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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Rußland wäre im schlimmsten Falle, was eine Biene im Pelz eines Bären ist; sie
ärgert so lange, bis sie zerdrückt wird. -- Vertrauen Sie mir nicht auf das Bündniß
mit England. Unsere Flotte kann ein halb Dutzend Schiffe verlieren, an den
Ostseeküsten tonnen einzelne Städte abgebrannt werden, die Tscherkessen können
einige Erdwälle zerstören, die Türken mit unsern Serben in Krieg gerathen, das
Alles wird Nußland wenig schaden, sicher nicht so viel, daß der Kaiser die Macht
verlöre, den treulosen Deutschen seine Rache fühlbar zu machen.

Lassen Sie mich mit einem öffentlichen Geheimniß schließen: Nußland hat
uur eine schwache Stelle, und sie ist nicht zu treffen, so lange das Oestreich
besteht, welches wir in Ungarn wieder hergestellt haben.




Kleine Correspondenzen.
Zur Charakteristik Heinrich's v. Arnim.

Die Zeiten sind freilich nicht angethan, um "Berichtigungen" abzufassen und zu
berücksichtigen. Auch dürfen, während Völkern Gewalt angethan wird, Einzelne sich
nicht beschweren, wenn ihnen Unrecht widerfährt. Aber noch mehr die Liebe zur Wahr¬
heit, als die begründete Verehrung für den Mann b'ewegt mich zu dem Wunsch, Sie
möchten die folgenden Bemerkungen zu einem Aufsatz Ihrer trefflichen Grenzboten über
den Freiherrn Heinrich von Arnim (Heft 3!)) nicht unberücksichtigt lassen.


1. "Arnim hat als Redner kein Glück gemacht."

Er hat zweimal gesprochen. Das erste Mal mit ungemeiner Befangenheit, mit
gepreßter Stimme. Beide Male machten seine Reden lurore. (Ich bemerke, daß ich
die kleinen Antworten von der Ministerbank 1848, die der Verfasser im Auge zu haben
scheint, nicht als Reden gelten lasse.) Die Themata waren aus erwählt. Das erste
Mal sprach er über die mecklenburgische, damals schwebende Angelegenheit, worin
sein scharfer Blick den ersten Ansatz der Eontrercvolution wahrnahm. Diese Rede ist
mit einer andern nicht gehaltenen gedruckt erschienen; er wurde um Herausgabe derselben
bestürmt; sie tritt vor der nicht gehaltenen in Hintergrund wegen der historischen
Wichtigkeit dieser; aber als Rede ist sie mehr werth, denn sie ist aus einem Entwurf
für deu Druck zusammengestellt; diese ist dem stenographischen Bericht entnommen. --
Das zweite Mal sprach Arnim gegen die Botschaft vom 7. Januar. Dahlmann war
ihm zuvorgekommen und hatte mit ungemeinem Beifall geredet. Arnim wollte durchaus
nicht heran. Doch seine Partei bewog ihn dazu, besonders da Manteuffel gegen D.
ausfallend gewesen. In der Abendsitzung betrat nun A. die Rednerbühne; es sind
schwerlich jemals verletzendere Dinge feiner vorgebracht. -- -- Außer der unterdrückten,
später gedruckten Rede über die Märzpolitik hatte sich Arnim Notizen über eine Rede
für Schleswig-Holstein zusammengestellt; seine guten Erfolge hatten seine sehr be¬
scheidene Meinung über seine Rednergabe erhöht und er hätte diese letzte Rede, die viel
versprach, sogar gern gehalten.


Rußland wäre im schlimmsten Falle, was eine Biene im Pelz eines Bären ist; sie
ärgert so lange, bis sie zerdrückt wird. — Vertrauen Sie mir nicht auf das Bündniß
mit England. Unsere Flotte kann ein halb Dutzend Schiffe verlieren, an den
Ostseeküsten tonnen einzelne Städte abgebrannt werden, die Tscherkessen können
einige Erdwälle zerstören, die Türken mit unsern Serben in Krieg gerathen, das
Alles wird Nußland wenig schaden, sicher nicht so viel, daß der Kaiser die Macht
verlöre, den treulosen Deutschen seine Rache fühlbar zu machen.

Lassen Sie mich mit einem öffentlichen Geheimniß schließen: Nußland hat
uur eine schwache Stelle, und sie ist nicht zu treffen, so lange das Oestreich
besteht, welches wir in Ungarn wieder hergestellt haben.




Kleine Correspondenzen.
Zur Charakteristik Heinrich's v. Arnim.

Die Zeiten sind freilich nicht angethan, um „Berichtigungen" abzufassen und zu
berücksichtigen. Auch dürfen, während Völkern Gewalt angethan wird, Einzelne sich
nicht beschweren, wenn ihnen Unrecht widerfährt. Aber noch mehr die Liebe zur Wahr¬
heit, als die begründete Verehrung für den Mann b'ewegt mich zu dem Wunsch, Sie
möchten die folgenden Bemerkungen zu einem Aufsatz Ihrer trefflichen Grenzboten über
den Freiherrn Heinrich von Arnim (Heft 3!)) nicht unberücksichtigt lassen.


1. „Arnim hat als Redner kein Glück gemacht."

Er hat zweimal gesprochen. Das erste Mal mit ungemeiner Befangenheit, mit
gepreßter Stimme. Beide Male machten seine Reden lurore. (Ich bemerke, daß ich
die kleinen Antworten von der Ministerbank 1848, die der Verfasser im Auge zu haben
scheint, nicht als Reden gelten lasse.) Die Themata waren aus erwählt. Das erste
Mal sprach er über die mecklenburgische, damals schwebende Angelegenheit, worin
sein scharfer Blick den ersten Ansatz der Eontrercvolution wahrnahm. Diese Rede ist
mit einer andern nicht gehaltenen gedruckt erschienen; er wurde um Herausgabe derselben
bestürmt; sie tritt vor der nicht gehaltenen in Hintergrund wegen der historischen
Wichtigkeit dieser; aber als Rede ist sie mehr werth, denn sie ist aus einem Entwurf
für deu Druck zusammengestellt; diese ist dem stenographischen Bericht entnommen. —
Das zweite Mal sprach Arnim gegen die Botschaft vom 7. Januar. Dahlmann war
ihm zuvorgekommen und hatte mit ungemeinem Beifall geredet. Arnim wollte durchaus
nicht heran. Doch seine Partei bewog ihn dazu, besonders da Manteuffel gegen D.
ausfallend gewesen. In der Abendsitzung betrat nun A. die Rednerbühne; es sind
schwerlich jemals verletzendere Dinge feiner vorgebracht. — — Außer der unterdrückten,
später gedruckten Rede über die Märzpolitik hatte sich Arnim Notizen über eine Rede
für Schleswig-Holstein zusammengestellt; seine guten Erfolge hatten seine sehr be¬
scheidene Meinung über seine Rednergabe erhöht und er hätte diese letzte Rede, die viel
versprach, sogar gern gehalten.


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[0362] Rußland wäre im schlimmsten Falle, was eine Biene im Pelz eines Bären ist; sie ärgert so lange, bis sie zerdrückt wird. — Vertrauen Sie mir nicht auf das Bündniß mit England. Unsere Flotte kann ein halb Dutzend Schiffe verlieren, an den Ostseeküsten tonnen einzelne Städte abgebrannt werden, die Tscherkessen können einige Erdwälle zerstören, die Türken mit unsern Serben in Krieg gerathen, das Alles wird Nußland wenig schaden, sicher nicht so viel, daß der Kaiser die Macht verlöre, den treulosen Deutschen seine Rache fühlbar zu machen. Lassen Sie mich mit einem öffentlichen Geheimniß schließen: Nußland hat uur eine schwache Stelle, und sie ist nicht zu treffen, so lange das Oestreich besteht, welches wir in Ungarn wieder hergestellt haben. Kleine Correspondenzen. Zur Charakteristik Heinrich's v. Arnim. Die Zeiten sind freilich nicht angethan, um „Berichtigungen" abzufassen und zu berücksichtigen. Auch dürfen, während Völkern Gewalt angethan wird, Einzelne sich nicht beschweren, wenn ihnen Unrecht widerfährt. Aber noch mehr die Liebe zur Wahr¬ heit, als die begründete Verehrung für den Mann b'ewegt mich zu dem Wunsch, Sie möchten die folgenden Bemerkungen zu einem Aufsatz Ihrer trefflichen Grenzboten über den Freiherrn Heinrich von Arnim (Heft 3!)) nicht unberücksichtigt lassen. 1. „Arnim hat als Redner kein Glück gemacht." Er hat zweimal gesprochen. Das erste Mal mit ungemeiner Befangenheit, mit gepreßter Stimme. Beide Male machten seine Reden lurore. (Ich bemerke, daß ich die kleinen Antworten von der Ministerbank 1848, die der Verfasser im Auge zu haben scheint, nicht als Reden gelten lasse.) Die Themata waren aus erwählt. Das erste Mal sprach er über die mecklenburgische, damals schwebende Angelegenheit, worin sein scharfer Blick den ersten Ansatz der Eontrercvolution wahrnahm. Diese Rede ist mit einer andern nicht gehaltenen gedruckt erschienen; er wurde um Herausgabe derselben bestürmt; sie tritt vor der nicht gehaltenen in Hintergrund wegen der historischen Wichtigkeit dieser; aber als Rede ist sie mehr werth, denn sie ist aus einem Entwurf für deu Druck zusammengestellt; diese ist dem stenographischen Bericht entnommen. — Das zweite Mal sprach Arnim gegen die Botschaft vom 7. Januar. Dahlmann war ihm zuvorgekommen und hatte mit ungemeinem Beifall geredet. Arnim wollte durchaus nicht heran. Doch seine Partei bewog ihn dazu, besonders da Manteuffel gegen D. ausfallend gewesen. In der Abendsitzung betrat nun A. die Rednerbühne; es sind schwerlich jemals verletzendere Dinge feiner vorgebracht. — — Außer der unterdrückten, später gedruckten Rede über die Märzpolitik hatte sich Arnim Notizen über eine Rede für Schleswig-Holstein zusammengestellt; seine guten Erfolge hatten seine sehr be¬ scheidene Meinung über seine Rednergabe erhöht und er hätte diese letzte Rede, die viel versprach, sogar gern gehalten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/362>, abgerufen am 22.07.2024.