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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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zweckmäßige Bestechung der Gerichtspersonen die Beförderung der Angelegenheit,
und so blieb der Proceß unvollendet bei den Gerichten hängen; jetzt ist er ver¬
schollen. Der Kläger nicht, nnr die beschenkte Iuvalideucasse hatte gewonnen.

Man darf wohl annehmen, daß der Fürst, der an der Spitze eines solchen
Staates steht, ganz besonders berufen ist, Schiedsrichter in den Nechtsverwicke-
lnngen deutscher Staaten zu sein.




Was mau in Rußland vou den deutschen Händeln denkt? -- Denken ist
eine deutsche Gewohnheit, vor welcher der Himmel unsre Mutter Nußland behüten
wird, da Ihr vieles Denken Sie in solche Wirthschaft geführt hat. Der Nüsse
denkt nicht, er will, was sein Kopf, der Kaiser will. Ob die große Masse des
Volks und die Masse seiner Beamten und die Masse der Fremden hier über
Deutschland Ansichten hat, und welcher Art diese Ansichten sind, ist daher sehr
gleichgültig. Die privilegirten Nüssen aber, welche in der Nähe des Kaisers ihre
Ansichten holen, hegen in seltener Einigkeit Alle dasselbe Gefühl, welches ich schick¬
licherweise nicht bezeichnen kann, welches aber das entschiedenste und äußerste
Gegentheil von Achtung ist. Der Schach von Persien und der Sultan werden
mit größerm Respect genannt, als die erlauchten Häupter der deutschen Schiiten
und Suuuiten; denn wir haben mehr Grund uns um die Intriguen zu Teheran
und zu Stambul, als um die diplomatische Weisheit von Wien oder Berlin zu
bekümmern; der Orden, welchen Abdul Meschid einem uuserer Generale verleiht,
erweckt mehr Aufmerksamkeit und Neid, als 3 Großkrenze" oder erste,Classen aus
Wien und Berlin, und ein krummer Ehrensäbel, den der russische Vasall vou
Persien einem Gesandten seines Oberherrn schenkt, macht im Palast größere Sen¬
sation, als ein königl. oder kaiserl. Regiment, welches dem Fürsten Statthalter zu
passender Stunde gewidmet wird. Als nach der Pacisication von Ungarn der kleine
Strichhagel östreichischer Orden bei uus niederfiel, war die Sache in der Ordnung,
und da die Orden uicht übermäßig reichlich gegeben wurden und nach vollendeter
Affaire eintrafen, so ließen unsere Generale sich das wohlwollend gefallen; aber
daß neulich unmittelbar vor deu Conferenzen vou Warschau die Majestät von
Preußen den Fürsten von Erivan zum Commandeur eines preußischen Regiments
machte, das war doch gar zu -- fein, und brachte keine andere Wirkung hervor,
als ein Achselzucken und ein wenig schmeichelhaftes Lächeln. Jeder Turkomanneu-
hänptling, welcher die russische Vermittelung annimmt, hätte das Selbstgefühl ge¬
habt, einen andern Zeitpunkt für solche öffentliche Artigkeiten zu finden, als den,



Wir geben diesen Brief ohne jeden Commentar und überlassen unsern Lesern ans
,
D. N. den Worten eines Gegners das für uns Nützliche herauszufinden.

zweckmäßige Bestechung der Gerichtspersonen die Beförderung der Angelegenheit,
und so blieb der Proceß unvollendet bei den Gerichten hängen; jetzt ist er ver¬
schollen. Der Kläger nicht, nnr die beschenkte Iuvalideucasse hatte gewonnen.

Man darf wohl annehmen, daß der Fürst, der an der Spitze eines solchen
Staates steht, ganz besonders berufen ist, Schiedsrichter in den Nechtsverwicke-
lnngen deutscher Staaten zu sein.




Was mau in Rußland vou den deutschen Händeln denkt? — Denken ist
eine deutsche Gewohnheit, vor welcher der Himmel unsre Mutter Nußland behüten
wird, da Ihr vieles Denken Sie in solche Wirthschaft geführt hat. Der Nüsse
denkt nicht, er will, was sein Kopf, der Kaiser will. Ob die große Masse des
Volks und die Masse seiner Beamten und die Masse der Fremden hier über
Deutschland Ansichten hat, und welcher Art diese Ansichten sind, ist daher sehr
gleichgültig. Die privilegirten Nüssen aber, welche in der Nähe des Kaisers ihre
Ansichten holen, hegen in seltener Einigkeit Alle dasselbe Gefühl, welches ich schick¬
licherweise nicht bezeichnen kann, welches aber das entschiedenste und äußerste
Gegentheil von Achtung ist. Der Schach von Persien und der Sultan werden
mit größerm Respect genannt, als die erlauchten Häupter der deutschen Schiiten
und Suuuiten; denn wir haben mehr Grund uns um die Intriguen zu Teheran
und zu Stambul, als um die diplomatische Weisheit von Wien oder Berlin zu
bekümmern; der Orden, welchen Abdul Meschid einem uuserer Generale verleiht,
erweckt mehr Aufmerksamkeit und Neid, als 3 Großkrenze" oder erste,Classen aus
Wien und Berlin, und ein krummer Ehrensäbel, den der russische Vasall vou
Persien einem Gesandten seines Oberherrn schenkt, macht im Palast größere Sen¬
sation, als ein königl. oder kaiserl. Regiment, welches dem Fürsten Statthalter zu
passender Stunde gewidmet wird. Als nach der Pacisication von Ungarn der kleine
Strichhagel östreichischer Orden bei uus niederfiel, war die Sache in der Ordnung,
und da die Orden uicht übermäßig reichlich gegeben wurden und nach vollendeter
Affaire eintrafen, so ließen unsere Generale sich das wohlwollend gefallen; aber
daß neulich unmittelbar vor deu Conferenzen vou Warschau die Majestät von
Preußen den Fürsten von Erivan zum Commandeur eines preußischen Regiments
machte, das war doch gar zu — fein, und brachte keine andere Wirkung hervor,
als ein Achselzucken und ein wenig schmeichelhaftes Lächeln. Jeder Turkomanneu-
hänptling, welcher die russische Vermittelung annimmt, hätte das Selbstgefühl ge¬
habt, einen andern Zeitpunkt für solche öffentliche Artigkeiten zu finden, als den,



Wir geben diesen Brief ohne jeden Commentar und überlassen unsern Lesern ans
,
D. N. den Worten eines Gegners das für uns Nützliche herauszufinden.
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[0356] zweckmäßige Bestechung der Gerichtspersonen die Beförderung der Angelegenheit, und so blieb der Proceß unvollendet bei den Gerichten hängen; jetzt ist er ver¬ schollen. Der Kläger nicht, nnr die beschenkte Iuvalideucasse hatte gewonnen. Man darf wohl annehmen, daß der Fürst, der an der Spitze eines solchen Staates steht, ganz besonders berufen ist, Schiedsrichter in den Nechtsverwicke- lnngen deutscher Staaten zu sein. Was mau in Rußland vou den deutschen Händeln denkt? — Denken ist eine deutsche Gewohnheit, vor welcher der Himmel unsre Mutter Nußland behüten wird, da Ihr vieles Denken Sie in solche Wirthschaft geführt hat. Der Nüsse denkt nicht, er will, was sein Kopf, der Kaiser will. Ob die große Masse des Volks und die Masse seiner Beamten und die Masse der Fremden hier über Deutschland Ansichten hat, und welcher Art diese Ansichten sind, ist daher sehr gleichgültig. Die privilegirten Nüssen aber, welche in der Nähe des Kaisers ihre Ansichten holen, hegen in seltener Einigkeit Alle dasselbe Gefühl, welches ich schick¬ licherweise nicht bezeichnen kann, welches aber das entschiedenste und äußerste Gegentheil von Achtung ist. Der Schach von Persien und der Sultan werden mit größerm Respect genannt, als die erlauchten Häupter der deutschen Schiiten und Suuuiten; denn wir haben mehr Grund uns um die Intriguen zu Teheran und zu Stambul, als um die diplomatische Weisheit von Wien oder Berlin zu bekümmern; der Orden, welchen Abdul Meschid einem uuserer Generale verleiht, erweckt mehr Aufmerksamkeit und Neid, als 3 Großkrenze" oder erste,Classen aus Wien und Berlin, und ein krummer Ehrensäbel, den der russische Vasall vou Persien einem Gesandten seines Oberherrn schenkt, macht im Palast größere Sen¬ sation, als ein königl. oder kaiserl. Regiment, welches dem Fürsten Statthalter zu passender Stunde gewidmet wird. Als nach der Pacisication von Ungarn der kleine Strichhagel östreichischer Orden bei uus niederfiel, war die Sache in der Ordnung, und da die Orden uicht übermäßig reichlich gegeben wurden und nach vollendeter Affaire eintrafen, so ließen unsere Generale sich das wohlwollend gefallen; aber daß neulich unmittelbar vor deu Conferenzen vou Warschau die Majestät von Preußen den Fürsten von Erivan zum Commandeur eines preußischen Regiments machte, das war doch gar zu — fein, und brachte keine andere Wirkung hervor, als ein Achselzucken und ein wenig schmeichelhaftes Lächeln. Jeder Turkomanneu- hänptling, welcher die russische Vermittelung annimmt, hätte das Selbstgefühl ge¬ habt, einen andern Zeitpunkt für solche öffentliche Artigkeiten zu finden, als den, Wir geben diesen Brief ohne jeden Commentar und überlassen unsern Lesern ans , D. N. den Worten eines Gegners das für uns Nützliche herauszufinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/356>, abgerufen am 22.07.2024.