baron von Rothschild freilich entschuldigt, aber der
Times wird das nicht so leicht werden; sie kauu ihre Artikel nicht desavouiren,
sie hat keinen Buchhalter, keinen Associe, den sie vorschieben konnte. Arme Ti¬
mes, wenn schon die City Dich verdammt, wenn schon die conservativen Banquiers
von Lombard-Street ihr den Nücken drehen! Sie könnte versucht werden, nach
Wien oder Petersburg auszuwandern, wenn sie nicht die Annoncen am Kleide
festhielten! —
Endlich zog Times den letzten Pfeil ans ihrem Köcher, er hatte die Spitze
und die Schwungfedern der Wiener Zeitung abgeborgt. Ueber magyarische
Schauergeschichten sollten uns Engländern beweisen, daß wir uns mit unsern Sym¬
pathien für Ungarn, gelinde gesagt, lächerlich gemacht hatten. Daily News
übernahm es frischweg, uns vor einem Nidicule zu schützen. Die große Liste
magyarischer Verbrechen machte auf unsere Fischnatur uicht mehr Eindruck, als
wir sie englisch in der Times lasen, denn damals, als sie uns die Wiener Zeitung
deutsch brachte. Die Quelle ist doch gar zu sumpfig. Times ist dadurch unserm
gesunden Menschenverstande, wie früher nnserm alten Herzog nahe getreten. Wird
doch ein von der Cholera Hiugevpferter der Barbarei der Magyaren aufgebür¬
det! Braucht es mehr, um die ganze spalteureiche Schauergeschichte zur Fratze
zu machen? Und daun — ich erinnere mich eben an eine Anekdote, die aus den
Grenzboten in ein hiesiges moniti^ ing.gu/.me überging: an den komischen Zorn
jenes gutmüthigen Wiener Dummkopfes, der Haynau mit den Worten entschul¬
digte: „Die Cholera hat mehr Meuscheu abgeschlachtet, als er und Windischgrätz
zusammengenommen, und damals hat kein Mensch deshalb so großen Lärm ge-
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