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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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zogen, im Weigerungsfalle massacrirt hätten; vergebens, er bleibt compromittirt und
in>iß sich pnrificiren.

Was heißt "pnrificiren"? "Pnristciren heißt", könnte mancher Purificirte
demonstriren, "gewisse runde, weiße oder gelbe, aber jedenfalls metallene Plätt¬
chen aus der Hand des Purificandns in die Hand des Pnrificans gleiten lassen,
dabei eine gewisse Formel von Gntgesinntheitsversicherung hersagen, und das
Versprechen hinzufügen, gegen die verdammten Kossuthianer unerbittlich zu
sein." Außer dieser sehr ergiebigen Quelle der Pnrisieationen gibt es noch an¬
dere, die, wenn auch nicht fließen, doch immer rieseln. Will Jemand, der nur
je ,M6ri Xo88uM" gerufen, oder eine Nationalcocarde getragen hat, nach einem
benachbarten Comitate reisen, und erscheint, um sich eiuen Paß zu lösen, so wird
ihm ganz leise und achselzuckend die Bemerkung gemacht: "Ja, Freund, Sie
sind 'mal ein Individuum, mit dessen Vergangenheit die Regierung Sr. Majestät
sehr Ursache hat unzufrieden zu sein; ich bedaure sehr, aber ich darf gegen meine
Instruction nicht handeln, Sie müssen sich also erst ausweisen, was Sie denn
eigentlich ans Ihrer Reise unternehmen wollen" u. s. w. Die Art des AnSweises ist
wie beim Pnrificiren. -- Wie gewissenhaft und für das Wohl der Bevölkerung be¬
sorgt übrigens unsere Beamtenschaft verfährt, soll folgende Thatsache beweisen.
Ich habe sie von einem Augenzeugen, der bei der Entwirrnngsscene des drolligen
Stückes zugegen war. Als vor uicht lauger Zeit in mehrern Gegenden unseres Landes
die Viehseuche herrschte, hatten sich die verschont gebliebenen Comitate von den
angegriffenen abgesperrt, und Jeder mußte auf deu Viehmärkten einen SanitätSpaß
über sein zu Markte gebrachtes Vieh vorzeigen. Indeß kam ein Knpetz (Händ¬
ler) ans die glückliche Idee, in seiner vou der Viehseuche heimgesuchten Gegend
einen beträchtlichen Trieb trautes Hornvieh zusammenzukaufen, und sich in einem
andern, gesunden Comitate einen Paß für sich und seine gehörnten Reisegefährten
bei einem sehr gefälligen Beamten einzulösen. Die Sache hatte natür¬
lich keine Schwierigkeit, und unser Kupch erschien mit seinem Einkauf auf dem
Markte der benachbarten Stadt G. -- Unter der eingeschmuggelten Waare befan¬
den sich auch ein Paar schöne Ochsen, die einem reichen Bauern gehört hatten, der
an ihnen einige Symptome der Seuche wahrnahm, und sich beeilte, sie an un¬
sern Knpei; zu veräußern. Da aber der Bauer uicht lauge ohne Hornvieh blei¬
ben konnte, so trug er seinem Schwiegersohne, der indem benachbarten Comi¬
tate wohnte, auf, ihm bei erster Gelegenheit ein gutes gesundes Paar Ochsen
einzukaufen. Der Schwiegersohn, welcher eben den Viehmarkt zu G. besuchte,
beeilte sich, den Auftrag seines Schwiegervaters zu erfüllen, und da er unsern
Kupetz mit guten Documenten versehen sah, so stand er nicht an, das schöne
Paar Ochsen -- welche keine andern waren, als die seines Schwiegervaters --
zu kaufen, und sie durch einen sichern Mann an den Ort ihrer Bestimmung zu senden.
Man denke sich die Ueberraschung des geprellten Bauern, als er sein krankes


zogen, im Weigerungsfalle massacrirt hätten; vergebens, er bleibt compromittirt und
in>iß sich pnrificiren.

Was heißt „pnrificiren"? „Pnristciren heißt", könnte mancher Purificirte
demonstriren, „gewisse runde, weiße oder gelbe, aber jedenfalls metallene Plätt¬
chen aus der Hand des Purificandns in die Hand des Pnrificans gleiten lassen,
dabei eine gewisse Formel von Gntgesinntheitsversicherung hersagen, und das
Versprechen hinzufügen, gegen die verdammten Kossuthianer unerbittlich zu
sein." Außer dieser sehr ergiebigen Quelle der Pnrisieationen gibt es noch an¬
dere, die, wenn auch nicht fließen, doch immer rieseln. Will Jemand, der nur
je ,M6ri Xo88uM" gerufen, oder eine Nationalcocarde getragen hat, nach einem
benachbarten Comitate reisen, und erscheint, um sich eiuen Paß zu lösen, so wird
ihm ganz leise und achselzuckend die Bemerkung gemacht: „Ja, Freund, Sie
sind 'mal ein Individuum, mit dessen Vergangenheit die Regierung Sr. Majestät
sehr Ursache hat unzufrieden zu sein; ich bedaure sehr, aber ich darf gegen meine
Instruction nicht handeln, Sie müssen sich also erst ausweisen, was Sie denn
eigentlich ans Ihrer Reise unternehmen wollen" u. s. w. Die Art des AnSweises ist
wie beim Pnrificiren. — Wie gewissenhaft und für das Wohl der Bevölkerung be¬
sorgt übrigens unsere Beamtenschaft verfährt, soll folgende Thatsache beweisen.
Ich habe sie von einem Augenzeugen, der bei der Entwirrnngsscene des drolligen
Stückes zugegen war. Als vor uicht lauger Zeit in mehrern Gegenden unseres Landes
die Viehseuche herrschte, hatten sich die verschont gebliebenen Comitate von den
angegriffenen abgesperrt, und Jeder mußte auf deu Viehmärkten einen SanitätSpaß
über sein zu Markte gebrachtes Vieh vorzeigen. Indeß kam ein Knpetz (Händ¬
ler) ans die glückliche Idee, in seiner vou der Viehseuche heimgesuchten Gegend
einen beträchtlichen Trieb trautes Hornvieh zusammenzukaufen, und sich in einem
andern, gesunden Comitate einen Paß für sich und seine gehörnten Reisegefährten
bei einem sehr gefälligen Beamten einzulösen. Die Sache hatte natür¬
lich keine Schwierigkeit, und unser Kupch erschien mit seinem Einkauf auf dem
Markte der benachbarten Stadt G. — Unter der eingeschmuggelten Waare befan¬
den sich auch ein Paar schöne Ochsen, die einem reichen Bauern gehört hatten, der
an ihnen einige Symptome der Seuche wahrnahm, und sich beeilte, sie an un¬
sern Knpei; zu veräußern. Da aber der Bauer uicht lauge ohne Hornvieh blei¬
ben konnte, so trug er seinem Schwiegersohne, der indem benachbarten Comi¬
tate wohnte, auf, ihm bei erster Gelegenheit ein gutes gesundes Paar Ochsen
einzukaufen. Der Schwiegersohn, welcher eben den Viehmarkt zu G. besuchte,
beeilte sich, den Auftrag seines Schwiegervaters zu erfüllen, und da er unsern
Kupetz mit guten Documenten versehen sah, so stand er nicht an, das schöne
Paar Ochsen — welche keine andern waren, als die seines Schwiegervaters —
zu kaufen, und sie durch einen sichern Mann an den Ort ihrer Bestimmung zu senden.
Man denke sich die Ueberraschung des geprellten Bauern, als er sein krankes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/502>, abgerufen am 22.07.2024.