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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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arbeiten verwandt. Gegen Morgen erst wurden wir aus dem Schlummer, den
wir in den wunderbarsten Stellungen, da das Quartier für die vielen Leute uur
wenig Platz bot, gesucht hatten, durch deu Befehl geweckt, sofort die Feldwachen
in den äußersten Schanzen vor Friedrichstadt zu beziehen. Dies sollte vor Tages¬
anbruch ausgeführt werden, allein manche Umstände verzögerten den Abmarsch, und
es war Heller Morgen, als wir in der Nähe dieser Schanzen ankamen. Zwischen
Seeth und Friedrichstadt ist lauter Marschland, also eine ganz ebene Fläche, meist
als Grasland zu Viehweiden benutzt, weniges für Körncrban bestellt. Tiefe und
breite Gräben durchschneiden die Felder und umgeben jedes Laudstück nach allen
Seiten hin, theils um zu entwässeru, theils um das Vieh, welches dort weidet,
einschließen. Zu einigen Feldern, namentlich den für den Kornban, führen
Uebergänge, welche mit Thoren verschlossen siud, zu deu audern dagegen kann
man nur mit Hilfe des von allen Landbewohnern geführten langen Springstocks
gelangen, oder es müssen eigene Brücken gebaut werdeu, was auch geschieht, so
oft das Vieh im Frühjahr ausgetrieben wird, ebenso wenn es im Herbste als
"fettes" diese seine Hochschule wieder verläßt. Gegen die Ueberschwemmung der
aufgestauten Treeue war dies Land dnrch den hohen Treenedeich geschützt, den zu
durchstechen die Dänen sich gehütet hatten, da sonst auch Friedrichstadt über¬
schwemmt wäre. Nach links begrenzt der hohe Eiderdeich diese Fläche. Dnrcd-
schuitten wird sie in der Mitte durch die auf ungefähr 20 Fuß hohem Damm
gebaute Chaussee, welche vou Seeth uach Friedrichstadt führt. Auf dieser war
ungefähr 80t) Schritt vou dem großen dänischen Blockhanse, welches unmittelbar
vor den letzten Häusern Friedrichstadts lag, eine Artillerieschanze von Sandsäcken
gebaut, in welche grade, als wir dort ankamen, zwei große Z^Pfüuder geführt
wurden. In einem kleinen Auswurf vor und an beiden Seiten dieser Schanze
wurden wir postirt, um sie gegen einen Augriff zu schützen. Kleine Schanzen,
die in einem weiten Bogen bis 300 Schritt an die Stadt sich heranzogen, wur¬
den mit einzelnen Sectionen besetzt. Unbekannt mit der Lage und Nähe der
feindlichen Schanzen marschirten wir in geschlossener Colonne ans der durchaus
ungedeckten Chaussee an unsern Bestimmungsort, wo die ängstlichen Gesichter der
von uus abgclös'den Mannschaften uus zeigten, in welcher Gefahr wir uns befanden.
In kleinen Abtheilungen gingen diese über die gefährlichen Stellen zurück, und
dennoch begannen die Dänen, die während unseres Marsches geschlafen haben
mußten, ein furchtbares Geschützfeuer gegen die Letzten, das jetzt die Einzelnen
nicht mehr erreichte, währeud wenige solcher Schüsse unsere Colonne vernichtet
haben würden. Hinter unseren kleinen Schanzen lagen wir behaglich und schauten
dem Spiel der Kugeln zu, die auf der Chaussee aufschlugen oder sich rechts und
links in deu festen Boden einwühlten; anch das ängstliche Gefühl, das man ans
den Gesichtern unserer Neulinge las, wenn die Kugeln dicht über unsere kleinen
Schanzen wegsausten, verlor sich bald. Das im Anfang streng beobachtete Gebot,


arbeiten verwandt. Gegen Morgen erst wurden wir aus dem Schlummer, den
wir in den wunderbarsten Stellungen, da das Quartier für die vielen Leute uur
wenig Platz bot, gesucht hatten, durch deu Befehl geweckt, sofort die Feldwachen
in den äußersten Schanzen vor Friedrichstadt zu beziehen. Dies sollte vor Tages¬
anbruch ausgeführt werden, allein manche Umstände verzögerten den Abmarsch, und
es war Heller Morgen, als wir in der Nähe dieser Schanzen ankamen. Zwischen
Seeth und Friedrichstadt ist lauter Marschland, also eine ganz ebene Fläche, meist
als Grasland zu Viehweiden benutzt, weniges für Körncrban bestellt. Tiefe und
breite Gräben durchschneiden die Felder und umgeben jedes Laudstück nach allen
Seiten hin, theils um zu entwässeru, theils um das Vieh, welches dort weidet,
einschließen. Zu einigen Feldern, namentlich den für den Kornban, führen
Uebergänge, welche mit Thoren verschlossen siud, zu deu audern dagegen kann
man nur mit Hilfe des von allen Landbewohnern geführten langen Springstocks
gelangen, oder es müssen eigene Brücken gebaut werdeu, was auch geschieht, so
oft das Vieh im Frühjahr ausgetrieben wird, ebenso wenn es im Herbste als
„fettes" diese seine Hochschule wieder verläßt. Gegen die Ueberschwemmung der
aufgestauten Treeue war dies Land dnrch den hohen Treenedeich geschützt, den zu
durchstechen die Dänen sich gehütet hatten, da sonst auch Friedrichstadt über¬
schwemmt wäre. Nach links begrenzt der hohe Eiderdeich diese Fläche. Dnrcd-
schuitten wird sie in der Mitte durch die auf ungefähr 20 Fuß hohem Damm
gebaute Chaussee, welche vou Seeth uach Friedrichstadt führt. Auf dieser war
ungefähr 80t) Schritt vou dem großen dänischen Blockhanse, welches unmittelbar
vor den letzten Häusern Friedrichstadts lag, eine Artillerieschanze von Sandsäcken
gebaut, in welche grade, als wir dort ankamen, zwei große Z^Pfüuder geführt
wurden. In einem kleinen Auswurf vor und an beiden Seiten dieser Schanze
wurden wir postirt, um sie gegen einen Augriff zu schützen. Kleine Schanzen,
die in einem weiten Bogen bis 300 Schritt an die Stadt sich heranzogen, wur¬
den mit einzelnen Sectionen besetzt. Unbekannt mit der Lage und Nähe der
feindlichen Schanzen marschirten wir in geschlossener Colonne ans der durchaus
ungedeckten Chaussee an unsern Bestimmungsort, wo die ängstlichen Gesichter der
von uus abgclös'den Mannschaften uus zeigten, in welcher Gefahr wir uns befanden.
In kleinen Abtheilungen gingen diese über die gefährlichen Stellen zurück, und
dennoch begannen die Dänen, die während unseres Marsches geschlafen haben
mußten, ein furchtbares Geschützfeuer gegen die Letzten, das jetzt die Einzelnen
nicht mehr erreichte, währeud wenige solcher Schüsse unsere Colonne vernichtet
haben würden. Hinter unseren kleinen Schanzen lagen wir behaglich und schauten
dem Spiel der Kugeln zu, die auf der Chaussee aufschlugen oder sich rechts und
links in deu festen Boden einwühlten; anch das ängstliche Gefühl, das man ans
den Gesichtern unserer Neulinge las, wenn die Kugeln dicht über unsere kleinen
Schanzen wegsausten, verlor sich bald. Das im Anfang streng beobachtete Gebot,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/460>, abgerufen am 22.07.2024.