Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.Die militärische Ausbildung dieser jüngsten Generation läßt sich nach dem Der gemeine Mann vergilt die oft barsche und brutale, immer aber rück¬ Die militärische Ausbildung dieser jüngsten Generation läßt sich nach dem Der gemeine Mann vergilt die oft barsche und brutale, immer aber rück¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92673"/> <p xml:id="ID_1236"> Die militärische Ausbildung dieser jüngsten Generation läßt sich nach dem<lb/> Gesagten von selbst bemessen. Unter den älteren Officieren gibt es mehrere<lb/> literarische Notabilitäten — Heilbronner, Xylander, Szeuner ?c. — aber durch¬<lb/> schnittlich verstehen sie selbst vom eigenen Fache nicht viel mehr, als eben das<lb/> laufende Bedürfniß ihres Dienstes verlangt. Der Generalstab besteht ans sehr<lb/> kenntnißreichen und auch in den Hülfswissenschaften der Kriegskunst wohl bewan¬<lb/> derten Leuten, wie z. B. der vou ihm herausgegebene große Atlas von Baiern<lb/> beweist; desto schlechter siud die Militärbilduugsaustalteu, so weit man sie nach<lb/> ihren Früchten, dem gewöhnlichen Trosse der Officiere, beurtheile« kann. — Zu<lb/> dem gemeinen Manne steht der Officier in weniger innigem Verhältniß, als es<lb/> etwa auch nur in Preußen der Fall ist. Dieses ist so allgemein, daß die jovialsten<lb/> und volksthümlichsten Naturen, an denen bei der Art des Volksschlages im bairi-<lb/> schen Officiercorps ein wahrer Ueberfluß ist, doch augenblicklich zugeknöpft und<lb/> Steifleinen werden, wenn sie mit dem Soldaten in oder außer dem Dienste zusammen-<lb/> treffen, vielleicht ebeu wegen der zu großen Gleichheit in Bildung und Lebensgewohn¬<lb/> heiten bei beiden Classen. Daß sich außerdem die weltbekannte bairische Grobheit<lb/> gerade in diesen Verhältnissen am unverhohlensten und naturwüchsigsten manifestire,<lb/> bedarf keiner Erwähnung. Es sind übrigens die verschiedenen Typen des bairi-<lb/> schen Officiers durch die meisterhaften Darstellungen der M. fliegenden Blätter<lb/> so sehr Gemeingut von ganz Deutschland, daß ich blos an sie zu erinnern nöthig<lb/> habe, um den Leser zum Bewußtsein zu bringen, daß ein ganzer Schlag von<lb/> Officieren wohl für den Weinkeller und das Bierhaus sammt Kegelbahn, nicht<lb/> aber für ein im modernen Sinn construirtes und zu den Zwecken des modernen<lb/> Staates verwendbares Heer geschaffen ist. — Ihr Verhältniß zu dem Civil ist<lb/> meistens recht gut, d. h. sie gelten eben für die lustigsten und gemüthlichsten<lb/> Brüder und werdeu als solche gesucht und honorirt. Auf seine Lebensformen<lb/> legt man ja ohnehin selbst in den sogenannten Honoratiorenkreisen Baierns<lb/> weniger Werth als im Norden, was sich schon daraus ergibt, daß die Männer<lb/> fast immer nur unter sich der Geselligkeit pflegen und mit den Damen gewöhnlich<lb/> nur in dem Ballsaale in Berührung kommen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1237" next="#ID_1238"> Der gemeine Mann vergilt die oft barsche und brutale, immer aber rück¬<lb/> sichtslose Behandlung vou Seite seiner Vorgesetzten mit gleicher Münze. Selten<lb/> hört man einen Officier wegen irgend welcher guten Eigenschaft rühmen, noch<lb/> seltener findet sich eine wirkliche persönliche Anhänglichkeit. Gewöhnlich kennt der<lb/> Soldat nnr eben die Officiere seines Bataillons bei ihren Namen oder an ihren<lb/> Gesichtern, um die übrigen kümmert er sich uicht, weil er ebenso wenig Interesse<lb/> an ihnen findet, wie sie an ihm. Daher kann es nicht auffallen, daß die Mehrzahl<lb/> der Iusubordiuatiousfälle Vergehen gehen die Officiere, Grobheiten, thätliche<lb/> Beleidigungen u. dergl. zum Gegenstand haben. In zweiter Linie stehen die<lb/> Excesse in den Wirthshäusern, seltener zwischen Militär und Civil als zwischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
Die militärische Ausbildung dieser jüngsten Generation läßt sich nach dem
Gesagten von selbst bemessen. Unter den älteren Officieren gibt es mehrere
literarische Notabilitäten — Heilbronner, Xylander, Szeuner ?c. — aber durch¬
schnittlich verstehen sie selbst vom eigenen Fache nicht viel mehr, als eben das
laufende Bedürfniß ihres Dienstes verlangt. Der Generalstab besteht ans sehr
kenntnißreichen und auch in den Hülfswissenschaften der Kriegskunst wohl bewan¬
derten Leuten, wie z. B. der vou ihm herausgegebene große Atlas von Baiern
beweist; desto schlechter siud die Militärbilduugsaustalteu, so weit man sie nach
ihren Früchten, dem gewöhnlichen Trosse der Officiere, beurtheile« kann. — Zu
dem gemeinen Manne steht der Officier in weniger innigem Verhältniß, als es
etwa auch nur in Preußen der Fall ist. Dieses ist so allgemein, daß die jovialsten
und volksthümlichsten Naturen, an denen bei der Art des Volksschlages im bairi-
schen Officiercorps ein wahrer Ueberfluß ist, doch augenblicklich zugeknöpft und
Steifleinen werden, wenn sie mit dem Soldaten in oder außer dem Dienste zusammen-
treffen, vielleicht ebeu wegen der zu großen Gleichheit in Bildung und Lebensgewohn¬
heiten bei beiden Classen. Daß sich außerdem die weltbekannte bairische Grobheit
gerade in diesen Verhältnissen am unverhohlensten und naturwüchsigsten manifestire,
bedarf keiner Erwähnung. Es sind übrigens die verschiedenen Typen des bairi-
schen Officiers durch die meisterhaften Darstellungen der M. fliegenden Blätter
so sehr Gemeingut von ganz Deutschland, daß ich blos an sie zu erinnern nöthig
habe, um den Leser zum Bewußtsein zu bringen, daß ein ganzer Schlag von
Officieren wohl für den Weinkeller und das Bierhaus sammt Kegelbahn, nicht
aber für ein im modernen Sinn construirtes und zu den Zwecken des modernen
Staates verwendbares Heer geschaffen ist. — Ihr Verhältniß zu dem Civil ist
meistens recht gut, d. h. sie gelten eben für die lustigsten und gemüthlichsten
Brüder und werdeu als solche gesucht und honorirt. Auf seine Lebensformen
legt man ja ohnehin selbst in den sogenannten Honoratiorenkreisen Baierns
weniger Werth als im Norden, was sich schon daraus ergibt, daß die Männer
fast immer nur unter sich der Geselligkeit pflegen und mit den Damen gewöhnlich
nur in dem Ballsaale in Berührung kommen. —
Der gemeine Mann vergilt die oft barsche und brutale, immer aber rück¬
sichtslose Behandlung vou Seite seiner Vorgesetzten mit gleicher Münze. Selten
hört man einen Officier wegen irgend welcher guten Eigenschaft rühmen, noch
seltener findet sich eine wirkliche persönliche Anhänglichkeit. Gewöhnlich kennt der
Soldat nnr eben die Officiere seines Bataillons bei ihren Namen oder an ihren
Gesichtern, um die übrigen kümmert er sich uicht, weil er ebenso wenig Interesse
an ihnen findet, wie sie an ihm. Daher kann es nicht auffallen, daß die Mehrzahl
der Iusubordiuatiousfälle Vergehen gehen die Officiere, Grobheiten, thätliche
Beleidigungen u. dergl. zum Gegenstand haben. In zweiter Linie stehen die
Excesse in den Wirthshäusern, seltener zwischen Militär und Civil als zwischen
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