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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Ziegelöfen an; sie leiteten Canäle, regelten den Lauf der Wässer, bauten in
Gegenden, die, wie das Moselland, reich an Marmor, Sägemühlen zum Schneiden
des Gesteins; kein heilkräftiges Wasser, kein warmer Quell, so erwünscht dem
verwöhnten Südländer, verbarg sich ihnen; von Aachen bis Wiesbaden, von
Baden-Baden bis nach Baden in der Schweiz, von Partenkirch (Parthanum) in
den rhätischen Alpen bis Baden bei Wien hinab, benutzten sie nicht allein diese
Gabe einer reichen Natur; sie sammelten die Wässer in köstliche Becken, über¬
bauten die Brunnen mit zierlichen Hallen und Sälen, schmückten sie mit Bild¬
werken und Inschriften, dergleichen die Nachwelt uoch jetzt staunend ausgräbt.

In diesen Städten war schon die christliche Kirche, welche seit dem zweiten
Jahrhundert bei ihnen unmerklich sich festgesetzt hatte. Sei es, daß römische Kauf¬
leute, welche überall den Heeren auf dem Fuße folgten, oder die Legionen, die
zwischen Morgen- und Abendlande hin- und Herzogen, diese geistigste Verbindung
vermittelten; wie z. B. die Legion, welche unter Titus Jerusalem zerstören half,
gleich darauf hunderte von Jahren hindurch ihr Standlager bei und in Mainz
erhielt: Christen und Juden siudeu sich früh in den Rheinstädten, und grün¬
deten früh kleine Gemeinden, bis uuter Constantin die neue Religion die Herr¬
schaft gewann und zumal des Kaisers fromme Mutter, Helena, glanzvolle Kirchen
in Trier stiftete."

Da kam die Völkerwanderung mit ihren Schrecken, warf die Tempel und
Bildsäulen der Römerstädte in Deutschland in Trümmer und verwandelte blühende
Landstriche in Einöden. Die Römlinge in den Städten wurden erschlagen oder
in Sklaverei geführt, rohe Germanenhanfen zogen ruhelos über die rauchenden
Steine; uicht lange und der Fuchs und der Eber trabten über die Schutthaufen
mancher glänzenden Stadt, und der Nordwind warf Kiefernsamen darauf, bis
vielleicht ein wildes Gehölz über dem Grabe römischer Bürger aufschoß. Damals
sank das Capitol und die glänzenden Säulenhallen der Augusta Vindelicorum
(Augsburgs); es zerborst das Castell des uralten Mainz, das einst eine Celten¬
stadt gewesen, dann von den römischen Christen das "goldene" genannt worden
war; -- Colonia, die mächtige Hauptstadt Niedergermaniens, oft der Wohnsitz
römischer Kaiser, sah über seine steinerne Rheinbrücke die Horden der Würger
hereinbrechen. -- Deutschland schien wieder zu werdeu, was es vor der Zeit der
Cimbern gewesen war, eine schweigende Waldwüste, in welcher zersprengte Wan¬
derstämme den Hirsch und Wolf jagten. Auf dem römischen Colonienland saß der
Franke, der Burgunder, was sich damals Alamane und Sveve nannte, und
Neste vou vielen andern Stämmen. Wir haben dnrch Gregor von Tours die
Schilderung eines solchen fränkischen Edelsitzes in der Moselgegend, zwischeu-
500 und 600 nach Chr.

"Der "Barbarns" haust in einem festen Gehöfte, dessen Pforten zur Nach t
zeit mit hölzernen Keilen verriegelt werden -- den Gebrauch des Schlosses hatten


Grcnzvotett. IV. 18S0. 118

Ziegelöfen an; sie leiteten Canäle, regelten den Lauf der Wässer, bauten in
Gegenden, die, wie das Moselland, reich an Marmor, Sägemühlen zum Schneiden
des Gesteins; kein heilkräftiges Wasser, kein warmer Quell, so erwünscht dem
verwöhnten Südländer, verbarg sich ihnen; von Aachen bis Wiesbaden, von
Baden-Baden bis nach Baden in der Schweiz, von Partenkirch (Parthanum) in
den rhätischen Alpen bis Baden bei Wien hinab, benutzten sie nicht allein diese
Gabe einer reichen Natur; sie sammelten die Wässer in köstliche Becken, über¬
bauten die Brunnen mit zierlichen Hallen und Sälen, schmückten sie mit Bild¬
werken und Inschriften, dergleichen die Nachwelt uoch jetzt staunend ausgräbt.

In diesen Städten war schon die christliche Kirche, welche seit dem zweiten
Jahrhundert bei ihnen unmerklich sich festgesetzt hatte. Sei es, daß römische Kauf¬
leute, welche überall den Heeren auf dem Fuße folgten, oder die Legionen, die
zwischen Morgen- und Abendlande hin- und Herzogen, diese geistigste Verbindung
vermittelten; wie z. B. die Legion, welche unter Titus Jerusalem zerstören half,
gleich darauf hunderte von Jahren hindurch ihr Standlager bei und in Mainz
erhielt: Christen und Juden siudeu sich früh in den Rheinstädten, und grün¬
deten früh kleine Gemeinden, bis uuter Constantin die neue Religion die Herr¬
schaft gewann und zumal des Kaisers fromme Mutter, Helena, glanzvolle Kirchen
in Trier stiftete."

Da kam die Völkerwanderung mit ihren Schrecken, warf die Tempel und
Bildsäulen der Römerstädte in Deutschland in Trümmer und verwandelte blühende
Landstriche in Einöden. Die Römlinge in den Städten wurden erschlagen oder
in Sklaverei geführt, rohe Germanenhanfen zogen ruhelos über die rauchenden
Steine; uicht lange und der Fuchs und der Eber trabten über die Schutthaufen
mancher glänzenden Stadt, und der Nordwind warf Kiefernsamen darauf, bis
vielleicht ein wildes Gehölz über dem Grabe römischer Bürger aufschoß. Damals
sank das Capitol und die glänzenden Säulenhallen der Augusta Vindelicorum
(Augsburgs); es zerborst das Castell des uralten Mainz, das einst eine Celten¬
stadt gewesen, dann von den römischen Christen das „goldene" genannt worden
war; — Colonia, die mächtige Hauptstadt Niedergermaniens, oft der Wohnsitz
römischer Kaiser, sah über seine steinerne Rheinbrücke die Horden der Würger
hereinbrechen. — Deutschland schien wieder zu werdeu, was es vor der Zeit der
Cimbern gewesen war, eine schweigende Waldwüste, in welcher zersprengte Wan¬
derstämme den Hirsch und Wolf jagten. Auf dem römischen Colonienland saß der
Franke, der Burgunder, was sich damals Alamane und Sveve nannte, und
Neste vou vielen andern Stämmen. Wir haben dnrch Gregor von Tours die
Schilderung eines solchen fränkischen Edelsitzes in der Moselgegend, zwischeu-
500 und 600 nach Chr.

„Der „Barbarns" haust in einem festen Gehöfte, dessen Pforten zur Nach t
zeit mit hölzernen Keilen verriegelt werden — den Gebrauch des Schlosses hatten


Grcnzvotett. IV. 18S0. 118
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[0425] Ziegelöfen an; sie leiteten Canäle, regelten den Lauf der Wässer, bauten in Gegenden, die, wie das Moselland, reich an Marmor, Sägemühlen zum Schneiden des Gesteins; kein heilkräftiges Wasser, kein warmer Quell, so erwünscht dem verwöhnten Südländer, verbarg sich ihnen; von Aachen bis Wiesbaden, von Baden-Baden bis nach Baden in der Schweiz, von Partenkirch (Parthanum) in den rhätischen Alpen bis Baden bei Wien hinab, benutzten sie nicht allein diese Gabe einer reichen Natur; sie sammelten die Wässer in köstliche Becken, über¬ bauten die Brunnen mit zierlichen Hallen und Sälen, schmückten sie mit Bild¬ werken und Inschriften, dergleichen die Nachwelt uoch jetzt staunend ausgräbt. In diesen Städten war schon die christliche Kirche, welche seit dem zweiten Jahrhundert bei ihnen unmerklich sich festgesetzt hatte. Sei es, daß römische Kauf¬ leute, welche überall den Heeren auf dem Fuße folgten, oder die Legionen, die zwischen Morgen- und Abendlande hin- und Herzogen, diese geistigste Verbindung vermittelten; wie z. B. die Legion, welche unter Titus Jerusalem zerstören half, gleich darauf hunderte von Jahren hindurch ihr Standlager bei und in Mainz erhielt: Christen und Juden siudeu sich früh in den Rheinstädten, und grün¬ deten früh kleine Gemeinden, bis uuter Constantin die neue Religion die Herr¬ schaft gewann und zumal des Kaisers fromme Mutter, Helena, glanzvolle Kirchen in Trier stiftete." Da kam die Völkerwanderung mit ihren Schrecken, warf die Tempel und Bildsäulen der Römerstädte in Deutschland in Trümmer und verwandelte blühende Landstriche in Einöden. Die Römlinge in den Städten wurden erschlagen oder in Sklaverei geführt, rohe Germanenhanfen zogen ruhelos über die rauchenden Steine; uicht lange und der Fuchs und der Eber trabten über die Schutthaufen mancher glänzenden Stadt, und der Nordwind warf Kiefernsamen darauf, bis vielleicht ein wildes Gehölz über dem Grabe römischer Bürger aufschoß. Damals sank das Capitol und die glänzenden Säulenhallen der Augusta Vindelicorum (Augsburgs); es zerborst das Castell des uralten Mainz, das einst eine Celten¬ stadt gewesen, dann von den römischen Christen das „goldene" genannt worden war; — Colonia, die mächtige Hauptstadt Niedergermaniens, oft der Wohnsitz römischer Kaiser, sah über seine steinerne Rheinbrücke die Horden der Würger hereinbrechen. — Deutschland schien wieder zu werdeu, was es vor der Zeit der Cimbern gewesen war, eine schweigende Waldwüste, in welcher zersprengte Wan¬ derstämme den Hirsch und Wolf jagten. Auf dem römischen Colonienland saß der Franke, der Burgunder, was sich damals Alamane und Sveve nannte, und Neste vou vielen andern Stämmen. Wir haben dnrch Gregor von Tours die Schilderung eines solchen fränkischen Edelsitzes in der Moselgegend, zwischeu- 500 und 600 nach Chr. „Der „Barbarns" haust in einem festen Gehöfte, dessen Pforten zur Nach t zeit mit hölzernen Keilen verriegelt werden — den Gebrauch des Schlosses hatten Grcnzvotett. IV. 18S0. 118

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/425>, abgerufen am 24.07.2024.