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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Das Tagewerk eines Adjutanten

Meine Herren! ich wünsche meinen Rapport im Charakter Ihres Blattes
zu halten, welches philosophische Betrachtungen so sehr liebt, als für die Bequem¬
lichkeit Ihrer Leser irgend gut ist. Ich schicke deshalb zwei culturhistorische Be¬
trachtungen voraus. Erstens, daß unsere brave, tüchtige Armee sich zum großen
Theil hat herausarbeite müssen aus eiuer Masse vou seltsamem und abenteuerlichem
Volke, welches aus ganz Deutschland bei uus zusammen floß, und daß sie uoch jetzt
ist wie der feste Kern eines Kometen, der vielen Dunst ans der trüben Atmosphäre
des Vaterlandes an sich heranzieht. Zweitens aber, daß der Lebenslauf des Ad¬
jutanten eines größern Trnppenkörpers grade bei unserer Armee eine gute Vor¬
schule ist für jede Art vou irdischer Carriere, vom General en (Alet bis zum
Nachtwächter, wenigstens was die Mühen und Beschwerden dieser Lebensläufe
betrifft. Wenn unser Krieg zu Eude ginge, wie die Dänen wünschen und der
Bundestag beschlossen hat, wenn wir als Hochverräther am deutschen Bunde
durch die Waffen uuserer eigenen Brüder versprengt würden, so werde ich wenig¬
stens in der glücklichen Lage sein, jeden Lebensberuf mit Leichtigkeit wählen zu
können, und hoffe entweder als Schauspielintendant oder als Postillon mein hoch¬
verräterisches Dasein durch anspruchslose Tüchtigkeit zu entsühnen. Sie ahnen
nicht, was ein Adjutant sein heißt. Es heißt: nur die Hälfte vou der Bowle
trinken, die man selbst den Kameraden gebraut hat, auf der Straße liegeu, wenn
alle Andern schlafen, die rechte Hand des Generals vorstellen, und deshalb alle
Arbeiten machen, die ihm unangenehm sind; es heißt Courier sein, Briefträger
sein, uach der einen Seite furchtbar grob sein, nach der andern den feinen Gentle¬
man darstellen; es heißt strenge sein, tugendhaft sein, ein Musterbild für die
Armee sein und dabei zerschlagene Glieder und einen leeren- Magen haben, und
zu allerletzt noch in dem Momente, wo' man todtgeschossen wird, die unangenehme
Empfindung haben, daß der wichtige Auftrag, den man grade befördert, einer


Grcnzvoten. IV. 1820. 116
Das Tagewerk eines Adjutanten

Meine Herren! ich wünsche meinen Rapport im Charakter Ihres Blattes
zu halten, welches philosophische Betrachtungen so sehr liebt, als für die Bequem¬
lichkeit Ihrer Leser irgend gut ist. Ich schicke deshalb zwei culturhistorische Be¬
trachtungen voraus. Erstens, daß unsere brave, tüchtige Armee sich zum großen
Theil hat herausarbeite müssen aus eiuer Masse vou seltsamem und abenteuerlichem
Volke, welches aus ganz Deutschland bei uus zusammen floß, und daß sie uoch jetzt
ist wie der feste Kern eines Kometen, der vielen Dunst ans der trüben Atmosphäre
des Vaterlandes an sich heranzieht. Zweitens aber, daß der Lebenslauf des Ad¬
jutanten eines größern Trnppenkörpers grade bei unserer Armee eine gute Vor¬
schule ist für jede Art vou irdischer Carriere, vom General en (Alet bis zum
Nachtwächter, wenigstens was die Mühen und Beschwerden dieser Lebensläufe
betrifft. Wenn unser Krieg zu Eude ginge, wie die Dänen wünschen und der
Bundestag beschlossen hat, wenn wir als Hochverräther am deutschen Bunde
durch die Waffen uuserer eigenen Brüder versprengt würden, so werde ich wenig¬
stens in der glücklichen Lage sein, jeden Lebensberuf mit Leichtigkeit wählen zu
können, und hoffe entweder als Schauspielintendant oder als Postillon mein hoch¬
verräterisches Dasein durch anspruchslose Tüchtigkeit zu entsühnen. Sie ahnen
nicht, was ein Adjutant sein heißt. Es heißt: nur die Hälfte vou der Bowle
trinken, die man selbst den Kameraden gebraut hat, auf der Straße liegeu, wenn
alle Andern schlafen, die rechte Hand des Generals vorstellen, und deshalb alle
Arbeiten machen, die ihm unangenehm sind; es heißt Courier sein, Briefträger
sein, uach der einen Seite furchtbar grob sein, nach der andern den feinen Gentle¬
man darstellen; es heißt strenge sein, tugendhaft sein, ein Musterbild für die
Armee sein und dabei zerschlagene Glieder und einen leeren- Magen haben, und
zu allerletzt noch in dem Momente, wo' man todtgeschossen wird, die unangenehme
Empfindung haben, daß der wichtige Auftrag, den man grade befördert, einer


Grcnzvoten. IV. 1820. 116
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[0409] Das Tagewerk eines Adjutanten Meine Herren! ich wünsche meinen Rapport im Charakter Ihres Blattes zu halten, welches philosophische Betrachtungen so sehr liebt, als für die Bequem¬ lichkeit Ihrer Leser irgend gut ist. Ich schicke deshalb zwei culturhistorische Be¬ trachtungen voraus. Erstens, daß unsere brave, tüchtige Armee sich zum großen Theil hat herausarbeite müssen aus eiuer Masse vou seltsamem und abenteuerlichem Volke, welches aus ganz Deutschland bei uus zusammen floß, und daß sie uoch jetzt ist wie der feste Kern eines Kometen, der vielen Dunst ans der trüben Atmosphäre des Vaterlandes an sich heranzieht. Zweitens aber, daß der Lebenslauf des Ad¬ jutanten eines größern Trnppenkörpers grade bei unserer Armee eine gute Vor¬ schule ist für jede Art vou irdischer Carriere, vom General en (Alet bis zum Nachtwächter, wenigstens was die Mühen und Beschwerden dieser Lebensläufe betrifft. Wenn unser Krieg zu Eude ginge, wie die Dänen wünschen und der Bundestag beschlossen hat, wenn wir als Hochverräther am deutschen Bunde durch die Waffen uuserer eigenen Brüder versprengt würden, so werde ich wenig¬ stens in der glücklichen Lage sein, jeden Lebensberuf mit Leichtigkeit wählen zu können, und hoffe entweder als Schauspielintendant oder als Postillon mein hoch¬ verräterisches Dasein durch anspruchslose Tüchtigkeit zu entsühnen. Sie ahnen nicht, was ein Adjutant sein heißt. Es heißt: nur die Hälfte vou der Bowle trinken, die man selbst den Kameraden gebraut hat, auf der Straße liegeu, wenn alle Andern schlafen, die rechte Hand des Generals vorstellen, und deshalb alle Arbeiten machen, die ihm unangenehm sind; es heißt Courier sein, Briefträger sein, uach der einen Seite furchtbar grob sein, nach der andern den feinen Gentle¬ man darstellen; es heißt strenge sein, tugendhaft sein, ein Musterbild für die Armee sein und dabei zerschlagene Glieder und einen leeren- Magen haben, und zu allerletzt noch in dem Momente, wo' man todtgeschossen wird, die unangenehme Empfindung haben, daß der wichtige Auftrag, den man grade befördert, einer Grcnzvoten. IV. 1820. 116

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/409>, abgerufen am 23.07.2024.