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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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gerüsteten Gegners zu erblicken. Allerdings weiß das Kabinet Schwarzenberg
das recht gut, die Zerrüttung der östreichischen Finanzen ist so vollständig, daß
es ans einen Krieg gar nicht mehr ankommt, und eine Armee in Feindesland
kostet überdem, -- wenigstens meinen die Generäle so -- weniger, als in der
Heimath. Aus diesen Gründen hat die Regierung Oestreichs ebenso vielen Grund,
einen Conflict und Preußen jetzt zu suchen, als Preußen Grund hat, denselben
bis über deu Winter aufzuschieben.

Die natürlichen Bundesgenossen Preußens siud seit dem März 18^8 und dem
26. Mai 18-^9 Sardinien und England. Einige Monate Zeit mögen hinreichen,
zwischen Preußen und Sardinien ein Bündniß und gemeinsames Handeln zu be¬
wirken, und mit England, dem zögernden und ealcnlirenden, das nöthige Ge-
schüft abzuschließen. Es würde eine intime Allianz, welche mehr als Subsidien
und Hilfsnoteil garantirt, bei fester Entschlossenheit Preußens nicht unüberwind¬
liche Schwierigkeiten haben; denn die Führer Englands wissen gemalter, als die
deutschen Diplomaten, daß das Jahr 1851 in der Türkei und Italien eine große
Menge von Brennstoff vorfinden wird, und daß ein Conflict und Rußland fast
sicher zu erwarten ist, der diesmal schwerlich zwischen Agenten beider Mächte, etwa
zwischen Herrn Wyse und Geueral Levsoff auszukämpfen sein wird.

Im nächsten Jahre vermehren sich auch in Fraukreich die Verwickelullgen.
Die Intriguen der Parteien tun die Präsidentschaft werden so viel von den Kräften
der Nation absorbiren, daß bei der Unsicherheit der innern Zukunft die auswärtige
Politik eine rein abwehrellde wird sein müssen. Für einen möglichen Krieg in
Deutschland ist eine solche streng neutrale Stellung Frankreichs in der nächsten
Zeit da5 größte Glück; wenigstens würde keine Partei, Preußen am wenigsten,
es vortheilhaft finden dürfen, eine andere Hilfe Frankreichs, als die seiner Flotte
lui Mittelmeere anzunehmen. Ebensowenig ist es dem Interesse Frankreichs ge¬
mäß, mehr als höchstens dies den Inhabern der Rheinländer zu bewilligen. Ueber
die gegenwärtige Regierung Frankreichs hinaus würde eine vorsorgende Politik
Preußens den Häuptern der beiden gemäßigten Fractionen, der Familie Orleans
sowohl, als der Partei Cavaignac jede Art von frenndlicher persönlicher Aufmerk¬
samkeit zu beweisen haben. Ferner aber hätte der Minister des Auswärtigen in
Berlin die Aufgabe, an deu großen Organen der französischen Presse Bundes¬
genossen zu gewinnen. Bei deu eigellthümlichen Verhältnissen der Presse in Frank¬
reich ist dies allerdings in kurzer Zeit durch geschickte Operationen zu erreichen.

Und hier sei nebenbei erwähnt, daß es eine der erstell Aufgaben eines
fähigen Ministeriums sein müßte, das sogenannte Zeitungscabinet zu reformiren
und deu Etat desselben zu erhöhen. Was die Presse in Deutschland und Enropa
für eine entschlossene, vermnlftige Regierung Preußens thun könnte, wäre eben¬
so viel werth, als eine Armee von der Stärke der preußischen. Bis lehr hat
man in Berlin die deutsche Presse nachlässig und kurzsichtig behandelt. Die Be-


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gerüsteten Gegners zu erblicken. Allerdings weiß das Kabinet Schwarzenberg
das recht gut, die Zerrüttung der östreichischen Finanzen ist so vollständig, daß
es ans einen Krieg gar nicht mehr ankommt, und eine Armee in Feindesland
kostet überdem, — wenigstens meinen die Generäle so — weniger, als in der
Heimath. Aus diesen Gründen hat die Regierung Oestreichs ebenso vielen Grund,
einen Conflict und Preußen jetzt zu suchen, als Preußen Grund hat, denselben
bis über deu Winter aufzuschieben.

Die natürlichen Bundesgenossen Preußens siud seit dem März 18^8 und dem
26. Mai 18-^9 Sardinien und England. Einige Monate Zeit mögen hinreichen,
zwischen Preußen und Sardinien ein Bündniß und gemeinsames Handeln zu be¬
wirken, und mit England, dem zögernden und ealcnlirenden, das nöthige Ge-
schüft abzuschließen. Es würde eine intime Allianz, welche mehr als Subsidien
und Hilfsnoteil garantirt, bei fester Entschlossenheit Preußens nicht unüberwind¬
liche Schwierigkeiten haben; denn die Führer Englands wissen gemalter, als die
deutschen Diplomaten, daß das Jahr 1851 in der Türkei und Italien eine große
Menge von Brennstoff vorfinden wird, und daß ein Conflict und Rußland fast
sicher zu erwarten ist, der diesmal schwerlich zwischen Agenten beider Mächte, etwa
zwischen Herrn Wyse und Geueral Levsoff auszukämpfen sein wird.

Im nächsten Jahre vermehren sich auch in Fraukreich die Verwickelullgen.
Die Intriguen der Parteien tun die Präsidentschaft werden so viel von den Kräften
der Nation absorbiren, daß bei der Unsicherheit der innern Zukunft die auswärtige
Politik eine rein abwehrellde wird sein müssen. Für einen möglichen Krieg in
Deutschland ist eine solche streng neutrale Stellung Frankreichs in der nächsten
Zeit da5 größte Glück; wenigstens würde keine Partei, Preußen am wenigsten,
es vortheilhaft finden dürfen, eine andere Hilfe Frankreichs, als die seiner Flotte
lui Mittelmeere anzunehmen. Ebensowenig ist es dem Interesse Frankreichs ge¬
mäß, mehr als höchstens dies den Inhabern der Rheinländer zu bewilligen. Ueber
die gegenwärtige Regierung Frankreichs hinaus würde eine vorsorgende Politik
Preußens den Häuptern der beiden gemäßigten Fractionen, der Familie Orleans
sowohl, als der Partei Cavaignac jede Art von frenndlicher persönlicher Aufmerk¬
samkeit zu beweisen haben. Ferner aber hätte der Minister des Auswärtigen in
Berlin die Aufgabe, an deu großen Organen der französischen Presse Bundes¬
genossen zu gewinnen. Bei deu eigellthümlichen Verhältnissen der Presse in Frank¬
reich ist dies allerdings in kurzer Zeit durch geschickte Operationen zu erreichen.

Und hier sei nebenbei erwähnt, daß es eine der erstell Aufgaben eines
fähigen Ministeriums sein müßte, das sogenannte Zeitungscabinet zu reformiren
und deu Etat desselben zu erhöhen. Was die Presse in Deutschland und Enropa
für eine entschlossene, vermnlftige Regierung Preußens thun könnte, wäre eben¬
so viel werth, als eine Armee von der Stärke der preußischen. Bis lehr hat
man in Berlin die deutsche Presse nachlässig und kurzsichtig behandelt. Die Be-


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[0283] gerüsteten Gegners zu erblicken. Allerdings weiß das Kabinet Schwarzenberg das recht gut, die Zerrüttung der östreichischen Finanzen ist so vollständig, daß es ans einen Krieg gar nicht mehr ankommt, und eine Armee in Feindesland kostet überdem, — wenigstens meinen die Generäle so — weniger, als in der Heimath. Aus diesen Gründen hat die Regierung Oestreichs ebenso vielen Grund, einen Conflict und Preußen jetzt zu suchen, als Preußen Grund hat, denselben bis über deu Winter aufzuschieben. Die natürlichen Bundesgenossen Preußens siud seit dem März 18^8 und dem 26. Mai 18-^9 Sardinien und England. Einige Monate Zeit mögen hinreichen, zwischen Preußen und Sardinien ein Bündniß und gemeinsames Handeln zu be¬ wirken, und mit England, dem zögernden und ealcnlirenden, das nöthige Ge- schüft abzuschließen. Es würde eine intime Allianz, welche mehr als Subsidien und Hilfsnoteil garantirt, bei fester Entschlossenheit Preußens nicht unüberwind¬ liche Schwierigkeiten haben; denn die Führer Englands wissen gemalter, als die deutschen Diplomaten, daß das Jahr 1851 in der Türkei und Italien eine große Menge von Brennstoff vorfinden wird, und daß ein Conflict und Rußland fast sicher zu erwarten ist, der diesmal schwerlich zwischen Agenten beider Mächte, etwa zwischen Herrn Wyse und Geueral Levsoff auszukämpfen sein wird. Im nächsten Jahre vermehren sich auch in Fraukreich die Verwickelullgen. Die Intriguen der Parteien tun die Präsidentschaft werden so viel von den Kräften der Nation absorbiren, daß bei der Unsicherheit der innern Zukunft die auswärtige Politik eine rein abwehrellde wird sein müssen. Für einen möglichen Krieg in Deutschland ist eine solche streng neutrale Stellung Frankreichs in der nächsten Zeit da5 größte Glück; wenigstens würde keine Partei, Preußen am wenigsten, es vortheilhaft finden dürfen, eine andere Hilfe Frankreichs, als die seiner Flotte lui Mittelmeere anzunehmen. Ebensowenig ist es dem Interesse Frankreichs ge¬ mäß, mehr als höchstens dies den Inhabern der Rheinländer zu bewilligen. Ueber die gegenwärtige Regierung Frankreichs hinaus würde eine vorsorgende Politik Preußens den Häuptern der beiden gemäßigten Fractionen, der Familie Orleans sowohl, als der Partei Cavaignac jede Art von frenndlicher persönlicher Aufmerk¬ samkeit zu beweisen haben. Ferner aber hätte der Minister des Auswärtigen in Berlin die Aufgabe, an deu großen Organen der französischen Presse Bundes¬ genossen zu gewinnen. Bei deu eigellthümlichen Verhältnissen der Presse in Frank¬ reich ist dies allerdings in kurzer Zeit durch geschickte Operationen zu erreichen. Und hier sei nebenbei erwähnt, daß es eine der erstell Aufgaben eines fähigen Ministeriums sein müßte, das sogenannte Zeitungscabinet zu reformiren und deu Etat desselben zu erhöhen. Was die Presse in Deutschland und Enropa für eine entschlossene, vermnlftige Regierung Preußens thun könnte, wäre eben¬ so viel werth, als eine Armee von der Stärke der preußischen. Bis lehr hat man in Berlin die deutsche Presse nachlässig und kurzsichtig behandelt. Die Be- 100*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/283>, abgerufen am 22.07.2024.