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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Eiderdammes ein fürchterliches Gekrach allen Kanonendonner übertäubte, und
gleichzeitig eine gelbe Lichtmasse zum Himmel hoch aufloderte und, wie ein Blitz,
Alles mit einem Lichtstrahl übergoß. Helle glänzende Wolken dauerten auch uoch
über den Moment hinaus, und bewiesen, daß dieMrscheinuug nicht ein bloßes
Spiel der aufgeregten Nerven war. "Signal zu neuem Augriff", lautete die
Autwort Einiger, zumal gleich darauf ein Hurrah von jener Seite ertönte, von
dem wir noch nicht unterscheiden konnten, ob deutsche oder dänische Kehlen es
ausstießen. Ein alter kriegserfahrener Sergeant belehrte, es sei eine entzündete
Mine oder ein ausgeflogener Pulverwagen gewesen. Bald sahen wir auch, daß
das Hurrah vou deu Dänen stammte, die deu Augenblick zu einem Ausfall
benutzen wollten, jedoch eilig zurückgehen mußten.

Und als es nun immer stiller und stiller wurde, da ward eS uus in dem
feuchten sumpfigen Grase ungemütlich. Wir Alle waren bei deu schlüpfrigen
Uebergängen in's Wasser gefallen oder beim Brückenbau freiwillig hinein¬
gesprungen, hatten darauf in der kalten Octobernacht stundenlang in den durch¬
näßten Kleidern gelegen, und fühlten jetzt, wo die Aufregung nachließ, eisige
Erstarrung. Da wir in unsrer Position bei dem allgemein abgebrochenen Kampfe
nichts mehr zu nützen glaubten, auch unsere Nachbarn, die Jäger des anderen
Corps, zurückgegangen waren, so beschlossen wir auch aufzubrechen, zumal da sich
das Gewissen wegen des eigenmächtigen Zurückbleibens regte, und ein längeres
Zögern unverantwortlich erschien. Nach der Schanze, wo wir den Tag über
gewesen waren, richteten wir unseren Weg und hofften dort über unsere Jäger¬
abtheilung Auskunft zu erhalten. Dort aber fanden wir nur mürrische Gesichter
der höheren Officiere, die, unzufrieden mit dem Resultat des Abends, dies dem
Benehmen der braven Truppen zuzuschreiben schienen, während es doch in der
Unmöglichkeit lag, solche Aufgabe mit ungenügenden Mitteln zu lösen, und das
von dem, welcher die Verhältnisse kannte, vorausgesehen werden mußte. Lange
irrten wir umher, um unsere Kameraden zu finden, und trafen dabei auf manche
schreckliche Scenen, die uns die Gräuel des Kriegs in einer neuen Form vor die
Augen führten. In einem uicht weit vou der Schauze belegenen Chausseehauö
war der Verbaudplatz eiuer Brigade. Dichte Gruppen vou Leuten, die alle
mögliche Arten von leichteren Verwundungen davongetragen hatten, standen und
lagen umher und suchten zuerst den Eingang zu erreichen, andere, die oft gräßlich
verstümmelt waren und die schrecklichsten Jammertöne ausstießen, wurden von
allen Seiten heran getragen, um hier den ersten Verband zu erhalten. Die
Bataillone kamen hier vorbeigezogen, um im Dorfe die Ruhe aufzusuchen; aber
wie waren sie zusammengeschmolzen, und vor Allem wie viele Officiere hatte
wieder diese Nacht weggerafft! Und doch, wie die Hoffnung immer noch einen
- Anhaltpunkt findet, so glaubten Viele, es sei nur ein augenblicklicher Rückgang,
gegen Morgen werde man wieder angreifen und sich dann für diese Niederlage


Eiderdammes ein fürchterliches Gekrach allen Kanonendonner übertäubte, und
gleichzeitig eine gelbe Lichtmasse zum Himmel hoch aufloderte und, wie ein Blitz,
Alles mit einem Lichtstrahl übergoß. Helle glänzende Wolken dauerten auch uoch
über den Moment hinaus, und bewiesen, daß dieMrscheinuug nicht ein bloßes
Spiel der aufgeregten Nerven war. „Signal zu neuem Augriff", lautete die
Autwort Einiger, zumal gleich darauf ein Hurrah von jener Seite ertönte, von
dem wir noch nicht unterscheiden konnten, ob deutsche oder dänische Kehlen es
ausstießen. Ein alter kriegserfahrener Sergeant belehrte, es sei eine entzündete
Mine oder ein ausgeflogener Pulverwagen gewesen. Bald sahen wir auch, daß
das Hurrah vou deu Dänen stammte, die deu Augenblick zu einem Ausfall
benutzen wollten, jedoch eilig zurückgehen mußten.

Und als es nun immer stiller und stiller wurde, da ward eS uus in dem
feuchten sumpfigen Grase ungemütlich. Wir Alle waren bei deu schlüpfrigen
Uebergängen in's Wasser gefallen oder beim Brückenbau freiwillig hinein¬
gesprungen, hatten darauf in der kalten Octobernacht stundenlang in den durch¬
näßten Kleidern gelegen, und fühlten jetzt, wo die Aufregung nachließ, eisige
Erstarrung. Da wir in unsrer Position bei dem allgemein abgebrochenen Kampfe
nichts mehr zu nützen glaubten, auch unsere Nachbarn, die Jäger des anderen
Corps, zurückgegangen waren, so beschlossen wir auch aufzubrechen, zumal da sich
das Gewissen wegen des eigenmächtigen Zurückbleibens regte, und ein längeres
Zögern unverantwortlich erschien. Nach der Schanze, wo wir den Tag über
gewesen waren, richteten wir unseren Weg und hofften dort über unsere Jäger¬
abtheilung Auskunft zu erhalten. Dort aber fanden wir nur mürrische Gesichter
der höheren Officiere, die, unzufrieden mit dem Resultat des Abends, dies dem
Benehmen der braven Truppen zuzuschreiben schienen, während es doch in der
Unmöglichkeit lag, solche Aufgabe mit ungenügenden Mitteln zu lösen, und das
von dem, welcher die Verhältnisse kannte, vorausgesehen werden mußte. Lange
irrten wir umher, um unsere Kameraden zu finden, und trafen dabei auf manche
schreckliche Scenen, die uns die Gräuel des Kriegs in einer neuen Form vor die
Augen führten. In einem uicht weit vou der Schauze belegenen Chausseehauö
war der Verbaudplatz eiuer Brigade. Dichte Gruppen vou Leuten, die alle
mögliche Arten von leichteren Verwundungen davongetragen hatten, standen und
lagen umher und suchten zuerst den Eingang zu erreichen, andere, die oft gräßlich
verstümmelt waren und die schrecklichsten Jammertöne ausstießen, wurden von
allen Seiten heran getragen, um hier den ersten Verband zu erhalten. Die
Bataillone kamen hier vorbeigezogen, um im Dorfe die Ruhe aufzusuchen; aber
wie waren sie zusammengeschmolzen, und vor Allem wie viele Officiere hatte
wieder diese Nacht weggerafft! Und doch, wie die Hoffnung immer noch einen
- Anhaltpunkt findet, so glaubten Viele, es sei nur ein augenblicklicher Rückgang,
gegen Morgen werde man wieder angreifen und sich dann für diese Niederlage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/468>, abgerufen am 22.07.2024.