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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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herein auf Avancement dienten, wozu besondere Erlaubniß und ein eigenes Ein¬
trittsexamen gehörten, sehr selten befördert, schon deshalb, weil die meisten nicht
das nöthige Geld besaßen, um sich die vielfachen Kenntnisse, die im Ofsiciers-
exameu gefordert wurden, zu erwerben. Nach einer Vorschrift des letzten Jahres
scheint man es aber wenigstens officiell begünstigen zu wollen, daß auch gewöhn-
liche Unterofficiere sich zum Ofsiciersexamen melden, und man thut wohl hieran, da
sich sonst mir der Zeit in diesen oft sehr ausgebildeten Subalternen, denen in
Friedenszeiten jedes fernere Avancement abgeschnitten wäre, ein gefährliches Ele¬
ment hätte bilden können. Ueberhaupt scheint man jetzt endlich von der Ansicht,
vorzugsweise Edelleute zu Officieren zu macheu, etwas zurückgekommen zu sein.

In uoch höherem Grade als bei den Unterossicieren sucht man bei den Oft
ficiereu den Geist der Ehre rege zu halten. So wichtig dies anch ist, so verfällt
man bisweilen doch dabei in den schädlichen Fehler der Uebertreibung und hat
bei einem Theil der Officiere Kastenstolz, Eitelkeit und Selbstüberschätzung
hervorgerufen, welche dem ganzen Staate schaden. In keiner Armee findet man
mehr wahrhaft gebildete, die strengsten Forderungen der Ehre mit bescheidenem
Betragen verbindende, durch und durch tüchtige und dabei im Umgang liebens¬
würdige Officiere als in der preußischen, in keiner aber auch mehr anmaßende,
von der lächerlichsten Arroganz und vou dem Glauben aufgeblasene, daß das
Epaulett ans der Schulter ihnen einen hohen Vorzug vor allen übrigen Menschen
gebe. Namentlich das Privilegirtc, ganz unzeitgemäße Gardecorps und einige
Cavallerie-Regimenter, in denen vorzugsweise jüngere Söhne der Aristokratie
dienen, leiden an solchem Uebelstand, während man bei den Linien-Infanterie-
Regimentern und gar bei der sehr wissenschaftlich gebildeten Artillerie und deu
Ingenieuren solche viel seltener findet. Die wissenschaftliche Bildung, wie man
sie mit Recht vou einem Maun der höhern Stäude fordert, besitzen übrigens fast
alle Officiere, Dank den strengen und ganz unparteiischen Examen, die alle ohne
Ausnahme machen müssen. Der junge Mann, der auf Avancement dienen will,
muß bei seinem Eintritt als Gemeiner ein Examen machen, ein zweites,
nicht ganz leichtes, vor seiner Ernennung zum Unterofficier und Portepeefähudrich
wornach er 0 -- 12 Mouate die Divisiouöschule besucht und sich so zum Officiers-
examen vorbereitet. Diese Examina sind in letzter Zeit noch verschärft worden.
Deshalb sind die Officiersstellen nicht Versorguugsaustalten für alle dummen
oder faulen vornehmen jungen Leute, wie es in andern Staaten noch sehr der
Fall ist. Sehr viele Officiere erhält das Heer ans dem großen Berliner Ca-
dcttenhauS und deu Vorbereituugsschuleu zu Potsdam, Kulm und Beurath. Je
nach dem Grad ihres Austrittsexamcns treten die Cadetten, größtentheils Offi-
cierssöhne, als Unterofficiere oder Fähudriche, ja einzelne wenige sogar, schon
nach überstandenem Lientenantsexamen in die Armee ein. Als höhere Bildungs-
schule für Officiere, die in den Generalstab treten oder sich sonst hervorthun


herein auf Avancement dienten, wozu besondere Erlaubniß und ein eigenes Ein¬
trittsexamen gehörten, sehr selten befördert, schon deshalb, weil die meisten nicht
das nöthige Geld besaßen, um sich die vielfachen Kenntnisse, die im Ofsiciers-
exameu gefordert wurden, zu erwerben. Nach einer Vorschrift des letzten Jahres
scheint man es aber wenigstens officiell begünstigen zu wollen, daß auch gewöhn-
liche Unterofficiere sich zum Ofsiciersexamen melden, und man thut wohl hieran, da
sich sonst mir der Zeit in diesen oft sehr ausgebildeten Subalternen, denen in
Friedenszeiten jedes fernere Avancement abgeschnitten wäre, ein gefährliches Ele¬
ment hätte bilden können. Ueberhaupt scheint man jetzt endlich von der Ansicht,
vorzugsweise Edelleute zu Officieren zu macheu, etwas zurückgekommen zu sein.

In uoch höherem Grade als bei den Unterossicieren sucht man bei den Oft
ficiereu den Geist der Ehre rege zu halten. So wichtig dies anch ist, so verfällt
man bisweilen doch dabei in den schädlichen Fehler der Uebertreibung und hat
bei einem Theil der Officiere Kastenstolz, Eitelkeit und Selbstüberschätzung
hervorgerufen, welche dem ganzen Staate schaden. In keiner Armee findet man
mehr wahrhaft gebildete, die strengsten Forderungen der Ehre mit bescheidenem
Betragen verbindende, durch und durch tüchtige und dabei im Umgang liebens¬
würdige Officiere als in der preußischen, in keiner aber auch mehr anmaßende,
von der lächerlichsten Arroganz und vou dem Glauben aufgeblasene, daß das
Epaulett ans der Schulter ihnen einen hohen Vorzug vor allen übrigen Menschen
gebe. Namentlich das Privilegirtc, ganz unzeitgemäße Gardecorps und einige
Cavallerie-Regimenter, in denen vorzugsweise jüngere Söhne der Aristokratie
dienen, leiden an solchem Uebelstand, während man bei den Linien-Infanterie-
Regimentern und gar bei der sehr wissenschaftlich gebildeten Artillerie und deu
Ingenieuren solche viel seltener findet. Die wissenschaftliche Bildung, wie man
sie mit Recht vou einem Maun der höhern Stäude fordert, besitzen übrigens fast
alle Officiere, Dank den strengen und ganz unparteiischen Examen, die alle ohne
Ausnahme machen müssen. Der junge Mann, der auf Avancement dienen will,
muß bei seinem Eintritt als Gemeiner ein Examen machen, ein zweites,
nicht ganz leichtes, vor seiner Ernennung zum Unterofficier und Portepeefähudrich
wornach er 0 — 12 Mouate die Divisiouöschule besucht und sich so zum Officiers-
examen vorbereitet. Diese Examina sind in letzter Zeit noch verschärft worden.
Deshalb sind die Officiersstellen nicht Versorguugsaustalten für alle dummen
oder faulen vornehmen jungen Leute, wie es in andern Staaten noch sehr der
Fall ist. Sehr viele Officiere erhält das Heer ans dem großen Berliner Ca-
dcttenhauS und deu Vorbereituugsschuleu zu Potsdam, Kulm und Beurath. Je
nach dem Grad ihres Austrittsexamcns treten die Cadetten, größtentheils Offi-
cierssöhne, als Unterofficiere oder Fähudriche, ja einzelne wenige sogar, schon
nach überstandenem Lientenantsexamen in die Armee ein. Als höhere Bildungs-
schule für Officiere, die in den Generalstab treten oder sich sonst hervorthun


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[0474] herein auf Avancement dienten, wozu besondere Erlaubniß und ein eigenes Ein¬ trittsexamen gehörten, sehr selten befördert, schon deshalb, weil die meisten nicht das nöthige Geld besaßen, um sich die vielfachen Kenntnisse, die im Ofsiciers- exameu gefordert wurden, zu erwerben. Nach einer Vorschrift des letzten Jahres scheint man es aber wenigstens officiell begünstigen zu wollen, daß auch gewöhn- liche Unterofficiere sich zum Ofsiciersexamen melden, und man thut wohl hieran, da sich sonst mir der Zeit in diesen oft sehr ausgebildeten Subalternen, denen in Friedenszeiten jedes fernere Avancement abgeschnitten wäre, ein gefährliches Ele¬ ment hätte bilden können. Ueberhaupt scheint man jetzt endlich von der Ansicht, vorzugsweise Edelleute zu Officieren zu macheu, etwas zurückgekommen zu sein. In uoch höherem Grade als bei den Unterossicieren sucht man bei den Oft ficiereu den Geist der Ehre rege zu halten. So wichtig dies anch ist, so verfällt man bisweilen doch dabei in den schädlichen Fehler der Uebertreibung und hat bei einem Theil der Officiere Kastenstolz, Eitelkeit und Selbstüberschätzung hervorgerufen, welche dem ganzen Staate schaden. In keiner Armee findet man mehr wahrhaft gebildete, die strengsten Forderungen der Ehre mit bescheidenem Betragen verbindende, durch und durch tüchtige und dabei im Umgang liebens¬ würdige Officiere als in der preußischen, in keiner aber auch mehr anmaßende, von der lächerlichsten Arroganz und vou dem Glauben aufgeblasene, daß das Epaulett ans der Schulter ihnen einen hohen Vorzug vor allen übrigen Menschen gebe. Namentlich das Privilegirtc, ganz unzeitgemäße Gardecorps und einige Cavallerie-Regimenter, in denen vorzugsweise jüngere Söhne der Aristokratie dienen, leiden an solchem Uebelstand, während man bei den Linien-Infanterie- Regimentern und gar bei der sehr wissenschaftlich gebildeten Artillerie und deu Ingenieuren solche viel seltener findet. Die wissenschaftliche Bildung, wie man sie mit Recht vou einem Maun der höhern Stäude fordert, besitzen übrigens fast alle Officiere, Dank den strengen und ganz unparteiischen Examen, die alle ohne Ausnahme machen müssen. Der junge Mann, der auf Avancement dienen will, muß bei seinem Eintritt als Gemeiner ein Examen machen, ein zweites, nicht ganz leichtes, vor seiner Ernennung zum Unterofficier und Portepeefähudrich wornach er 0 — 12 Mouate die Divisiouöschule besucht und sich so zum Officiers- examen vorbereitet. Diese Examina sind in letzter Zeit noch verschärft worden. Deshalb sind die Officiersstellen nicht Versorguugsaustalten für alle dummen oder faulen vornehmen jungen Leute, wie es in andern Staaten noch sehr der Fall ist. Sehr viele Officiere erhält das Heer ans dem großen Berliner Ca- dcttenhauS und deu Vorbereituugsschuleu zu Potsdam, Kulm und Beurath. Je nach dem Grad ihres Austrittsexamcns treten die Cadetten, größtentheils Offi- cierssöhne, als Unterofficiere oder Fähudriche, ja einzelne wenige sogar, schon nach überstandenem Lientenantsexamen in die Armee ein. Als höhere Bildungs- schule für Officiere, die in den Generalstab treten oder sich sonst hervorthun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/474>, abgerufen am 22.07.2024.