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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Sittlichkeit im Dienst sein', zumal sich der Dienst für diesen Tag vielfach ver¬
kürzen läßt.

Sorgt lieber dafür, ihr frommen Herren, daß der Gottesdienst unserer Sonn¬
tage seinen Zweck erfülle. Sorgt dafür, daß die Männer, welche Gottes Wort
zu verkünden haben, nicht schmähliche Angenverdreher und anmaßende Salbaderer
sind, sondern daß sie ihr schwieriges Amt mit frischer Kraft, heiterem Muth und
verständiger Bescheidenheit verwalten. Sorgt dafür, ihr Herren, daß ihr selbst
euer Volk nicht als eine Heerde Angezogener Kinder betrachtet, welche durch
Verminderung ihres Behagens und durch Entbehrungen zu Ernst und Sitte ge¬
bracht werden können. Und sorgt vor Allem dafür, daß ihr selbst an den sechs
Werkeltagen keine dummen und elenden Streiche macht, sondern euch so aufführt,
daß ihr ein gutes Beispiel werdet für alles Volk, in Kraft, in Freudigkeit des
Herzens, in den Tugenden, die einen Mann zieren und sein Leben rühmlich ma¬
chen für Zeit und Ewigkeit. Amen.




Ein Engländer über Oestreich.

Den Organen der gothaischen Partei wird von östreichischen Stimmen beständig
vorgeworfen, sie malten östreichische Zustände absichtlich in's Schwarze und verdächtigten
die Aufrichtigkeit der constitutionellen Gesinnung seiner Staatsmänner, um Oestreichs
Ansehen in Deutschland zu schaden. Dabei versäumen sie nie, sich in pomphaften Worten
über Oestreichs unendliche Macht und über die Frischheit seiner constitutionellen Ent¬
wickelung zu ergehen. Der Anklage der leidenschaftlichen Verdächtigung und den Prad>
lereien coustitutwuelleu Fortschritts stellen wir jetzt ein gewiß unverdächtiges Zeugniß
gegenüber, einen Brief des Wiener Correspondenten der Times, der bis in die neueste
Zeit sich als standhafter Vertheidiger und warmer Lobredner des östreichischen Staates
gezeigthat, bis ihm durch die neuesten Maßnahmen der östreichischen Regierung die Schuppen
von den Augen gefallen sind. Der Correspondent schreibt bei Gelegenheit seines Refe¬
rats über die Olmützer Conferenzen:

"Jeder Deutsche, mit dem ich über diese Sache gesprochen, fühlt sich tief gede¬
müthigt, daß Rußland auf rein innere Angelegenheiten so großen Einfluß hat, und über¬
läßt sich düstern Befürchtungen, die gewiß nichts weniger als unbegründet sind. Läßt
sich nur einen Augenblick an den Bestand constitutioneller Freiheit in einem Staate
glauben, der der rechtzeitigen Hilfe und der bundesfreundlichen Gesinnung Rußlands seine
Erhaltung verdankt? Das läßt sich der öffentlichen Meinung nicht länger verhehlen,
und die Folge ist, daß Preußen, wenn es weniger specifisch-preußisch und mehr deutsch
wäre, sich der Sympathie" des größten Theils der Bewohner Oestreichs erfreuen würde.
Ich bitte, das Ebengesagte nicht mißzuverstehen. Die Oestreicher verabscheuen Preußens
aggressive Politik, aber sie haben mehr Vertrauen auf die Freisinnigkeit seiner Staats¬
männer als auf die Verläßlichkeit der ihrigen. Die Maske ist jetzt sast ganz gefallen,


Sittlichkeit im Dienst sein', zumal sich der Dienst für diesen Tag vielfach ver¬
kürzen läßt.

Sorgt lieber dafür, ihr frommen Herren, daß der Gottesdienst unserer Sonn¬
tage seinen Zweck erfülle. Sorgt dafür, daß die Männer, welche Gottes Wort
zu verkünden haben, nicht schmähliche Angenverdreher und anmaßende Salbaderer
sind, sondern daß sie ihr schwieriges Amt mit frischer Kraft, heiterem Muth und
verständiger Bescheidenheit verwalten. Sorgt dafür, ihr Herren, daß ihr selbst
euer Volk nicht als eine Heerde Angezogener Kinder betrachtet, welche durch
Verminderung ihres Behagens und durch Entbehrungen zu Ernst und Sitte ge¬
bracht werden können. Und sorgt vor Allem dafür, daß ihr selbst an den sechs
Werkeltagen keine dummen und elenden Streiche macht, sondern euch so aufführt,
daß ihr ein gutes Beispiel werdet für alles Volk, in Kraft, in Freudigkeit des
Herzens, in den Tugenden, die einen Mann zieren und sein Leben rühmlich ma¬
chen für Zeit und Ewigkeit. Amen.




Ein Engländer über Oestreich.

Den Organen der gothaischen Partei wird von östreichischen Stimmen beständig
vorgeworfen, sie malten östreichische Zustände absichtlich in's Schwarze und verdächtigten
die Aufrichtigkeit der constitutionellen Gesinnung seiner Staatsmänner, um Oestreichs
Ansehen in Deutschland zu schaden. Dabei versäumen sie nie, sich in pomphaften Worten
über Oestreichs unendliche Macht und über die Frischheit seiner constitutionellen Ent¬
wickelung zu ergehen. Der Anklage der leidenschaftlichen Verdächtigung und den Prad>
lereien coustitutwuelleu Fortschritts stellen wir jetzt ein gewiß unverdächtiges Zeugniß
gegenüber, einen Brief des Wiener Correspondenten der Times, der bis in die neueste
Zeit sich als standhafter Vertheidiger und warmer Lobredner des östreichischen Staates
gezeigthat, bis ihm durch die neuesten Maßnahmen der östreichischen Regierung die Schuppen
von den Augen gefallen sind. Der Correspondent schreibt bei Gelegenheit seines Refe¬
rats über die Olmützer Conferenzen:

„Jeder Deutsche, mit dem ich über diese Sache gesprochen, fühlt sich tief gede¬
müthigt, daß Rußland auf rein innere Angelegenheiten so großen Einfluß hat, und über¬
läßt sich düstern Befürchtungen, die gewiß nichts weniger als unbegründet sind. Läßt
sich nur einen Augenblick an den Bestand constitutioneller Freiheit in einem Staate
glauben, der der rechtzeitigen Hilfe und der bundesfreundlichen Gesinnung Rußlands seine
Erhaltung verdankt? Das läßt sich der öffentlichen Meinung nicht länger verhehlen,
und die Folge ist, daß Preußen, wenn es weniger specifisch-preußisch und mehr deutsch
wäre, sich der Sympathie» des größten Theils der Bewohner Oestreichs erfreuen würde.
Ich bitte, das Ebengesagte nicht mißzuverstehen. Die Oestreicher verabscheuen Preußens
aggressive Politik, aber sie haben mehr Vertrauen auf die Freisinnigkeit seiner Staats¬
männer als auf die Verläßlichkeit der ihrigen. Die Maske ist jetzt sast ganz gefallen,


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[0525] Sittlichkeit im Dienst sein', zumal sich der Dienst für diesen Tag vielfach ver¬ kürzen läßt. Sorgt lieber dafür, ihr frommen Herren, daß der Gottesdienst unserer Sonn¬ tage seinen Zweck erfülle. Sorgt dafür, daß die Männer, welche Gottes Wort zu verkünden haben, nicht schmähliche Angenverdreher und anmaßende Salbaderer sind, sondern daß sie ihr schwieriges Amt mit frischer Kraft, heiterem Muth und verständiger Bescheidenheit verwalten. Sorgt dafür, ihr Herren, daß ihr selbst euer Volk nicht als eine Heerde Angezogener Kinder betrachtet, welche durch Verminderung ihres Behagens und durch Entbehrungen zu Ernst und Sitte ge¬ bracht werden können. Und sorgt vor Allem dafür, daß ihr selbst an den sechs Werkeltagen keine dummen und elenden Streiche macht, sondern euch so aufführt, daß ihr ein gutes Beispiel werdet für alles Volk, in Kraft, in Freudigkeit des Herzens, in den Tugenden, die einen Mann zieren und sein Leben rühmlich ma¬ chen für Zeit und Ewigkeit. Amen. Ein Engländer über Oestreich. Den Organen der gothaischen Partei wird von östreichischen Stimmen beständig vorgeworfen, sie malten östreichische Zustände absichtlich in's Schwarze und verdächtigten die Aufrichtigkeit der constitutionellen Gesinnung seiner Staatsmänner, um Oestreichs Ansehen in Deutschland zu schaden. Dabei versäumen sie nie, sich in pomphaften Worten über Oestreichs unendliche Macht und über die Frischheit seiner constitutionellen Ent¬ wickelung zu ergehen. Der Anklage der leidenschaftlichen Verdächtigung und den Prad> lereien coustitutwuelleu Fortschritts stellen wir jetzt ein gewiß unverdächtiges Zeugniß gegenüber, einen Brief des Wiener Correspondenten der Times, der bis in die neueste Zeit sich als standhafter Vertheidiger und warmer Lobredner des östreichischen Staates gezeigthat, bis ihm durch die neuesten Maßnahmen der östreichischen Regierung die Schuppen von den Augen gefallen sind. Der Correspondent schreibt bei Gelegenheit seines Refe¬ rats über die Olmützer Conferenzen: „Jeder Deutsche, mit dem ich über diese Sache gesprochen, fühlt sich tief gede¬ müthigt, daß Rußland auf rein innere Angelegenheiten so großen Einfluß hat, und über¬ läßt sich düstern Befürchtungen, die gewiß nichts weniger als unbegründet sind. Läßt sich nur einen Augenblick an den Bestand constitutioneller Freiheit in einem Staate glauben, der der rechtzeitigen Hilfe und der bundesfreundlichen Gesinnung Rußlands seine Erhaltung verdankt? Das läßt sich der öffentlichen Meinung nicht länger verhehlen, und die Folge ist, daß Preußen, wenn es weniger specifisch-preußisch und mehr deutsch wäre, sich der Sympathie» des größten Theils der Bewohner Oestreichs erfreuen würde. Ich bitte, das Ebengesagte nicht mißzuverstehen. Die Oestreicher verabscheuen Preußens aggressive Politik, aber sie haben mehr Vertrauen auf die Freisinnigkeit seiner Staats¬ männer als auf die Verläßlichkeit der ihrigen. Die Maske ist jetzt sast ganz gefallen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/525>, abgerufen am 22.07.2024.