Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Pässe Tyrols vom Stilfserjoch längs der ganzen Ost- und Südseite bis an den
westlichen Kreuzberg waren von jeder Abwehr entblößt, die Dampfschiffe ans dem
Gardasee von den Insurgenten in Beschlag genommen und zu Transporten benützt,
das von der italienischen Armee und ans dem Norden herbeigezogene Militär
vorerst in Trient concentrirt, um dort die aufständische Bevölkerung in Schranken
zu halten und Pallisaden zu errichten. So erfolgreich hatte die Innsbrucker Landes-
schutzdeputatiou in deu ersten 20 Tagen ihres Amtes gewirkt'', daß sie dem
schwachen Corps im Mittelpunkte der drei südlichen Straßen auch nicht eine
Schützencompagnie zu senden vermochte. Mit der allgemeinen Herabsetzung des
Salzpreises auf jenen des Viehsalzes, den sie durch ihre Abgeordneten in Wien
betrieb und vom Kaiser bewilligt erhielt, glaubte sie für den Bauern eine Gnade
erwirkt zu haben, wofür er mit dem Stützen in der Hand danken könnte. Und
als sich gegen das beschränkte Gebühren öffentliche Stimmen erhoben, wies man
im Gefühle des Verdienstes im Tyroler Boten auf die Erfolge des Militärs hin,
das der Beihilfe des Volkes gar uicht bedurft hätte. Karl Albert und seine Ge¬
neräle glaubten freilich den Sieg an den Besitz des Plateaus von Nivoli gekettet,
weil dort Napoleon mit einem Streich die Herrschaft über Oberitalien errungen,
und rannten sich die Stirne wund an Radetzky's stärkstem Bollwerk. Hätten sie
anstatt dessen ein geordnetes Corps über Judicarien, Trient und Valsugana ent¬
sendet, den Oestreichern anch noch diese letzte Lebensader abgeschnitten, und sich
im Verein mit Durando dem Ersatze Nugeut's entgegengeworfen, so wäre es
wahrscheinlich um deu wackern Feldherrn und sein ganzes Heer geschehen gewesen.
Der kluge Alte rieb sich die Hände, und lachte über die halsstarrige Blindheit
seiner Geguer. Den Tyrolern kam außerdem noch zu statten, daß die bekannte
wälsche Scheu vor Stich- und Kugelwuudeu nichts vou .ihrem Einfluß verloren
hatte. Ohne auf ein östreichisches Bajonnet zu stoßen, zogen die Freischaaren
von der Grenze bis Alle Sarche, ungefähr drei Wegesstuudeu vor Trient; das
dreifarbige republikanische Banner flatterte lustig aller Orten, wo sie erschienen,
aber nicht einmal den ersten Posten, der sich seiner Schwäche halber ans das
Schloß Dubliuo zurückziehen mußte, waren sie im Stande aufzuheben. Trotzdem
machten die Oestreicher bei diesem Scharmützel 21 Gefangene, darunter 17 De¬
serteurs, und erschossen sie zu guter Warnung für die Trienter Tags darauf im
dortigen Schloßgraben. Eine audere Abtheilung dieses Freicorps, großenteils
ans Studenten von Pavia gebildet, rückte durch das Ledrothal gegen Riva, und
ein zweiter Haufen, die Brigade Scotty, über deu Tonale dnrch das Sulzthal
auf deu Monöberg. Um sich dieser Streifzüge im Rücken des Heeres, die das
ganze Etschthal in beständiger Gährung erhielten, zu entledigen, unternahm der
Commandirende, >Feldmarschalllieutenant Baron v. Melden, am 19. April einen
allgemeinen Angriff auf allen gefährdeten Punkten. Er selbst vereinigte fiel) mit
der Hanptcoloune, aus elf Compagnien und einer Abtheilung Cavalerie bestehend,


Pässe Tyrols vom Stilfserjoch längs der ganzen Ost- und Südseite bis an den
westlichen Kreuzberg waren von jeder Abwehr entblößt, die Dampfschiffe ans dem
Gardasee von den Insurgenten in Beschlag genommen und zu Transporten benützt,
das von der italienischen Armee und ans dem Norden herbeigezogene Militär
vorerst in Trient concentrirt, um dort die aufständische Bevölkerung in Schranken
zu halten und Pallisaden zu errichten. So erfolgreich hatte die Innsbrucker Landes-
schutzdeputatiou in deu ersten 20 Tagen ihres Amtes gewirkt'', daß sie dem
schwachen Corps im Mittelpunkte der drei südlichen Straßen auch nicht eine
Schützencompagnie zu senden vermochte. Mit der allgemeinen Herabsetzung des
Salzpreises auf jenen des Viehsalzes, den sie durch ihre Abgeordneten in Wien
betrieb und vom Kaiser bewilligt erhielt, glaubte sie für den Bauern eine Gnade
erwirkt zu haben, wofür er mit dem Stützen in der Hand danken könnte. Und
als sich gegen das beschränkte Gebühren öffentliche Stimmen erhoben, wies man
im Gefühle des Verdienstes im Tyroler Boten auf die Erfolge des Militärs hin,
das der Beihilfe des Volkes gar uicht bedurft hätte. Karl Albert und seine Ge¬
neräle glaubten freilich den Sieg an den Besitz des Plateaus von Nivoli gekettet,
weil dort Napoleon mit einem Streich die Herrschaft über Oberitalien errungen,
und rannten sich die Stirne wund an Radetzky's stärkstem Bollwerk. Hätten sie
anstatt dessen ein geordnetes Corps über Judicarien, Trient und Valsugana ent¬
sendet, den Oestreichern anch noch diese letzte Lebensader abgeschnitten, und sich
im Verein mit Durando dem Ersatze Nugeut's entgegengeworfen, so wäre es
wahrscheinlich um deu wackern Feldherrn und sein ganzes Heer geschehen gewesen.
Der kluge Alte rieb sich die Hände, und lachte über die halsstarrige Blindheit
seiner Geguer. Den Tyrolern kam außerdem noch zu statten, daß die bekannte
wälsche Scheu vor Stich- und Kugelwuudeu nichts vou .ihrem Einfluß verloren
hatte. Ohne auf ein östreichisches Bajonnet zu stoßen, zogen die Freischaaren
von der Grenze bis Alle Sarche, ungefähr drei Wegesstuudeu vor Trient; das
dreifarbige republikanische Banner flatterte lustig aller Orten, wo sie erschienen,
aber nicht einmal den ersten Posten, der sich seiner Schwäche halber ans das
Schloß Dubliuo zurückziehen mußte, waren sie im Stande aufzuheben. Trotzdem
machten die Oestreicher bei diesem Scharmützel 21 Gefangene, darunter 17 De¬
serteurs, und erschossen sie zu guter Warnung für die Trienter Tags darauf im
dortigen Schloßgraben. Eine audere Abtheilung dieses Freicorps, großenteils
ans Studenten von Pavia gebildet, rückte durch das Ledrothal gegen Riva, und
ein zweiter Haufen, die Brigade Scotty, über deu Tonale dnrch das Sulzthal
auf deu Monöberg. Um sich dieser Streifzüge im Rücken des Heeres, die das
ganze Etschthal in beständiger Gährung erhielten, zu entledigen, unternahm der
Commandirende, >Feldmarschalllieutenant Baron v. Melden, am 19. April einen
allgemeinen Angriff auf allen gefährdeten Punkten. Er selbst vereinigte fiel) mit
der Hanptcoloune, aus elf Compagnien und einer Abtheilung Cavalerie bestehend,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92598"/>
          <p xml:id="ID_972" prev="#ID_971" next="#ID_973"> Pässe Tyrols vom Stilfserjoch längs der ganzen Ost- und Südseite bis an den<lb/>
westlichen Kreuzberg waren von jeder Abwehr entblößt, die Dampfschiffe ans dem<lb/>
Gardasee von den Insurgenten in Beschlag genommen und zu Transporten benützt,<lb/>
das von der italienischen Armee und ans dem Norden herbeigezogene Militär<lb/>
vorerst in Trient concentrirt, um dort die aufständische Bevölkerung in Schranken<lb/>
zu halten und Pallisaden zu errichten. So erfolgreich hatte die Innsbrucker Landes-<lb/>
schutzdeputatiou in deu ersten 20 Tagen ihres Amtes gewirkt'', daß sie dem<lb/>
schwachen Corps im Mittelpunkte der drei südlichen Straßen auch nicht eine<lb/>
Schützencompagnie zu senden vermochte. Mit der allgemeinen Herabsetzung des<lb/>
Salzpreises auf jenen des Viehsalzes, den sie durch ihre Abgeordneten in Wien<lb/>
betrieb und vom Kaiser bewilligt erhielt, glaubte sie für den Bauern eine Gnade<lb/>
erwirkt zu haben, wofür er mit dem Stützen in der Hand danken könnte. Und<lb/>
als sich gegen das beschränkte Gebühren öffentliche Stimmen erhoben, wies man<lb/>
im Gefühle des Verdienstes im Tyroler Boten auf die Erfolge des Militärs hin,<lb/>
das der Beihilfe des Volkes gar uicht bedurft hätte. Karl Albert und seine Ge¬<lb/>
neräle glaubten freilich den Sieg an den Besitz des Plateaus von Nivoli gekettet,<lb/>
weil dort Napoleon mit einem Streich die Herrschaft über Oberitalien errungen,<lb/>
und rannten sich die Stirne wund an Radetzky's stärkstem Bollwerk. Hätten sie<lb/>
anstatt dessen ein geordnetes Corps über Judicarien, Trient und Valsugana ent¬<lb/>
sendet, den Oestreichern anch noch diese letzte Lebensader abgeschnitten, und sich<lb/>
im Verein mit Durando dem Ersatze Nugeut's entgegengeworfen, so wäre es<lb/>
wahrscheinlich um deu wackern Feldherrn und sein ganzes Heer geschehen gewesen.<lb/>
Der kluge Alte rieb sich die Hände, und lachte über die halsstarrige Blindheit<lb/>
seiner Geguer. Den Tyrolern kam außerdem noch zu statten, daß die bekannte<lb/>
wälsche Scheu vor Stich- und Kugelwuudeu nichts vou .ihrem Einfluß verloren<lb/>
hatte. Ohne auf ein östreichisches Bajonnet zu stoßen, zogen die Freischaaren<lb/>
von der Grenze bis Alle Sarche, ungefähr drei Wegesstuudeu vor Trient; das<lb/>
dreifarbige republikanische Banner flatterte lustig aller Orten, wo sie erschienen,<lb/>
aber nicht einmal den ersten Posten, der sich seiner Schwäche halber ans das<lb/>
Schloß Dubliuo zurückziehen mußte, waren sie im Stande aufzuheben. Trotzdem<lb/>
machten die Oestreicher bei diesem Scharmützel 21 Gefangene, darunter 17 De¬<lb/>
serteurs, und erschossen sie zu guter Warnung für die Trienter Tags darauf im<lb/>
dortigen Schloßgraben. Eine audere Abtheilung dieses Freicorps, großenteils<lb/>
ans Studenten von Pavia gebildet, rückte durch das Ledrothal gegen Riva, und<lb/>
ein zweiter Haufen, die Brigade Scotty, über deu Tonale dnrch das Sulzthal<lb/>
auf deu Monöberg. Um sich dieser Streifzüge im Rücken des Heeres, die das<lb/>
ganze Etschthal in beständiger Gährung erhielten, zu entledigen, unternahm der<lb/>
Commandirende, &gt;Feldmarschalllieutenant Baron v. Melden, am 19. April einen<lb/>
allgemeinen Angriff auf allen gefährdeten Punkten. Er selbst vereinigte fiel) mit<lb/>
der Hanptcoloune, aus elf Compagnien und einer Abtheilung Cavalerie bestehend,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0309] Pässe Tyrols vom Stilfserjoch längs der ganzen Ost- und Südseite bis an den westlichen Kreuzberg waren von jeder Abwehr entblößt, die Dampfschiffe ans dem Gardasee von den Insurgenten in Beschlag genommen und zu Transporten benützt, das von der italienischen Armee und ans dem Norden herbeigezogene Militär vorerst in Trient concentrirt, um dort die aufständische Bevölkerung in Schranken zu halten und Pallisaden zu errichten. So erfolgreich hatte die Innsbrucker Landes- schutzdeputatiou in deu ersten 20 Tagen ihres Amtes gewirkt'', daß sie dem schwachen Corps im Mittelpunkte der drei südlichen Straßen auch nicht eine Schützencompagnie zu senden vermochte. Mit der allgemeinen Herabsetzung des Salzpreises auf jenen des Viehsalzes, den sie durch ihre Abgeordneten in Wien betrieb und vom Kaiser bewilligt erhielt, glaubte sie für den Bauern eine Gnade erwirkt zu haben, wofür er mit dem Stützen in der Hand danken könnte. Und als sich gegen das beschränkte Gebühren öffentliche Stimmen erhoben, wies man im Gefühle des Verdienstes im Tyroler Boten auf die Erfolge des Militärs hin, das der Beihilfe des Volkes gar uicht bedurft hätte. Karl Albert und seine Ge¬ neräle glaubten freilich den Sieg an den Besitz des Plateaus von Nivoli gekettet, weil dort Napoleon mit einem Streich die Herrschaft über Oberitalien errungen, und rannten sich die Stirne wund an Radetzky's stärkstem Bollwerk. Hätten sie anstatt dessen ein geordnetes Corps über Judicarien, Trient und Valsugana ent¬ sendet, den Oestreichern anch noch diese letzte Lebensader abgeschnitten, und sich im Verein mit Durando dem Ersatze Nugeut's entgegengeworfen, so wäre es wahrscheinlich um deu wackern Feldherrn und sein ganzes Heer geschehen gewesen. Der kluge Alte rieb sich die Hände, und lachte über die halsstarrige Blindheit seiner Geguer. Den Tyrolern kam außerdem noch zu statten, daß die bekannte wälsche Scheu vor Stich- und Kugelwuudeu nichts vou .ihrem Einfluß verloren hatte. Ohne auf ein östreichisches Bajonnet zu stoßen, zogen die Freischaaren von der Grenze bis Alle Sarche, ungefähr drei Wegesstuudeu vor Trient; das dreifarbige republikanische Banner flatterte lustig aller Orten, wo sie erschienen, aber nicht einmal den ersten Posten, der sich seiner Schwäche halber ans das Schloß Dubliuo zurückziehen mußte, waren sie im Stande aufzuheben. Trotzdem machten die Oestreicher bei diesem Scharmützel 21 Gefangene, darunter 17 De¬ serteurs, und erschossen sie zu guter Warnung für die Trienter Tags darauf im dortigen Schloßgraben. Eine audere Abtheilung dieses Freicorps, großenteils ans Studenten von Pavia gebildet, rückte durch das Ledrothal gegen Riva, und ein zweiter Haufen, die Brigade Scotty, über deu Tonale dnrch das Sulzthal auf deu Monöberg. Um sich dieser Streifzüge im Rücken des Heeres, die das ganze Etschthal in beständiger Gährung erhielten, zu entledigen, unternahm der Commandirende, >Feldmarschalllieutenant Baron v. Melden, am 19. April einen allgemeinen Angriff auf allen gefährdeten Punkten. Er selbst vereinigte fiel) mit der Hanptcoloune, aus elf Compagnien und einer Abtheilung Cavalerie bestehend,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/309
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/309>, abgerufen am 25.08.2024.