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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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sie bei der vom Papst gegen Oestreich angenommenen feindlichen Stellung nö¬
thig zu erinnern und unablässig zu erläutern: daß das Kircheuobcrhaupt an dem
blos von der weltlichen Regierung Roms begmmeuen Kriege durchaus nicht
Theil nehme, dies zeige das tiefe Bedauern, das der Papst dem östreichischen
Gesandten über die Abreißung und Zertrümmerung des Adlers an seinem Hotel
ausdrückte; die Fahueuweihe, wovon Durando in seinem Tagsbefehl sprach,
wurde schlechtweg geleugnet. Da griff Erzherzog Johann, der eben in's Land
gekommen, in seinem Aufrufvom 13. April eiuen Ton, der unter deu jüngern Männern
des Volkes manchen Wiederhall fand; er erinnerte daran, daß Tyrol ein deut¬
sches Land, daß es vou seinem deutscheu Vaterlande nicht getrennt, überhaupt
uicht zerstückt werdeu dürfe; er rief die Männer Tyrols auf, Zeuge zu sein ihres
deutschen Sinnes, ihre Heimath nicht der Willkür Fremder preiszugeben. Daß
es wenigstens der Mehrzahl nach teutschgesinnte Männer waren, die in den
letzten Tagen des April zum Auszug spornten und an die Spitze der Com¬
pagnie traten, beweisen die häusigen schwarz-roth-goldnen Fahnen und Bandrosen,
obschon die Innsbrucker Schutzdeputation weißgrüne, die alttyrolischeu, angeordnet
hatte. Wenn auch ohne Herz für die Sache, sah sich der Clerus nnn doch ge¬
nöthigt, den Schein anzunehmen, als ob es ihm damit Ernst wäre. Die Seelen-
Hirten feierten uun Fahnenweihen, hielten salbungsvolle Anreden beim Auszüge,
und schlössen sich wohl gar selbst als Feldcapläue deu Zügen an.

In Innsbruck zeichnete sich die akademische Jugend durch ihre Begeisterung
ans, wofür ihre Genossen in Wien mitgewirkt. Auch sie hatten schon im März
vereint mit gebildeten Männern des Beamten- und Bürgerstandes eine National¬
garde errichtet; nnn zogen sie in zwei Compagnien nach der gefährdeten Grenze,
und zeigten so durch die That, wie schnell sich aus der Nationalgarde ein Frei¬
corps bildet. Den Negierungsmännern war freilich nichts unleidlicher, als dieses
Innglingsfener. Hatte doch die Wiener Aula schou zwei barricadeustürmende
Adressen Hieher gesandt, und huldigende Autwort erhalten, der einberufene kleine
Landtagsansschnß sich aus Scheu vor eiuer Demonstration zurückgezogen, und
selbst die Jesuiten es räthlich gefunden, zu erklären, daß keiner von ihnen "per¬
sönlich" von den Akademikern insultirt worden. Eine finstre Wolke schien mit
den Akademikern den Innsbrucker Horizont zu räumen. Nur Eins war noch zu
fürchten, ihr Zusammentreffen mit den gefährlichen Genossen ans Wien, die ihnen
ihre treu- und gottlosen Gesinnungen einflößen konnten. Man gab daher den
Letztern, die ebeu zwei Tage vor ihnen in Bozen angelangt waren, den Befehl
zu augenblicklichem Ausbruch, und sandte jene an die Westgrenze nach Storo,
diese aber nach der Westgrenze in's Valsugan.

Gegen die Wiener war man nach dem Rufe, der ihnen vorangeeilt, so er¬
bittert, daß ihnen der uusicherste und gefährliche Posten angewiesen wurde. Mau
hatte sie an das äußerste Eude von Storo dem Feinde zunächst gestellt, ein Ruck-


sie bei der vom Papst gegen Oestreich angenommenen feindlichen Stellung nö¬
thig zu erinnern und unablässig zu erläutern: daß das Kircheuobcrhaupt an dem
blos von der weltlichen Regierung Roms begmmeuen Kriege durchaus nicht
Theil nehme, dies zeige das tiefe Bedauern, das der Papst dem östreichischen
Gesandten über die Abreißung und Zertrümmerung des Adlers an seinem Hotel
ausdrückte; die Fahueuweihe, wovon Durando in seinem Tagsbefehl sprach,
wurde schlechtweg geleugnet. Da griff Erzherzog Johann, der eben in's Land
gekommen, in seinem Aufrufvom 13. April eiuen Ton, der unter deu jüngern Männern
des Volkes manchen Wiederhall fand; er erinnerte daran, daß Tyrol ein deut¬
sches Land, daß es vou seinem deutscheu Vaterlande nicht getrennt, überhaupt
uicht zerstückt werdeu dürfe; er rief die Männer Tyrols auf, Zeuge zu sein ihres
deutschen Sinnes, ihre Heimath nicht der Willkür Fremder preiszugeben. Daß
es wenigstens der Mehrzahl nach teutschgesinnte Männer waren, die in den
letzten Tagen des April zum Auszug spornten und an die Spitze der Com¬
pagnie traten, beweisen die häusigen schwarz-roth-goldnen Fahnen und Bandrosen,
obschon die Innsbrucker Schutzdeputation weißgrüne, die alttyrolischeu, angeordnet
hatte. Wenn auch ohne Herz für die Sache, sah sich der Clerus nnn doch ge¬
nöthigt, den Schein anzunehmen, als ob es ihm damit Ernst wäre. Die Seelen-
Hirten feierten uun Fahnenweihen, hielten salbungsvolle Anreden beim Auszüge,
und schlössen sich wohl gar selbst als Feldcapläue deu Zügen an.

In Innsbruck zeichnete sich die akademische Jugend durch ihre Begeisterung
ans, wofür ihre Genossen in Wien mitgewirkt. Auch sie hatten schon im März
vereint mit gebildeten Männern des Beamten- und Bürgerstandes eine National¬
garde errichtet; nnn zogen sie in zwei Compagnien nach der gefährdeten Grenze,
und zeigten so durch die That, wie schnell sich aus der Nationalgarde ein Frei¬
corps bildet. Den Negierungsmännern war freilich nichts unleidlicher, als dieses
Innglingsfener. Hatte doch die Wiener Aula schou zwei barricadeustürmende
Adressen Hieher gesandt, und huldigende Autwort erhalten, der einberufene kleine
Landtagsansschnß sich aus Scheu vor eiuer Demonstration zurückgezogen, und
selbst die Jesuiten es räthlich gefunden, zu erklären, daß keiner von ihnen „per¬
sönlich" von den Akademikern insultirt worden. Eine finstre Wolke schien mit
den Akademikern den Innsbrucker Horizont zu räumen. Nur Eins war noch zu
fürchten, ihr Zusammentreffen mit den gefährlichen Genossen ans Wien, die ihnen
ihre treu- und gottlosen Gesinnungen einflößen konnten. Man gab daher den
Letztern, die ebeu zwei Tage vor ihnen in Bozen angelangt waren, den Befehl
zu augenblicklichem Ausbruch, und sandte jene an die Westgrenze nach Storo,
diese aber nach der Westgrenze in's Valsugan.

Gegen die Wiener war man nach dem Rufe, der ihnen vorangeeilt, so er¬
bittert, daß ihnen der uusicherste und gefährliche Posten angewiesen wurde. Mau
hatte sie an das äußerste Eude von Storo dem Feinde zunächst gestellt, ein Ruck-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/311>, abgerufen am 22.07.2024.