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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Anschauung kenne. Unser Mob war uns diesmal ganz dasselbe, was Haynan dem
Fürsten Schwarzenberg und dem Herrn Dr. Bach war. Das Werkzeug hat zu
unserer Zufriedenheit seine Schuldigkeit gethan; jetzt erlauben wir uns mit sal¬
bungsvoller Bildung, ihm ein hartes Urtheil zu sprechen. Das ist nicht edel, und
die radicalen Journale, die heute noch rufen: "Recht gethan, Ihr Brauer" sind
moralischer als wir, trotz ihres nngentilen Anstrichs.

Von der deutschen Presse, soviel mir hier davon zu Gesichte gekommen, ist
die Sache sehr deutsch, d. h. in sehr submisser Weise aufgenommen worden. Die
deutsche Presse, welche so blutige Geschichten von Haynan zu erzählen wußte, die
zur Zeit, als er in Ungarn hauste, einstimmig über ihn den Stab brach -- wer
in aller Welt that es nicht -- hätte jetzt füglich sagen müssen: Dein unbarmherzig
strengen Mann geschah sein Recht, John Bull war aber wieder einmal ein roher,
ungezogener Bengel." -- Roh, ungezogen, bengelhaft, unritterlich hat uns wohl
die deutsche Presse gescholten, aber daß nur ein Journal den Muth hatte, zu
sagen: "dem unbarmherzig strengen Manne geschah sein Recht," das habe ich nicht
gefunden. Vielleicht ist die Landeinsamkeit, in der ich lebe, wohin sich nur wenig
deutsche Blätter verirren, an meiner Unwissenheit Schuld, vielleicht, -- und das
scheint mir wahrscheinlicher -- liegt der sauste Ton der deutscheu Presse in dem
unsanften Druck Eurer Zustände. -- Die eine Ansicht scheint sich jedoch in den
conservativen deutschen Blättern ziemlich allgemein geltend gemacht zu haben, daß
die Brauer voll Bankside durch fremde Emigranten, oder was der östreichischen
Neichszeitnng dasselbe bedeutet: "durch flüchtige Hochverräther" inspirirt worden
seien. Das Verdienst dieser schlauen Erfindung gehört unserer Times, wie sie
überhaupt in dieser Angelegenheit die Schlauheit bis zur Plumpheit getrieben
hat. Fremden Blättern ist dergleichen verzeihlich, sie kennen London und seine
Verhältnisse nicht, sie wissen nicht, daß man sehr viel Geld haben muß, um in
London etwas zu erfahren, bevor es die Penny a liners den Verdauungswerk-
zeugen der Zeitungen übergeben, sie wissen anch nicht, daß in London große
Mittel dazu gehören, um Verbindungen, Clubs und tgi. zu organisiren, sie wissen
endlich nicht, daß die hier lebenden Emigranten sehr vereinzelt und zerstreut le¬
ben, weil sie zu sehr aufs Sparen angewiesen sind, tun -- bei der kostspieligen
Londoner Ortsbewegung -- regelmäßig zusammenzukommen. Alles das jedoch weiß
die Times; sie selbst hatte erst die Anwesenheit Hayuau's erfahren, nachdem der
Willkommruf vou Baukside so viel Eclat gemacht hatte; die armen flüchtigen
Ungarn sollten aber schon Zeit gehabt haben, die armen schwerbeweglichen Brauer
in Feuer und Flammen versetzt zu haben!? --

Times ging in ihrem Eifer, sich Oestreich verbindlich zu macheu, uoch viel
weiter. Sie griff ihr Herzenskind, den Herzog von Wellington an und wir
mußten es erleben, daß ein englisches Blatt Wellington mit Koch bewarf, um
Haynan weiß zu waschen. Der edle Herzog, der vor der Börse zu Pferde sitzt,


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Anschauung kenne. Unser Mob war uns diesmal ganz dasselbe, was Haynan dem
Fürsten Schwarzenberg und dem Herrn Dr. Bach war. Das Werkzeug hat zu
unserer Zufriedenheit seine Schuldigkeit gethan; jetzt erlauben wir uns mit sal¬
bungsvoller Bildung, ihm ein hartes Urtheil zu sprechen. Das ist nicht edel, und
die radicalen Journale, die heute noch rufen: „Recht gethan, Ihr Brauer" sind
moralischer als wir, trotz ihres nngentilen Anstrichs.

Von der deutschen Presse, soviel mir hier davon zu Gesichte gekommen, ist
die Sache sehr deutsch, d. h. in sehr submisser Weise aufgenommen worden. Die
deutsche Presse, welche so blutige Geschichten von Haynan zu erzählen wußte, die
zur Zeit, als er in Ungarn hauste, einstimmig über ihn den Stab brach — wer
in aller Welt that es nicht — hätte jetzt füglich sagen müssen: Dein unbarmherzig
strengen Mann geschah sein Recht, John Bull war aber wieder einmal ein roher,
ungezogener Bengel." — Roh, ungezogen, bengelhaft, unritterlich hat uns wohl
die deutsche Presse gescholten, aber daß nur ein Journal den Muth hatte, zu
sagen: „dem unbarmherzig strengen Manne geschah sein Recht," das habe ich nicht
gefunden. Vielleicht ist die Landeinsamkeit, in der ich lebe, wohin sich nur wenig
deutsche Blätter verirren, an meiner Unwissenheit Schuld, vielleicht, — und das
scheint mir wahrscheinlicher — liegt der sauste Ton der deutscheu Presse in dem
unsanften Druck Eurer Zustände. — Die eine Ansicht scheint sich jedoch in den
conservativen deutschen Blättern ziemlich allgemein geltend gemacht zu haben, daß
die Brauer voll Bankside durch fremde Emigranten, oder was der östreichischen
Neichszeitnng dasselbe bedeutet: „durch flüchtige Hochverräther" inspirirt worden
seien. Das Verdienst dieser schlauen Erfindung gehört unserer Times, wie sie
überhaupt in dieser Angelegenheit die Schlauheit bis zur Plumpheit getrieben
hat. Fremden Blättern ist dergleichen verzeihlich, sie kennen London und seine
Verhältnisse nicht, sie wissen nicht, daß man sehr viel Geld haben muß, um in
London etwas zu erfahren, bevor es die Penny a liners den Verdauungswerk-
zeugen der Zeitungen übergeben, sie wissen anch nicht, daß in London große
Mittel dazu gehören, um Verbindungen, Clubs und tgi. zu organisiren, sie wissen
endlich nicht, daß die hier lebenden Emigranten sehr vereinzelt und zerstreut le¬
ben, weil sie zu sehr aufs Sparen angewiesen sind, tun — bei der kostspieligen
Londoner Ortsbewegung — regelmäßig zusammenzukommen. Alles das jedoch weiß
die Times; sie selbst hatte erst die Anwesenheit Hayuau's erfahren, nachdem der
Willkommruf vou Baukside so viel Eclat gemacht hatte; die armen flüchtigen
Ungarn sollten aber schon Zeit gehabt haben, die armen schwerbeweglichen Brauer
in Feuer und Flammen versetzt zu haben!? —

Times ging in ihrem Eifer, sich Oestreich verbindlich zu macheu, uoch viel
weiter. Sie griff ihr Herzenskind, den Herzog von Wellington an und wir
mußten es erleben, daß ein englisches Blatt Wellington mit Koch bewarf, um
Haynan weiß zu waschen. Der edle Herzog, der vor der Börse zu Pferde sitzt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/59>, abgerufen am 26.08.2024.