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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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den Thron bestieg, war diese Revolution schon vollendet, ohne daß man es be¬
merkt hatte; und seit dieser Zeit haben die Parlamentsdebatten, trotz des Wort¬
lauts des Gesetzes, nie aufgehört wenigstens im.Auszug veröffentlicht zu werden.
Mail findet sie im (FenUemcm's Uag-a/w<z, im KwntKI^ Uaxa2me und in
Le^el-'s Register, und Männer wie Samuel Johnson, Hawkeöw^res, Guthrie
und selbst der große Burke widmeten ihre Feder dieser wichtigen, aber oft nichts
weniger als angenehmen Arbeit. Als man einmal Lord Chatham aufforderte,
gegen die Presse einzuschreiten, äußerte er: "Nein, die Presse hat ihre maxna
edarw in sich, und Niemandem wird es gelingen, sie zu unterdrücken."

Mitten innen zwischeu dem aristokratischen Element oder dem Elemente der
Stabilität und dem Volköelement, oder dem Elemente des Fortschritts stehend,
wurde die mit der täglichen Veröffentlichung bewaffnete Kritik der Negierung
ebenso nothwendig wie die Opposition. Im Jahre 1760 machte Lord Bude,
ein geistreicher Mann aber schlechter Minister, dem durch seine parlamentarischen
Intriguen in der politischen Geschichte Englands eine Rolle spielenden Doddington,
den Vorschlag zur Begründung eines ministeriellen Journals. Der Plan wurde aus¬
geführt, aber mit solcher Ungeschicklichkeit und Knauserei, daß das mininisterielle
Blatt, das den Titel Ite Li-non führte, nur gerade so lauge bestand, um ein
Oppositionsblatt zur gedeihlichen Blüthe zu bringen. Damals gab es in London
eiuen Maun, der, durch und durch verderbt, mit allen Lastern behaftet, käuflich,
unwissend, feig, ohne Geist, häßlich und bankerott, doch dabei ein politischer
Intriguant sonder Gleichen war, und wie kein Anderer auf die Massen zu wir¬
ken verstand, deun er besaß Tact, aber noch mehr Kühnheit und vor Allem Frech¬
heit; es war der berüchtigte Wilkes. Kaum war der Lriwn Lord Bude's erschie-
nen, so trat er ihm mit einer neuen Zeitung, dem lloi-w Triton, entgegen, des¬
sen Titel schon so gewählt war, um die nationalen Sympathien des englischen Vol¬
kes aufzustacheln. Das ministerielle Blatt verschwand in einem Nu. Der llorw
orion errang den vollständigsten Sieg. Ermuthigt von seinem Glück commen-
tirte Wilkes bald alle Parlamentsreden, und theilte sie sogar vollständig mit, was
bis dahin noch nicht geschehen war. Die alten Gesetze gegen die Veröffentlichung
der Parlamentsdebatten bestanden nur noch der Form nach; Wilkes ließ sich von
ihnen uicht einschüchtern. Er fürchtete weder den Huissier mit dem schwarzen
Stäbe, noch die große Perrücke des LordkanzlcrS und des Richters. Er wußte,
daß alle Parteien ihn unter der Hand unterstützen würden, denn seine Sache
war die Sache Aller, und er hatte richtig gerechnet.

Im Bunde mit Horne Tooke und den Aldermen Oliver und TowShend
trotzte er den Privilegien des Parlaments, und druckte ganz unverkürzt und mit
den vollen Namen der Redner die Debatten des Unterhauses ab. Die Bahn
war gebrochen; audere Herausgeber von Zeitungen folgten dem gegebenen Bei-


den Thron bestieg, war diese Revolution schon vollendet, ohne daß man es be¬
merkt hatte; und seit dieser Zeit haben die Parlamentsdebatten, trotz des Wort¬
lauts des Gesetzes, nie aufgehört wenigstens im.Auszug veröffentlicht zu werden.
Mail findet sie im (FenUemcm's Uag-a/w<z, im KwntKI^ Uaxa2me und in
Le^el-'s Register, und Männer wie Samuel Johnson, Hawkeöw^res, Guthrie
und selbst der große Burke widmeten ihre Feder dieser wichtigen, aber oft nichts
weniger als angenehmen Arbeit. Als man einmal Lord Chatham aufforderte,
gegen die Presse einzuschreiten, äußerte er: „Nein, die Presse hat ihre maxna
edarw in sich, und Niemandem wird es gelingen, sie zu unterdrücken."

Mitten innen zwischeu dem aristokratischen Element oder dem Elemente der
Stabilität und dem Volköelement, oder dem Elemente des Fortschritts stehend,
wurde die mit der täglichen Veröffentlichung bewaffnete Kritik der Negierung
ebenso nothwendig wie die Opposition. Im Jahre 1760 machte Lord Bude,
ein geistreicher Mann aber schlechter Minister, dem durch seine parlamentarischen
Intriguen in der politischen Geschichte Englands eine Rolle spielenden Doddington,
den Vorschlag zur Begründung eines ministeriellen Journals. Der Plan wurde aus¬
geführt, aber mit solcher Ungeschicklichkeit und Knauserei, daß das mininisterielle
Blatt, das den Titel Ite Li-non führte, nur gerade so lauge bestand, um ein
Oppositionsblatt zur gedeihlichen Blüthe zu bringen. Damals gab es in London
eiuen Maun, der, durch und durch verderbt, mit allen Lastern behaftet, käuflich,
unwissend, feig, ohne Geist, häßlich und bankerott, doch dabei ein politischer
Intriguant sonder Gleichen war, und wie kein Anderer auf die Massen zu wir¬
ken verstand, deun er besaß Tact, aber noch mehr Kühnheit und vor Allem Frech¬
heit; es war der berüchtigte Wilkes. Kaum war der Lriwn Lord Bude's erschie-
nen, so trat er ihm mit einer neuen Zeitung, dem lloi-w Triton, entgegen, des¬
sen Titel schon so gewählt war, um die nationalen Sympathien des englischen Vol¬
kes aufzustacheln. Das ministerielle Blatt verschwand in einem Nu. Der llorw
orion errang den vollständigsten Sieg. Ermuthigt von seinem Glück commen-
tirte Wilkes bald alle Parlamentsreden, und theilte sie sogar vollständig mit, was
bis dahin noch nicht geschehen war. Die alten Gesetze gegen die Veröffentlichung
der Parlamentsdebatten bestanden nur noch der Form nach; Wilkes ließ sich von
ihnen uicht einschüchtern. Er fürchtete weder den Huissier mit dem schwarzen
Stäbe, noch die große Perrücke des LordkanzlcrS und des Richters. Er wußte,
daß alle Parteien ihn unter der Hand unterstützen würden, denn seine Sache
war die Sache Aller, und er hatte richtig gerechnet.

Im Bunde mit Horne Tooke und den Aldermen Oliver und TowShend
trotzte er den Privilegien des Parlaments, und druckte ganz unverkürzt und mit
den vollen Namen der Redner die Debatten des Unterhauses ab. Die Bahn
war gebrochen; audere Herausgeber von Zeitungen folgten dem gegebenen Bei-


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[0421] den Thron bestieg, war diese Revolution schon vollendet, ohne daß man es be¬ merkt hatte; und seit dieser Zeit haben die Parlamentsdebatten, trotz des Wort¬ lauts des Gesetzes, nie aufgehört wenigstens im.Auszug veröffentlicht zu werden. Mail findet sie im (FenUemcm's Uag-a/w<z, im KwntKI^ Uaxa2me und in Le^el-'s Register, und Männer wie Samuel Johnson, Hawkeöw^res, Guthrie und selbst der große Burke widmeten ihre Feder dieser wichtigen, aber oft nichts weniger als angenehmen Arbeit. Als man einmal Lord Chatham aufforderte, gegen die Presse einzuschreiten, äußerte er: „Nein, die Presse hat ihre maxna edarw in sich, und Niemandem wird es gelingen, sie zu unterdrücken." Mitten innen zwischeu dem aristokratischen Element oder dem Elemente der Stabilität und dem Volköelement, oder dem Elemente des Fortschritts stehend, wurde die mit der täglichen Veröffentlichung bewaffnete Kritik der Negierung ebenso nothwendig wie die Opposition. Im Jahre 1760 machte Lord Bude, ein geistreicher Mann aber schlechter Minister, dem durch seine parlamentarischen Intriguen in der politischen Geschichte Englands eine Rolle spielenden Doddington, den Vorschlag zur Begründung eines ministeriellen Journals. Der Plan wurde aus¬ geführt, aber mit solcher Ungeschicklichkeit und Knauserei, daß das mininisterielle Blatt, das den Titel Ite Li-non führte, nur gerade so lauge bestand, um ein Oppositionsblatt zur gedeihlichen Blüthe zu bringen. Damals gab es in London eiuen Maun, der, durch und durch verderbt, mit allen Lastern behaftet, käuflich, unwissend, feig, ohne Geist, häßlich und bankerott, doch dabei ein politischer Intriguant sonder Gleichen war, und wie kein Anderer auf die Massen zu wir¬ ken verstand, deun er besaß Tact, aber noch mehr Kühnheit und vor Allem Frech¬ heit; es war der berüchtigte Wilkes. Kaum war der Lriwn Lord Bude's erschie- nen, so trat er ihm mit einer neuen Zeitung, dem lloi-w Triton, entgegen, des¬ sen Titel schon so gewählt war, um die nationalen Sympathien des englischen Vol¬ kes aufzustacheln. Das ministerielle Blatt verschwand in einem Nu. Der llorw orion errang den vollständigsten Sieg. Ermuthigt von seinem Glück commen- tirte Wilkes bald alle Parlamentsreden, und theilte sie sogar vollständig mit, was bis dahin noch nicht geschehen war. Die alten Gesetze gegen die Veröffentlichung der Parlamentsdebatten bestanden nur noch der Form nach; Wilkes ließ sich von ihnen uicht einschüchtern. Er fürchtete weder den Huissier mit dem schwarzen Stäbe, noch die große Perrücke des LordkanzlcrS und des Richters. Er wußte, daß alle Parteien ihn unter der Hand unterstützen würden, denn seine Sache war die Sache Aller, und er hatte richtig gerechnet. Im Bunde mit Horne Tooke und den Aldermen Oliver und TowShend trotzte er den Privilegien des Parlaments, und druckte ganz unverkürzt und mit den vollen Namen der Redner die Debatten des Unterhauses ab. Die Bahn war gebrochen; audere Herausgeber von Zeitungen folgten dem gegebenen Bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/421>, abgerufen am 24.07.2024.