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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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ehrenvoll gedient und nur ihrer freiern Richtung wegen ihren Abschied erhalten
oder freiwillig gefordert hatten. Einzelne solcher Demokraten haben übrigens
wegen gemeiner Streiche ihre Regimenter verlassen müssen und ergriffen gern die
Gelegenheit, ihre Schande mit dem Mantel des politischen Liberalismus zu ver¬
decken. -- Auch sonst liefert das preußische Officiercorps gerade wegen seiner
strengen Bevormundung manches Opfer nach Amerika oder für die Fremden¬
legion. Besonders leichtsinniges Schuldenmachen, das jetzt mit Recht nicht ge¬
duldet wird, obgleich früher bei der Garde viel Mißbrauch damit getrieben
ward, zwingt junge Leute ihren Abschied zu nehmen.

Das Gehalt der Subaltcrnenofftciere ist so gering, daß sie ohne Zulage
nur durch die alleräußerste Sparsamkeit auskommen, zumal stets auf eine sehr
gute Bekleidung und anständige Repräsentation strenge gesehen wird. Ein echter
preußischer Lieutenant lebt übrigens lieber Abends und Morgens von trocknem
Brod und Wasser, als daß er sich ohne eine gute Uniform und weiße feine
Handschuhe auf der Straße sehen ließe. Ueberreichlich werden hingegen die
höheren Stabsofstciere bezahlt, und wir glauben, daß hierin Ersparnisse, schon
den Finanzen wegen, dringend nothwendig sind. In letzter Zeit sind häusig
gescheute preußische Officiere in die Dienste anderer Staaten getreten, um dort das
preußische Militärsystem einzuführen, so z. B. in Meklenburg 8--10; in Schles¬
wig-Holstein über 30, auch in badische Dienste werden gewiß noch viele über¬
gehen. Das Avancement, das bis zum Stabsofficier im Regiment, von da aber
in der Armee geschieht, ist im Ganzen nnr mittelmäßig. Zehn Jahr Seconde-
Lientenant, zehn Jahr Premier-Lieutenant und zehn Jahr Hauptmann dürfte wohl
die mittlere Durchschnittszeit sein. Durch Versetzung in den Generalstab oder
in die Adjutantur wird aber besonders fähigen oder begünstigten Officieren
vielfache Gelegenheit zu einem rascheren Avancement gegeben, wie man denn anch
in letzter Zeit das richtige Princip befolgt, Niemanden, der schon :ein höheres
Lebensalter erreicht hat und nicht mehr vollkommen geistig und körperlich frisch
und gesund ist, zum Stabsofficier zu machen. Ueberhaupt geht man vernünf¬
tiger Weise bei den höheren Stellen ganz von der Anciennität ab und läßt hier
nur Verdienst und Talent, oft wohl anch Protection entscheiden.

Die preußische Armee ist außer dem abgesonderten Gardecorps in 8 Armee-
corps eingetheilt, von denen wieder je zwei eine Armeeabtheilung bilden. Das
erste Armeecorps ist das oft- und westpreußische mit dem Sitz des Generalcmn-
mando'ö in Königsberg, das zweite, das pommersche, mit Stettin, das dritte, das
brandenburgische, mit Frankfurt a/O., das vierte, das sächsische, mit Magdeburg,
das fünfte, das poseusche, mit Posen, das sechste, das schlesische, mit Breslau,
das siebente, das westphälische, mit Münster, das achte, das rheinische, mit
Coblenz. Jedes Armeecorps enthält im Frieden, wo diese Eintheilung gilt,
8 Linien-Jnfanterie-Regimenter zu 3 Bataillonen, 8 Landwehr-Jnfanterie-Negi-


ehrenvoll gedient und nur ihrer freiern Richtung wegen ihren Abschied erhalten
oder freiwillig gefordert hatten. Einzelne solcher Demokraten haben übrigens
wegen gemeiner Streiche ihre Regimenter verlassen müssen und ergriffen gern die
Gelegenheit, ihre Schande mit dem Mantel des politischen Liberalismus zu ver¬
decken. — Auch sonst liefert das preußische Officiercorps gerade wegen seiner
strengen Bevormundung manches Opfer nach Amerika oder für die Fremden¬
legion. Besonders leichtsinniges Schuldenmachen, das jetzt mit Recht nicht ge¬
duldet wird, obgleich früher bei der Garde viel Mißbrauch damit getrieben
ward, zwingt junge Leute ihren Abschied zu nehmen.

Das Gehalt der Subaltcrnenofftciere ist so gering, daß sie ohne Zulage
nur durch die alleräußerste Sparsamkeit auskommen, zumal stets auf eine sehr
gute Bekleidung und anständige Repräsentation strenge gesehen wird. Ein echter
preußischer Lieutenant lebt übrigens lieber Abends und Morgens von trocknem
Brod und Wasser, als daß er sich ohne eine gute Uniform und weiße feine
Handschuhe auf der Straße sehen ließe. Ueberreichlich werden hingegen die
höheren Stabsofstciere bezahlt, und wir glauben, daß hierin Ersparnisse, schon
den Finanzen wegen, dringend nothwendig sind. In letzter Zeit sind häusig
gescheute preußische Officiere in die Dienste anderer Staaten getreten, um dort das
preußische Militärsystem einzuführen, so z. B. in Meklenburg 8—10; in Schles¬
wig-Holstein über 30, auch in badische Dienste werden gewiß noch viele über¬
gehen. Das Avancement, das bis zum Stabsofficier im Regiment, von da aber
in der Armee geschieht, ist im Ganzen nnr mittelmäßig. Zehn Jahr Seconde-
Lientenant, zehn Jahr Premier-Lieutenant und zehn Jahr Hauptmann dürfte wohl
die mittlere Durchschnittszeit sein. Durch Versetzung in den Generalstab oder
in die Adjutantur wird aber besonders fähigen oder begünstigten Officieren
vielfache Gelegenheit zu einem rascheren Avancement gegeben, wie man denn anch
in letzter Zeit das richtige Princip befolgt, Niemanden, der schon :ein höheres
Lebensalter erreicht hat und nicht mehr vollkommen geistig und körperlich frisch
und gesund ist, zum Stabsofficier zu machen. Ueberhaupt geht man vernünf¬
tiger Weise bei den höheren Stellen ganz von der Anciennität ab und läßt hier
nur Verdienst und Talent, oft wohl anch Protection entscheiden.

Die preußische Armee ist außer dem abgesonderten Gardecorps in 8 Armee-
corps eingetheilt, von denen wieder je zwei eine Armeeabtheilung bilden. Das
erste Armeecorps ist das oft- und westpreußische mit dem Sitz des Generalcmn-
mando'ö in Königsberg, das zweite, das pommersche, mit Stettin, das dritte, das
brandenburgische, mit Frankfurt a/O., das vierte, das sächsische, mit Magdeburg,
das fünfte, das poseusche, mit Posen, das sechste, das schlesische, mit Breslau,
das siebente, das westphälische, mit Münster, das achte, das rheinische, mit
Coblenz. Jedes Armeecorps enthält im Frieden, wo diese Eintheilung gilt,
8 Linien-Jnfanterie-Regimenter zu 3 Bataillonen, 8 Landwehr-Jnfanterie-Negi-


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[0476] ehrenvoll gedient und nur ihrer freiern Richtung wegen ihren Abschied erhalten oder freiwillig gefordert hatten. Einzelne solcher Demokraten haben übrigens wegen gemeiner Streiche ihre Regimenter verlassen müssen und ergriffen gern die Gelegenheit, ihre Schande mit dem Mantel des politischen Liberalismus zu ver¬ decken. — Auch sonst liefert das preußische Officiercorps gerade wegen seiner strengen Bevormundung manches Opfer nach Amerika oder für die Fremden¬ legion. Besonders leichtsinniges Schuldenmachen, das jetzt mit Recht nicht ge¬ duldet wird, obgleich früher bei der Garde viel Mißbrauch damit getrieben ward, zwingt junge Leute ihren Abschied zu nehmen. Das Gehalt der Subaltcrnenofftciere ist so gering, daß sie ohne Zulage nur durch die alleräußerste Sparsamkeit auskommen, zumal stets auf eine sehr gute Bekleidung und anständige Repräsentation strenge gesehen wird. Ein echter preußischer Lieutenant lebt übrigens lieber Abends und Morgens von trocknem Brod und Wasser, als daß er sich ohne eine gute Uniform und weiße feine Handschuhe auf der Straße sehen ließe. Ueberreichlich werden hingegen die höheren Stabsofstciere bezahlt, und wir glauben, daß hierin Ersparnisse, schon den Finanzen wegen, dringend nothwendig sind. In letzter Zeit sind häusig gescheute preußische Officiere in die Dienste anderer Staaten getreten, um dort das preußische Militärsystem einzuführen, so z. B. in Meklenburg 8—10; in Schles¬ wig-Holstein über 30, auch in badische Dienste werden gewiß noch viele über¬ gehen. Das Avancement, das bis zum Stabsofficier im Regiment, von da aber in der Armee geschieht, ist im Ganzen nnr mittelmäßig. Zehn Jahr Seconde- Lientenant, zehn Jahr Premier-Lieutenant und zehn Jahr Hauptmann dürfte wohl die mittlere Durchschnittszeit sein. Durch Versetzung in den Generalstab oder in die Adjutantur wird aber besonders fähigen oder begünstigten Officieren vielfache Gelegenheit zu einem rascheren Avancement gegeben, wie man denn anch in letzter Zeit das richtige Princip befolgt, Niemanden, der schon :ein höheres Lebensalter erreicht hat und nicht mehr vollkommen geistig und körperlich frisch und gesund ist, zum Stabsofficier zu machen. Ueberhaupt geht man vernünf¬ tiger Weise bei den höheren Stellen ganz von der Anciennität ab und läßt hier nur Verdienst und Talent, oft wohl anch Protection entscheiden. Die preußische Armee ist außer dem abgesonderten Gardecorps in 8 Armee- corps eingetheilt, von denen wieder je zwei eine Armeeabtheilung bilden. Das erste Armeecorps ist das oft- und westpreußische mit dem Sitz des Generalcmn- mando'ö in Königsberg, das zweite, das pommersche, mit Stettin, das dritte, das brandenburgische, mit Frankfurt a/O., das vierte, das sächsische, mit Magdeburg, das fünfte, das poseusche, mit Posen, das sechste, das schlesische, mit Breslau, das siebente, das westphälische, mit Münster, das achte, das rheinische, mit Coblenz. Jedes Armeecorps enthält im Frieden, wo diese Eintheilung gilt, 8 Linien-Jnfanterie-Regimenter zu 3 Bataillonen, 8 Landwehr-Jnfanterie-Negi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/476>, abgerufen am 22.07.2024.