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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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gefüllten Gläser entgegen. In der Ecke des Zimmers war eine Pharaobank er¬
richtet, Silberthaler und Papierzettel standen in Masse auf den Karten, die Gage
eines ganzen Monats ward von Leichtherzigen in wenigen Minuten verspielt, und
mit reißender Schnelligkeit wechselte das Geld seine Besitzer. -- "Die letzten 20
Thaler ans die Dame!" rief ein von Wein und Spiel erhitzter Kamerad. "Don¬
nerwetter, sie siud fort, ich bin ratzeukahl und die verfluchten Dänen mögen mich
jetzt ruhig vor deu Kopf schießen," brauste er beim Verluste auf. Er wurde,
nebenbei bemerkt, schon am nächstell Abend schwer verwundet in's Hospital ge¬
bracht und sein Wunsch schneller erfüllt, als ihm lieb war.

Ich aber hatte kaum das erste Glas geleert und eiuen Angriff aus den Tel¬
ler vor mir begonnen, als ein Officier mit der Meldung hereinstürzte, !die Dä¬
nen machten Miene, unsere Vorposten anzugreifen. Ein großer Theil der
Zecher und Spieler eilte uach deu Quartieren, und ich nach meinem Pferde;
hui in den Sattel und unsern Vorposten zu. Ein kleines Patrouillengefecht hatte
unser ganzes Corps allarmirt, ich ritt dem Orte des Schießens zu, sprang vom
Pferde, ergriff schnell die Muskete eines Verwundeten und feuerte zu meinem
Vergnügen einige Schüsse den Dänen nach. Was thun Sie hier? rief lachend
Hauptmann v. B.; schickt heut der Geueral seiue Adjutanten mit der Muskete
in's Patronillengefecht? -- Zum Henker mit dem Adjutanten, rief ich verzweifelt
zurück, seit 24 Stunden bin ich ein geplagter Mann, der nicht wußte, wo ihm
der Kopf stand. Für unser Einen gibt es offenbar keine andere Zeit der Frei¬
heit, als die wenigen Stunden, wo im Felde Mann gegen Mann steht. Zu
Hause erwartet mich wieder ein verwünschtes Additionöexempel. Sie können
mir nicht verdenken, daß ich vorher ein wenig meine Freiheit genieße.




Zur Geschichte der Presse.
ii.

Der erste wichtige Sieg der Presse war die Abschaffung des Lieenser, des
"einzigen Censors" unter Wilhelm III.; -- der zweite die Begründung einer regel¬
mäßig täglich erscheinenden Zeitung unter der Königin Anna; der dritte die trotz
des Gesetzes zur Gewohnheit gewordene Veröffentlichung der Parlamentsdebatten.
Wir haben die ersten beiden dieser Kämpfe nur kurz erzählt; der dritte ist ein
vollständiges Drama.

Von dem Augenblick an, wo die Presse die parlamentarischen Debatten, selbst
ohne sich eine Kritik derselben zu erlauben, veröffentlichte, lenkte sie den Argwohn
und den Verdacht der Staatsmänner auf sich. Die Gemeinen und die Pairs


Grenzvotcn. IV. 1850. 117

gefüllten Gläser entgegen. In der Ecke des Zimmers war eine Pharaobank er¬
richtet, Silberthaler und Papierzettel standen in Masse auf den Karten, die Gage
eines ganzen Monats ward von Leichtherzigen in wenigen Minuten verspielt, und
mit reißender Schnelligkeit wechselte das Geld seine Besitzer. — „Die letzten 20
Thaler ans die Dame!" rief ein von Wein und Spiel erhitzter Kamerad. „Don¬
nerwetter, sie siud fort, ich bin ratzeukahl und die verfluchten Dänen mögen mich
jetzt ruhig vor deu Kopf schießen," brauste er beim Verluste auf. Er wurde,
nebenbei bemerkt, schon am nächstell Abend schwer verwundet in's Hospital ge¬
bracht und sein Wunsch schneller erfüllt, als ihm lieb war.

Ich aber hatte kaum das erste Glas geleert und eiuen Angriff aus den Tel¬
ler vor mir begonnen, als ein Officier mit der Meldung hereinstürzte, !die Dä¬
nen machten Miene, unsere Vorposten anzugreifen. Ein großer Theil der
Zecher und Spieler eilte uach deu Quartieren, und ich nach meinem Pferde;
hui in den Sattel und unsern Vorposten zu. Ein kleines Patrouillengefecht hatte
unser ganzes Corps allarmirt, ich ritt dem Orte des Schießens zu, sprang vom
Pferde, ergriff schnell die Muskete eines Verwundeten und feuerte zu meinem
Vergnügen einige Schüsse den Dänen nach. Was thun Sie hier? rief lachend
Hauptmann v. B.; schickt heut der Geueral seiue Adjutanten mit der Muskete
in's Patronillengefecht? — Zum Henker mit dem Adjutanten, rief ich verzweifelt
zurück, seit 24 Stunden bin ich ein geplagter Mann, der nicht wußte, wo ihm
der Kopf stand. Für unser Einen gibt es offenbar keine andere Zeit der Frei¬
heit, als die wenigen Stunden, wo im Felde Mann gegen Mann steht. Zu
Hause erwartet mich wieder ein verwünschtes Additionöexempel. Sie können
mir nicht verdenken, daß ich vorher ein wenig meine Freiheit genieße.




Zur Geschichte der Presse.
ii.

Der erste wichtige Sieg der Presse war die Abschaffung des Lieenser, des
„einzigen Censors" unter Wilhelm III.; — der zweite die Begründung einer regel¬
mäßig täglich erscheinenden Zeitung unter der Königin Anna; der dritte die trotz
des Gesetzes zur Gewohnheit gewordene Veröffentlichung der Parlamentsdebatten.
Wir haben die ersten beiden dieser Kämpfe nur kurz erzählt; der dritte ist ein
vollständiges Drama.

Von dem Augenblick an, wo die Presse die parlamentarischen Debatten, selbst
ohne sich eine Kritik derselben zu erlauben, veröffentlichte, lenkte sie den Argwohn
und den Verdacht der Staatsmänner auf sich. Die Gemeinen und die Pairs


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[0417] gefüllten Gläser entgegen. In der Ecke des Zimmers war eine Pharaobank er¬ richtet, Silberthaler und Papierzettel standen in Masse auf den Karten, die Gage eines ganzen Monats ward von Leichtherzigen in wenigen Minuten verspielt, und mit reißender Schnelligkeit wechselte das Geld seine Besitzer. — „Die letzten 20 Thaler ans die Dame!" rief ein von Wein und Spiel erhitzter Kamerad. „Don¬ nerwetter, sie siud fort, ich bin ratzeukahl und die verfluchten Dänen mögen mich jetzt ruhig vor deu Kopf schießen," brauste er beim Verluste auf. Er wurde, nebenbei bemerkt, schon am nächstell Abend schwer verwundet in's Hospital ge¬ bracht und sein Wunsch schneller erfüllt, als ihm lieb war. Ich aber hatte kaum das erste Glas geleert und eiuen Angriff aus den Tel¬ ler vor mir begonnen, als ein Officier mit der Meldung hereinstürzte, !die Dä¬ nen machten Miene, unsere Vorposten anzugreifen. Ein großer Theil der Zecher und Spieler eilte uach deu Quartieren, und ich nach meinem Pferde; hui in den Sattel und unsern Vorposten zu. Ein kleines Patrouillengefecht hatte unser ganzes Corps allarmirt, ich ritt dem Orte des Schießens zu, sprang vom Pferde, ergriff schnell die Muskete eines Verwundeten und feuerte zu meinem Vergnügen einige Schüsse den Dänen nach. Was thun Sie hier? rief lachend Hauptmann v. B.; schickt heut der Geueral seiue Adjutanten mit der Muskete in's Patronillengefecht? — Zum Henker mit dem Adjutanten, rief ich verzweifelt zurück, seit 24 Stunden bin ich ein geplagter Mann, der nicht wußte, wo ihm der Kopf stand. Für unser Einen gibt es offenbar keine andere Zeit der Frei¬ heit, als die wenigen Stunden, wo im Felde Mann gegen Mann steht. Zu Hause erwartet mich wieder ein verwünschtes Additionöexempel. Sie können mir nicht verdenken, daß ich vorher ein wenig meine Freiheit genieße. Zur Geschichte der Presse. ii. Der erste wichtige Sieg der Presse war die Abschaffung des Lieenser, des „einzigen Censors" unter Wilhelm III.; — der zweite die Begründung einer regel¬ mäßig täglich erscheinenden Zeitung unter der Königin Anna; der dritte die trotz des Gesetzes zur Gewohnheit gewordene Veröffentlichung der Parlamentsdebatten. Wir haben die ersten beiden dieser Kämpfe nur kurz erzählt; der dritte ist ein vollständiges Drama. Von dem Augenblick an, wo die Presse die parlamentarischen Debatten, selbst ohne sich eine Kritik derselben zu erlauben, veröffentlichte, lenkte sie den Argwohn und den Verdacht der Staatsmänner auf sich. Die Gemeinen und die Pairs Grenzvotcn. IV. 1850. 117

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/417>, abgerufen am 24.07.2024.