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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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ist das stärkste Gefühl, welches Ihre "Staatsbürger" aufzubringen vermögen,
furchtsame Antipathie gegen uns, und das stärkste Gefühl, welches Ihre Fürsten
haben, furchtsame Bewunderung. --

Das Principal des Kaisers über die deutschen Staaten bericht auf dem
Gegensatz zwischen Oestreich und Preußen. Unsere Politik muß sein, beide
Staaten zu conserviren, die divergirenden Interessen beider zu unterstützen, keinen
so einflußreich und mächtig werden zu lassen, daß er den andern klein macht.
Ginge das Protectorat Preußens von der Nordsee bis an das Erzgebirge
und die Alpen, so würde sich unfehlbar in den deutscheu Stämmen Selbstgefühl
und eine Energie einstellen, welche sür uns unbequem sein müßte, eine staatliche
Einheit wäre die schnelle Folge und dieser junge Staat wäre ein Feind Rußlands.
Gelänge es dagegen den östreichischen Waffen, Preußen vollständig zu reduciren
und ein deutsches Kaiserreich wieder herzustellen, so würde die bisherige östreichische
Politik sich wesentlich modificiren und der neue große Staatskörper wäre ebenfalls
ein. Feind Rußlands. So lange aber beide Staaten gegen einander mit ziemlich
gleichem Erfolge kämpfeu, sind beide genöthigt, die Rathschläge des Kaisers zu
befolgen, deun keiner von beiden ist stark genug, dem Gegner das Gleichgewicht
zu halten, wenn Rußland sein Schwert in die Wagschale desselben legt. Beide
Staaten sind Rußland gegenüber hilflos und entblößt, die lauge Ostgrenze Preu-
ßens und die Grenzen vou Gallizien, ja selbst von Ungarn und den südslavischen
Provinzen sind unsern Heeren gar nicht zu verschließen.

Beide Staaten begehren die Hegemonie über Deutschland, beide haben zu
natürlichen Gegnern die kleinen Königreiche und wie Ihre Nippes-Souveränitäten
sonst heißen. Das Interesse des Kaisers ist daher, die unschuldigen kleinen
Staaten gegen Beide zu schützen. Mau weiß bei Ihnen wahrscheinlich nicht,
wie leicht uns das gemacht wird, welchen Werth eine kleine Aufmerksamkeit unsers
Hofes, ein wohlwollendes Wort des Kaisers bei deu meisten der kleinen deutschen
Souveräne hat, und wie kläglich die Haltung derselben ist, wenn sie den Strahlen
unserer Hofsonne nahe kommen. Die nützlichsten werden durch Heirathen beehrt,
die Prinzessinnen deutscher Höfe siud willig, unsern Glauben anzunehmen, die
Prinzen, welche unsere Czarentöchter erhalten, fügen sich eben so gern der Sitte,
daß unsere Töchter an fremden Höfen dem Glauben des heiligen Rußlands rren
bleiben.

So ist jetzt die Aufgabe uuserer Diplomaten: Oestreichs und Preußens
Regierung Wohlwollen zu zeigen, die eifersüchtige Spannung Beider zu erhalte",
ohne sie zu einer entscheidenden Krisis kommeu zu lassen, und das politisch ohnmächtige
Drittel von "Deutschland", um welches Beide werden, gegen Beide zu sicherm.

Diese Politik, so einfach und nothwendig sie ist, hat gleichwohl durch die
Persönlichkeit des Kaisers und die politischen Ereignisse der letzten Jahre einige
Modificationen erhalten.


ist das stärkste Gefühl, welches Ihre „Staatsbürger" aufzubringen vermögen,
furchtsame Antipathie gegen uns, und das stärkste Gefühl, welches Ihre Fürsten
haben, furchtsame Bewunderung. —

Das Principal des Kaisers über die deutschen Staaten bericht auf dem
Gegensatz zwischen Oestreich und Preußen. Unsere Politik muß sein, beide
Staaten zu conserviren, die divergirenden Interessen beider zu unterstützen, keinen
so einflußreich und mächtig werden zu lassen, daß er den andern klein macht.
Ginge das Protectorat Preußens von der Nordsee bis an das Erzgebirge
und die Alpen, so würde sich unfehlbar in den deutscheu Stämmen Selbstgefühl
und eine Energie einstellen, welche sür uns unbequem sein müßte, eine staatliche
Einheit wäre die schnelle Folge und dieser junge Staat wäre ein Feind Rußlands.
Gelänge es dagegen den östreichischen Waffen, Preußen vollständig zu reduciren
und ein deutsches Kaiserreich wieder herzustellen, so würde die bisherige östreichische
Politik sich wesentlich modificiren und der neue große Staatskörper wäre ebenfalls
ein. Feind Rußlands. So lange aber beide Staaten gegen einander mit ziemlich
gleichem Erfolge kämpfeu, sind beide genöthigt, die Rathschläge des Kaisers zu
befolgen, deun keiner von beiden ist stark genug, dem Gegner das Gleichgewicht
zu halten, wenn Rußland sein Schwert in die Wagschale desselben legt. Beide
Staaten sind Rußland gegenüber hilflos und entblößt, die lauge Ostgrenze Preu-
ßens und die Grenzen vou Gallizien, ja selbst von Ungarn und den südslavischen
Provinzen sind unsern Heeren gar nicht zu verschließen.

Beide Staaten begehren die Hegemonie über Deutschland, beide haben zu
natürlichen Gegnern die kleinen Königreiche und wie Ihre Nippes-Souveränitäten
sonst heißen. Das Interesse des Kaisers ist daher, die unschuldigen kleinen
Staaten gegen Beide zu schützen. Mau weiß bei Ihnen wahrscheinlich nicht,
wie leicht uns das gemacht wird, welchen Werth eine kleine Aufmerksamkeit unsers
Hofes, ein wohlwollendes Wort des Kaisers bei deu meisten der kleinen deutschen
Souveräne hat, und wie kläglich die Haltung derselben ist, wenn sie den Strahlen
unserer Hofsonne nahe kommen. Die nützlichsten werden durch Heirathen beehrt,
die Prinzessinnen deutscher Höfe siud willig, unsern Glauben anzunehmen, die
Prinzen, welche unsere Czarentöchter erhalten, fügen sich eben so gern der Sitte,
daß unsere Töchter an fremden Höfen dem Glauben des heiligen Rußlands rren
bleiben.

So ist jetzt die Aufgabe uuserer Diplomaten: Oestreichs und Preußens
Regierung Wohlwollen zu zeigen, die eifersüchtige Spannung Beider zu erhalte»,
ohne sie zu einer entscheidenden Krisis kommeu zu lassen, und das politisch ohnmächtige
Drittel von „Deutschland", um welches Beide werden, gegen Beide zu sicherm.

Diese Politik, so einfach und nothwendig sie ist, hat gleichwohl durch die
Persönlichkeit des Kaisers und die politischen Ereignisse der letzten Jahre einige
Modificationen erhalten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/358>, abgerufen am 22.07.2024.