Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

über den unsere Balken nicht reichten. Vergebens irrten wir daran nunder, alle
Versuche scheiterten. - Da halfen uns Plänkler eines anderen Iägerscorps aus
der Noth, die von dem Thrcenedeich ans vorgegangen waren und uun mit unse¬
rem rechten Flügel in Verbindung traten. Durch einen breiten Quergraben von
uns geschieden, reichten sie, die reichlich mit Brückenmaterial versehen waren, uns eine
große portative Brücke zu, auf welcher der Uebergang gelang. Rasch ging es
weiter vor, und eben sammelten wir uns an einem neuen Graben, da prasselte
mit einem Male eine Kartatschensalve und ein heftiges Kleingewehrfeuer auf uns
los und nöthigte uus Halt zu machen. Der Feind hatte uns in der erleuchteten
Gegend herankommen sehen, nud als wir, ohne es zu merken, den mehr im Schat¬
ten liegenden Schanzen und Blockhäusern ganz nahe gekommen waren, sprühten
von zwei Seiten die feindlichen Geschosse auf uns ein, die wohlweislich seit eini¬
ger Zeit ihr Feuer uach uuserer Seite hin eingestellt hatten.

Im Moment lagen wir ans der Erde; allein die ängstlichen Klagetöne, das
heisere krampfhafte Auflachen, das sich aus unserem Haufen erhob, zeigte, daß
des Feindes List geglückt sei, und daß manchen von uns sein Schicksal erreicht
hatte. Der augenblickliche Schreck währte uicht lange; bald knackten unsere Hähne
und schössen die Büchsen munter drauf los, freilich ohne gerade ein anderes
Ziel zu haben, als das Feuer der feindlichen Schüsse. Doch ein längeres Ver¬
weilen konnte hier nichts nützen, ein Vorwärtsgehen war unmöglich, da unter die¬
sen Umständen der Uebergang über den nächsten Graben nicht zu bewerkstelligen
war, und deshalb erfolgte, zumal da das feindliche Feuer jeden Augenblick neue
Opfer forderte, sehr bald der Befehl zum Retiriren. Das ist immer schwer für
den ordentlichen Soldaten; hier war es aber doppelt schwer, da man zunächst
die schöne gedeckte Lage im Grase aufgeben sollte, um dem feindlichen Feuer aus¬
gesetzt zu sein. DaS schwierigste war, die vielen Verwundeten mit fortzuschaffen
und über die Gräben zu bringen; dazu gehörte eine große Aufopferungsfähigkeit
und viel Muth. Dennoch fanden Alle ihre Samariter, die man mit Recht so
nennen kann, da fast nur die so viel geschmähten Freiwilligen dies Liebeswerk
verrichteten. Man hat vielfach gesagt, Deutschland habe diesmal seinen Ab¬
schaum hierher gesandt, fast alle Freiwillige seien nur wegen des Werbegeldes ge¬
kommen, verdürben die Disciplin, seien feig im Feuer und dergleichen mehr, und
anch Schreiber dieses kaun nicht leugnen, daß er nicht immer gut von ihnen ge¬
dacht hat. Aber diesen Abend hat er es Allen abgebeten, als er sah, wie sie den
ganzen Abend das vorwärtstreibende Element waren, wie sie beim Brückenbau,
während der phlegmatische Schleswig-Holsteiner Gewehr beim Fuß das Resultat
abwartete, trotz Kngelpfeifeu und Kartätschengeprassel bis an den Leib in das
Wasser gingen und sich die Hände wund arbeiteten, und wie sie endlich jetzt Allein
die Krone aufsetzten durch ihr aufopferndes Wegtrageu der Verwundeten, das
bei den schwierigen Grabenübergängen nur mit großer Anstrengung, langem Auf-


über den unsere Balken nicht reichten. Vergebens irrten wir daran nunder, alle
Versuche scheiterten. - Da halfen uns Plänkler eines anderen Iägerscorps aus
der Noth, die von dem Thrcenedeich ans vorgegangen waren und uun mit unse¬
rem rechten Flügel in Verbindung traten. Durch einen breiten Quergraben von
uns geschieden, reichten sie, die reichlich mit Brückenmaterial versehen waren, uns eine
große portative Brücke zu, auf welcher der Uebergang gelang. Rasch ging es
weiter vor, und eben sammelten wir uns an einem neuen Graben, da prasselte
mit einem Male eine Kartatschensalve und ein heftiges Kleingewehrfeuer auf uns
los und nöthigte uus Halt zu machen. Der Feind hatte uns in der erleuchteten
Gegend herankommen sehen, nud als wir, ohne es zu merken, den mehr im Schat¬
ten liegenden Schanzen und Blockhäusern ganz nahe gekommen waren, sprühten
von zwei Seiten die feindlichen Geschosse auf uns ein, die wohlweislich seit eini¬
ger Zeit ihr Feuer uach uuserer Seite hin eingestellt hatten.

Im Moment lagen wir ans der Erde; allein die ängstlichen Klagetöne, das
heisere krampfhafte Auflachen, das sich aus unserem Haufen erhob, zeigte, daß
des Feindes List geglückt sei, und daß manchen von uns sein Schicksal erreicht
hatte. Der augenblickliche Schreck währte uicht lange; bald knackten unsere Hähne
und schössen die Büchsen munter drauf los, freilich ohne gerade ein anderes
Ziel zu haben, als das Feuer der feindlichen Schüsse. Doch ein längeres Ver¬
weilen konnte hier nichts nützen, ein Vorwärtsgehen war unmöglich, da unter die¬
sen Umständen der Uebergang über den nächsten Graben nicht zu bewerkstelligen
war, und deshalb erfolgte, zumal da das feindliche Feuer jeden Augenblick neue
Opfer forderte, sehr bald der Befehl zum Retiriren. Das ist immer schwer für
den ordentlichen Soldaten; hier war es aber doppelt schwer, da man zunächst
die schöne gedeckte Lage im Grase aufgeben sollte, um dem feindlichen Feuer aus¬
gesetzt zu sein. DaS schwierigste war, die vielen Verwundeten mit fortzuschaffen
und über die Gräben zu bringen; dazu gehörte eine große Aufopferungsfähigkeit
und viel Muth. Dennoch fanden Alle ihre Samariter, die man mit Recht so
nennen kann, da fast nur die so viel geschmähten Freiwilligen dies Liebeswerk
verrichteten. Man hat vielfach gesagt, Deutschland habe diesmal seinen Ab¬
schaum hierher gesandt, fast alle Freiwillige seien nur wegen des Werbegeldes ge¬
kommen, verdürben die Disciplin, seien feig im Feuer und dergleichen mehr, und
anch Schreiber dieses kaun nicht leugnen, daß er nicht immer gut von ihnen ge¬
dacht hat. Aber diesen Abend hat er es Allen abgebeten, als er sah, wie sie den
ganzen Abend das vorwärtstreibende Element waren, wie sie beim Brückenbau,
während der phlegmatische Schleswig-Holsteiner Gewehr beim Fuß das Resultat
abwartete, trotz Kngelpfeifeu und Kartätschengeprassel bis an den Leib in das
Wasser gingen und sich die Hände wund arbeiteten, und wie sie endlich jetzt Allein
die Krone aufsetzten durch ihr aufopferndes Wegtrageu der Verwundeten, das
bei den schwierigen Grabenübergängen nur mit großer Anstrengung, langem Auf-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92755"/>
          <p xml:id="ID_1507" prev="#ID_1506"> über den unsere Balken nicht reichten. Vergebens irrten wir daran nunder, alle<lb/>
Versuche scheiterten. - Da halfen uns Plänkler eines anderen Iägerscorps aus<lb/>
der Noth, die von dem Thrcenedeich ans vorgegangen waren und uun mit unse¬<lb/>
rem rechten Flügel in Verbindung traten. Durch einen breiten Quergraben von<lb/>
uns geschieden, reichten sie, die reichlich mit Brückenmaterial versehen waren, uns eine<lb/>
große portative Brücke zu, auf welcher der Uebergang gelang. Rasch ging es<lb/>
weiter vor, und eben sammelten wir uns an einem neuen Graben, da prasselte<lb/>
mit einem Male eine Kartatschensalve und ein heftiges Kleingewehrfeuer auf uns<lb/>
los und nöthigte uus Halt zu machen. Der Feind hatte uns in der erleuchteten<lb/>
Gegend herankommen sehen, nud als wir, ohne es zu merken, den mehr im Schat¬<lb/>
ten liegenden Schanzen und Blockhäusern ganz nahe gekommen waren, sprühten<lb/>
von zwei Seiten die feindlichen Geschosse auf uns ein, die wohlweislich seit eini¬<lb/>
ger Zeit ihr Feuer uach uuserer Seite hin eingestellt hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1508" next="#ID_1509"> Im Moment lagen wir ans der Erde; allein die ängstlichen Klagetöne, das<lb/>
heisere krampfhafte Auflachen, das sich aus unserem Haufen erhob, zeigte, daß<lb/>
des Feindes List geglückt sei, und daß manchen von uns sein Schicksal erreicht<lb/>
hatte. Der augenblickliche Schreck währte uicht lange; bald knackten unsere Hähne<lb/>
und schössen die Büchsen munter drauf los, freilich ohne gerade ein anderes<lb/>
Ziel zu haben, als das Feuer der feindlichen Schüsse. Doch ein längeres Ver¬<lb/>
weilen konnte hier nichts nützen, ein Vorwärtsgehen war unmöglich, da unter die¬<lb/>
sen Umständen der Uebergang über den nächsten Graben nicht zu bewerkstelligen<lb/>
war, und deshalb erfolgte, zumal da das feindliche Feuer jeden Augenblick neue<lb/>
Opfer forderte, sehr bald der Befehl zum Retiriren. Das ist immer schwer für<lb/>
den ordentlichen Soldaten; hier war es aber doppelt schwer, da man zunächst<lb/>
die schöne gedeckte Lage im Grase aufgeben sollte, um dem feindlichen Feuer aus¬<lb/>
gesetzt zu sein. DaS schwierigste war, die vielen Verwundeten mit fortzuschaffen<lb/>
und über die Gräben zu bringen; dazu gehörte eine große Aufopferungsfähigkeit<lb/>
und viel Muth. Dennoch fanden Alle ihre Samariter, die man mit Recht so<lb/>
nennen kann, da fast nur die so viel geschmähten Freiwilligen dies Liebeswerk<lb/>
verrichteten. Man hat vielfach gesagt, Deutschland habe diesmal seinen Ab¬<lb/>
schaum hierher gesandt, fast alle Freiwillige seien nur wegen des Werbegeldes ge¬<lb/>
kommen, verdürben die Disciplin, seien feig im Feuer und dergleichen mehr, und<lb/>
anch Schreiber dieses kaun nicht leugnen, daß er nicht immer gut von ihnen ge¬<lb/>
dacht hat. Aber diesen Abend hat er es Allen abgebeten, als er sah, wie sie den<lb/>
ganzen Abend das vorwärtstreibende Element waren, wie sie beim Brückenbau,<lb/>
während der phlegmatische Schleswig-Holsteiner Gewehr beim Fuß das Resultat<lb/>
abwartete, trotz Kngelpfeifeu und Kartätschengeprassel bis an den Leib in das<lb/>
Wasser gingen und sich die Hände wund arbeiteten, und wie sie endlich jetzt Allein<lb/>
die Krone aufsetzten durch ihr aufopferndes Wegtrageu der Verwundeten, das<lb/>
bei den schwierigen Grabenübergängen nur mit großer Anstrengung, langem Auf-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0466] über den unsere Balken nicht reichten. Vergebens irrten wir daran nunder, alle Versuche scheiterten. - Da halfen uns Plänkler eines anderen Iägerscorps aus der Noth, die von dem Thrcenedeich ans vorgegangen waren und uun mit unse¬ rem rechten Flügel in Verbindung traten. Durch einen breiten Quergraben von uns geschieden, reichten sie, die reichlich mit Brückenmaterial versehen waren, uns eine große portative Brücke zu, auf welcher der Uebergang gelang. Rasch ging es weiter vor, und eben sammelten wir uns an einem neuen Graben, da prasselte mit einem Male eine Kartatschensalve und ein heftiges Kleingewehrfeuer auf uns los und nöthigte uus Halt zu machen. Der Feind hatte uns in der erleuchteten Gegend herankommen sehen, nud als wir, ohne es zu merken, den mehr im Schat¬ ten liegenden Schanzen und Blockhäusern ganz nahe gekommen waren, sprühten von zwei Seiten die feindlichen Geschosse auf uns ein, die wohlweislich seit eini¬ ger Zeit ihr Feuer uach uuserer Seite hin eingestellt hatten. Im Moment lagen wir ans der Erde; allein die ängstlichen Klagetöne, das heisere krampfhafte Auflachen, das sich aus unserem Haufen erhob, zeigte, daß des Feindes List geglückt sei, und daß manchen von uns sein Schicksal erreicht hatte. Der augenblickliche Schreck währte uicht lange; bald knackten unsere Hähne und schössen die Büchsen munter drauf los, freilich ohne gerade ein anderes Ziel zu haben, als das Feuer der feindlichen Schüsse. Doch ein längeres Ver¬ weilen konnte hier nichts nützen, ein Vorwärtsgehen war unmöglich, da unter die¬ sen Umständen der Uebergang über den nächsten Graben nicht zu bewerkstelligen war, und deshalb erfolgte, zumal da das feindliche Feuer jeden Augenblick neue Opfer forderte, sehr bald der Befehl zum Retiriren. Das ist immer schwer für den ordentlichen Soldaten; hier war es aber doppelt schwer, da man zunächst die schöne gedeckte Lage im Grase aufgeben sollte, um dem feindlichen Feuer aus¬ gesetzt zu sein. DaS schwierigste war, die vielen Verwundeten mit fortzuschaffen und über die Gräben zu bringen; dazu gehörte eine große Aufopferungsfähigkeit und viel Muth. Dennoch fanden Alle ihre Samariter, die man mit Recht so nennen kann, da fast nur die so viel geschmähten Freiwilligen dies Liebeswerk verrichteten. Man hat vielfach gesagt, Deutschland habe diesmal seinen Ab¬ schaum hierher gesandt, fast alle Freiwillige seien nur wegen des Werbegeldes ge¬ kommen, verdürben die Disciplin, seien feig im Feuer und dergleichen mehr, und anch Schreiber dieses kaun nicht leugnen, daß er nicht immer gut von ihnen ge¬ dacht hat. Aber diesen Abend hat er es Allen abgebeten, als er sah, wie sie den ganzen Abend das vorwärtstreibende Element waren, wie sie beim Brückenbau, während der phlegmatische Schleswig-Holsteiner Gewehr beim Fuß das Resultat abwartete, trotz Kngelpfeifeu und Kartätschengeprassel bis an den Leib in das Wasser gingen und sich die Hände wund arbeiteten, und wie sie endlich jetzt Allein die Krone aufsetzten durch ihr aufopferndes Wegtrageu der Verwundeten, das bei den schwierigen Grabenübergängen nur mit großer Anstrengung, langem Auf-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/466
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/466>, abgerufen am 25.08.2024.