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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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behaupteten, ihre Privilegien würden dadurch verletzt; beide waren Erben der
Macht der Könige und betrachteten sich für so heilig und unverletzlich wie diese.

Die Bemühungen der Negierung und des Parlaments, das Publicum über
ihre 'Verhandlungen im Dunkeln zu lassen, singen .schon frühzeitig an. Schon
unter der Regierung Karl's I. sah sich jeder Zeitungsschreiber, der Bemerkungen
über Parlameutödebatteu, oder, was ein viel schwereres Verbrechen war, Bruch¬
stücke der Debatten selbst veröffentlichte, mit einer Anklage bedroht. Die Majoritäten
und die Negierung halten sich gern im Dunkeln, die Minoritäten dagegen und
die Parteien, der maleontente Ehrgeiz und die ans der Lauer stehende Intrigue
werden bald eine Oppositionspartei bilden, welche um jeden Preis wünscht, Licht
zu verbreiten, Lärm zu machen, Schleier zu zerreißen, Anhänger zu werden, ihr
Parteigetreibe zu rechtfertigen, nud Unterstützung von Außer zu gewinnen. Diese
Opposition, die seit Jakob I. in stetem Wachsthum begriffen war, wußte aus tau¬
senderlei Weise das Gesetz zu umgehen. Sie veröffentlichte ihre Berichte in Noman-
oder Briefform; sie adressirte an fingirte Freunde in der Provinz Kritiken und
Parodien der Meinungen ihrer Gegner. Mit diesem fortlaufenden Commentar
der Parlamentsdebatten und dieser Leitung der öffentlichen Meinung beschäftigte!! sich
der Philosoph Locke, Gray, Abgeordneter für Derby, der ebenso gewandte als
gefürchteteShaftesbnry und der geistreiche Satyriker Andrew Marvel, mitP. Courrier
zu vergleiche", uur daß er ein klein wenig mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit besaß.

Diesen Männern verdanken wir eine kurze Reihe wichtiger historischer Docu-
mente, die noch nicht gesammelt sind, so sehr sie es verdienten; nnter den Titeln
I^et.dei'8 w eonsMuonts, Zelters'w corresponäents, I^eU.er8 w a, person
v5 <MaM^, (^ountr^ letters finden wir nicht nnr viele Thatsachen ans der poli¬
tischen Geschichte Englands von 1666 bis 1694, sondern auch ein lebendiges
Bild der beiden Kammern und aller Discussionen jener Jahre.

Die Regierung blieb nicht blind gegen diese Usurpation der Presse und wollte
sie verhindern. Sie hatte das- Herkommen und deu Buchstaben des Gesetzes für
sich. "Die Sitzungen der Gemeinen oder der Pairs, lautet das Gesetz, werden
bei verschlossener Thüre gehalten. -- Jede Besprechung der Verordnungen oder Reden
des Parlaments ist ein Verbrechen im ersten Grade des Seanäalmn ma^nawm."

Diese gewaltigen Waffen des Gesetzes wurden 1695 herbeigeholt, als
Ehaftcöbnry gegen den König das schwere Geschütz seiner Pamphlete richtete.
Der geheime Rath ließ auf offnem Markte Shaftesbury's "Better to (^vn-
sMuents" verbrennen. Die Rache war fruchtlos. Wilhelm III., den Shaftes-
bury vorher verkündet, bestieg deu Thron, und mit ihm gelangten die Whigs
zur Herrschaft; die Verössentlichlichung der Debatten wird fortgesetzt; die Diatribe
Sir John Knightö gegen die Fremden (gegen den König als Niederländer) er¬
scheint mit Anmerkungen; großer Zorn des Hofes und der Minister und Büßung
und Einsperrung des Verfassers waren die Folge.


behaupteten, ihre Privilegien würden dadurch verletzt; beide waren Erben der
Macht der Könige und betrachteten sich für so heilig und unverletzlich wie diese.

Die Bemühungen der Negierung und des Parlaments, das Publicum über
ihre 'Verhandlungen im Dunkeln zu lassen, singen .schon frühzeitig an. Schon
unter der Regierung Karl's I. sah sich jeder Zeitungsschreiber, der Bemerkungen
über Parlameutödebatteu, oder, was ein viel schwereres Verbrechen war, Bruch¬
stücke der Debatten selbst veröffentlichte, mit einer Anklage bedroht. Die Majoritäten
und die Negierung halten sich gern im Dunkeln, die Minoritäten dagegen und
die Parteien, der maleontente Ehrgeiz und die ans der Lauer stehende Intrigue
werden bald eine Oppositionspartei bilden, welche um jeden Preis wünscht, Licht
zu verbreiten, Lärm zu machen, Schleier zu zerreißen, Anhänger zu werden, ihr
Parteigetreibe zu rechtfertigen, nud Unterstützung von Außer zu gewinnen. Diese
Opposition, die seit Jakob I. in stetem Wachsthum begriffen war, wußte aus tau¬
senderlei Weise das Gesetz zu umgehen. Sie veröffentlichte ihre Berichte in Noman-
oder Briefform; sie adressirte an fingirte Freunde in der Provinz Kritiken und
Parodien der Meinungen ihrer Gegner. Mit diesem fortlaufenden Commentar
der Parlamentsdebatten und dieser Leitung der öffentlichen Meinung beschäftigte!! sich
der Philosoph Locke, Gray, Abgeordneter für Derby, der ebenso gewandte als
gefürchteteShaftesbnry und der geistreiche Satyriker Andrew Marvel, mitP. Courrier
zu vergleiche«, uur daß er ein klein wenig mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit besaß.

Diesen Männern verdanken wir eine kurze Reihe wichtiger historischer Docu-
mente, die noch nicht gesammelt sind, so sehr sie es verdienten; nnter den Titeln
I^et.dei'8 w eonsMuonts, Zelters'w corresponäents, I^eU.er8 w a, person
v5 <MaM^, (^ountr^ letters finden wir nicht nnr viele Thatsachen ans der poli¬
tischen Geschichte Englands von 1666 bis 1694, sondern auch ein lebendiges
Bild der beiden Kammern und aller Discussionen jener Jahre.

Die Regierung blieb nicht blind gegen diese Usurpation der Presse und wollte
sie verhindern. Sie hatte das- Herkommen und deu Buchstaben des Gesetzes für
sich. „Die Sitzungen der Gemeinen oder der Pairs, lautet das Gesetz, werden
bei verschlossener Thüre gehalten. — Jede Besprechung der Verordnungen oder Reden
des Parlaments ist ein Verbrechen im ersten Grade des Seanäalmn ma^nawm."

Diese gewaltigen Waffen des Gesetzes wurden 1695 herbeigeholt, als
Ehaftcöbnry gegen den König das schwere Geschütz seiner Pamphlete richtete.
Der geheime Rath ließ auf offnem Markte Shaftesbury's „Better to (^vn-
sMuents" verbrennen. Die Rache war fruchtlos. Wilhelm III., den Shaftes-
bury vorher verkündet, bestieg deu Thron, und mit ihm gelangten die Whigs
zur Herrschaft; die Verössentlichlichung der Debatten wird fortgesetzt; die Diatribe
Sir John Knightö gegen die Fremden (gegen den König als Niederländer) er¬
scheint mit Anmerkungen; großer Zorn des Hofes und der Minister und Büßung
und Einsperrung des Verfassers waren die Folge.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/418>, abgerufen am 24.07.2024.