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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Twyn's, eines armen Druckers, der in Clothssair, wo sich auch Milton versteckt
hielt, wohnte. 1663, in einer finstern Octobernacht, wurden die Arbeiter, welche
mit geheimen Pressen ultracalviuistische Flugschriften druckten, bei ihrer Arbeit
entdeckt. Der Entdecker war selbst ein ehemaliger Schriftsteller, der früher auch
Zeitblätter geschrieben und die Presse mißbraucht hatte. Er hieß Roger Le-
strange, war Licenser (alleiniger Censor) und verfolgte die Presse mit allem
Eifer eiues Renegaten. Seine Spione horchten lange Zeit an der Thür Twyn's.
Endlich hörten sie das Geräusch von feuchten Blättern, die, aus der Presse
kommend, aufeinander gelegt wurden; man brach die Thür aus, und Lestrange
eilte die Treppe hinauf. Trotz aller Eile war die Form schon zerbrochen, die
gedruckten Blätter waren in ein Nachbarhaus gefallen, und es hielt schwer, ein
genügendes Loi-M-z üelieli festzustellen. Aber wenig langt zu, wenn man einen
Menschen hängen will! Der arme Drucker stellte vor Gericht dem Kronanwalt
Morton und dem Richter Hyde, die ihn sehr hart behandelten, vor, daß er die Arbeit
des Geldes wegen übernommen, daß er sehr arm sei, daß er Frau und Kiuder
habe, daß er kein Wort von dem Werke gelesen habe. Zuletzt siel er auf die
Knie und rief: Ich bitte Euch um Verzeihung. -- Bittet Gott um Verzeihung! gab
der Richter Hyde zur Antwort. -- Ich bitte Eure Herrlichkeit, sich zu meinen
Gunsten bei Ihrer Majestät zu verwenden. -- Henker, bindet ihn, rief Hyde,
und jetzt, Drucker Twyn, hört Euer Urtheil. -- Wer heute diesen Urtheilsspruch
lies't, dem erstarrt das Blut in den Adern. Dem armen Drucker wurden bei
lebendigem Leibe die Eingeweide herausgerissen und verbrannt, dann wurde er
gehangen und geviertheilt, und die verschiedenen Theile seines Körpers auf den
vornehmsten Thoren Londons ausgestellt. Habt Erbarmen mit mir, flehte der
Drucker Twyn. -- Ich würde in einem solchen Falle selbst mit meinem Vater
kein Erbarmen haben, gab ihm der Richter brutal zur Antwort; und die Feinde
der Presse hatten die Freude, die verstümmelten Glieder des Unglücklichen auf
den Thoren Temple-Bar, Ludgate und Aldgate stecken zu sehen. Das geschah
im 17. Jahrhundert und Niemand gerieth darüber in Erstaunen.

Aber später fielen alle diese Gewaltthaten mit ihrem ganzen Gewicht auf das
Haupt Jacobs II. zurück, und schickten ihn in die Verbannung des einsamen
Se. Germain.

Die Presse aber starb doch nicht. Trotz der Proklamationen Carl's I. und
seiner Sternkammer, trotz Cromwell's und seines Staatsraths, trotz des Parla¬
ments und seiner Beschlüsse, trotz der fiscalischen Quälerein und des Henkers .
und des Galgens machte die Presse unausgesetzt Fortschritte. Daniel de Foe
begründete 1689 das erste Review und 1709 brachte die reifste Frucht der Presse,
das Tageblatt.

Dieser neue Aufschwung der Presse begann unter Wilhelm III. Auf den
Thron gerufen durch die öffentliche Meinung als Vorkämpfer für den Protestan-


Twyn's, eines armen Druckers, der in Clothssair, wo sich auch Milton versteckt
hielt, wohnte. 1663, in einer finstern Octobernacht, wurden die Arbeiter, welche
mit geheimen Pressen ultracalviuistische Flugschriften druckten, bei ihrer Arbeit
entdeckt. Der Entdecker war selbst ein ehemaliger Schriftsteller, der früher auch
Zeitblätter geschrieben und die Presse mißbraucht hatte. Er hieß Roger Le-
strange, war Licenser (alleiniger Censor) und verfolgte die Presse mit allem
Eifer eiues Renegaten. Seine Spione horchten lange Zeit an der Thür Twyn's.
Endlich hörten sie das Geräusch von feuchten Blättern, die, aus der Presse
kommend, aufeinander gelegt wurden; man brach die Thür aus, und Lestrange
eilte die Treppe hinauf. Trotz aller Eile war die Form schon zerbrochen, die
gedruckten Blätter waren in ein Nachbarhaus gefallen, und es hielt schwer, ein
genügendes Loi-M-z üelieli festzustellen. Aber wenig langt zu, wenn man einen
Menschen hängen will! Der arme Drucker stellte vor Gericht dem Kronanwalt
Morton und dem Richter Hyde, die ihn sehr hart behandelten, vor, daß er die Arbeit
des Geldes wegen übernommen, daß er sehr arm sei, daß er Frau und Kiuder
habe, daß er kein Wort von dem Werke gelesen habe. Zuletzt siel er auf die
Knie und rief: Ich bitte Euch um Verzeihung. — Bittet Gott um Verzeihung! gab
der Richter Hyde zur Antwort. — Ich bitte Eure Herrlichkeit, sich zu meinen
Gunsten bei Ihrer Majestät zu verwenden. — Henker, bindet ihn, rief Hyde,
und jetzt, Drucker Twyn, hört Euer Urtheil. — Wer heute diesen Urtheilsspruch
lies't, dem erstarrt das Blut in den Adern. Dem armen Drucker wurden bei
lebendigem Leibe die Eingeweide herausgerissen und verbrannt, dann wurde er
gehangen und geviertheilt, und die verschiedenen Theile seines Körpers auf den
vornehmsten Thoren Londons ausgestellt. Habt Erbarmen mit mir, flehte der
Drucker Twyn. — Ich würde in einem solchen Falle selbst mit meinem Vater
kein Erbarmen haben, gab ihm der Richter brutal zur Antwort; und die Feinde
der Presse hatten die Freude, die verstümmelten Glieder des Unglücklichen auf
den Thoren Temple-Bar, Ludgate und Aldgate stecken zu sehen. Das geschah
im 17. Jahrhundert und Niemand gerieth darüber in Erstaunen.

Aber später fielen alle diese Gewaltthaten mit ihrem ganzen Gewicht auf das
Haupt Jacobs II. zurück, und schickten ihn in die Verbannung des einsamen
Se. Germain.

Die Presse aber starb doch nicht. Trotz der Proklamationen Carl's I. und
seiner Sternkammer, trotz Cromwell's und seines Staatsraths, trotz des Parla¬
ments und seiner Beschlüsse, trotz der fiscalischen Quälerein und des Henkers .
und des Galgens machte die Presse unausgesetzt Fortschritte. Daniel de Foe
begründete 1689 das erste Review und 1709 brachte die reifste Frucht der Presse,
das Tageblatt.

Dieser neue Aufschwung der Presse begann unter Wilhelm III. Auf den
Thron gerufen durch die öffentliche Meinung als Vorkämpfer für den Protestan-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/390>, abgerufen am 22.07.2024.