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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Berichterstatter des permanenten Ausschusses und des Rechtspflegen-Ausschusses. Eine
für die Thätigkeit des permanenten Ausschusses sehr wichtige Priucipienfrage, welche
von der -- wie es scheint -- ermatteten Ständeversammlung übergangen wurde,
nahm Wippermann als persönliche Angelegenheit ans und kämpfte sie siegreich
durch. Hasseupflug nämlich, welcher fortwährend bemüht war, die Wirksamkeit
des permanenten Ausschusses zu lahmen, weigerte sich, dessen Mitgliedern wäh¬
rend ihres Aufenthaltes in Kassel die Tagegelder zukommen zu lassen, welche die
Verfassungsurkunde deu Mitgliedern der Ständeversammlung bewilligt; nach Gut¬
dünken wollte er Tagegelder nur dann zahlen lassen, wenn von ihm die Noth--
wcndigkeit anerkannt sei, daß der Ausschuß aus besonderer Veranlassung zusam¬
mentreten müsse. Wippermann führte dagegen eine Gerichtsentscheidung herbei,
welche gegen Hasseupflug's Ansicht dem Ausschuß das Recht zuerkennt, nach freiem
Ermessensich zu versammeln und so lange, als er es für nöthig erachtet, versammelt
zu bleiben, ohne daß diese Befugniß durch eine Staatsbehörde beschränkt werden
dürfe. Eifrig half Wippermann die Anklage Hassenpflug's betreiben, während
Henkel und der damals noch liberale Scheffer deren Erfolglosigkeit vorhersagten.
Um den wichtigen Mann als ständiges Mitglied des permanenten Ausschusses in
Kassel festzuhalten, wählte ihn, uach Schönburg's Wunsch, der Magistrat und
Bürgeransschnß der Residenz zum zweiten Stadtvorstand; Hassenpflug versagte
die Bestätigung. Da gab man ihm das Ehrenbürgerrecht und machte ihn zum
zweiten Stadtsecretär. Auch das suchte Hasseupflug durch rabulistische Gesetzaus¬
legung zu verhindern. Weil nämlich die Gemeindeordnung vorschreibt, daß der
Stadtsecretär aufLebenszeit gewählt werden soll, gab es Hassenpflug wegen des im Ge¬
setz gebrauchten Singularis für eine Gesetzwidrigkeit aus, ueben einem schon vor¬
handenen Secretär noch einen zweiten in Wippermann's Person zu wählen. Doch
die Gerichte schützten die Gerechtsame der Stadt: Wippermann blieb seit 1835
als Argus-äugigcr Wächter unserer fast stets bedrohten verfassungsmäßigen Rechte
in Kassel. Männer vou feinerem Ahnungsvermögen lebten schon in den dreißiger
Jahren in der Erwartung, daß Wippermann einst noch Minister werden müsse,
und machten ihm in auffallender Weise deu Hof, zogen sich aber nach eingetrete¬
ner Reaction schen vor ihm zurück. Scheffer suchte den lästigen Gast im
Jahre 1847 durch das von der Negierung höchst willkürlich aufgestellte Standes-
uud Wohuungsprincip -- und als dieser Vorwand durch anderweitige Wahl be¬
seitigt war, durch eine frivole Anklage wegen einiger in die "Deutsche Zeitung"
gelieferten Correspondenzartikel, worin die heillosen kurhessischen Zustände
mit großer Mäßigung besprochen waren, von der letzten vormärzlichen Stände-
Versammlung auszuschließen; ja er suspendirte ihn sogar durch einen offenbaren
Gewaltschritt vou seinen städtischem Aemtern, wogegen die städtischen Behörden
bei den Gerichten Schutz suchten und fanden. Natürlich wurde Wippermann
freigesprochen; "die Hand des Richters streifte blos über ihn hin," wie er sich


Berichterstatter des permanenten Ausschusses und des Rechtspflegen-Ausschusses. Eine
für die Thätigkeit des permanenten Ausschusses sehr wichtige Priucipienfrage, welche
von der — wie es scheint — ermatteten Ständeversammlung übergangen wurde,
nahm Wippermann als persönliche Angelegenheit ans und kämpfte sie siegreich
durch. Hasseupflug nämlich, welcher fortwährend bemüht war, die Wirksamkeit
des permanenten Ausschusses zu lahmen, weigerte sich, dessen Mitgliedern wäh¬
rend ihres Aufenthaltes in Kassel die Tagegelder zukommen zu lassen, welche die
Verfassungsurkunde deu Mitgliedern der Ständeversammlung bewilligt; nach Gut¬
dünken wollte er Tagegelder nur dann zahlen lassen, wenn von ihm die Noth--
wcndigkeit anerkannt sei, daß der Ausschuß aus besonderer Veranlassung zusam¬
mentreten müsse. Wippermann führte dagegen eine Gerichtsentscheidung herbei,
welche gegen Hasseupflug's Ansicht dem Ausschuß das Recht zuerkennt, nach freiem
Ermessensich zu versammeln und so lange, als er es für nöthig erachtet, versammelt
zu bleiben, ohne daß diese Befugniß durch eine Staatsbehörde beschränkt werden
dürfe. Eifrig half Wippermann die Anklage Hassenpflug's betreiben, während
Henkel und der damals noch liberale Scheffer deren Erfolglosigkeit vorhersagten.
Um den wichtigen Mann als ständiges Mitglied des permanenten Ausschusses in
Kassel festzuhalten, wählte ihn, uach Schönburg's Wunsch, der Magistrat und
Bürgeransschnß der Residenz zum zweiten Stadtvorstand; Hassenpflug versagte
die Bestätigung. Da gab man ihm das Ehrenbürgerrecht und machte ihn zum
zweiten Stadtsecretär. Auch das suchte Hasseupflug durch rabulistische Gesetzaus¬
legung zu verhindern. Weil nämlich die Gemeindeordnung vorschreibt, daß der
Stadtsecretär aufLebenszeit gewählt werden soll, gab es Hassenpflug wegen des im Ge¬
setz gebrauchten Singularis für eine Gesetzwidrigkeit aus, ueben einem schon vor¬
handenen Secretär noch einen zweiten in Wippermann's Person zu wählen. Doch
die Gerichte schützten die Gerechtsame der Stadt: Wippermann blieb seit 1835
als Argus-äugigcr Wächter unserer fast stets bedrohten verfassungsmäßigen Rechte
in Kassel. Männer vou feinerem Ahnungsvermögen lebten schon in den dreißiger
Jahren in der Erwartung, daß Wippermann einst noch Minister werden müsse,
und machten ihm in auffallender Weise deu Hof, zogen sich aber nach eingetrete¬
ner Reaction schen vor ihm zurück. Scheffer suchte den lästigen Gast im
Jahre 1847 durch das von der Negierung höchst willkürlich aufgestellte Standes-
uud Wohuungsprincip — und als dieser Vorwand durch anderweitige Wahl be¬
seitigt war, durch eine frivole Anklage wegen einiger in die „Deutsche Zeitung"
gelieferten Correspondenzartikel, worin die heillosen kurhessischen Zustände
mit großer Mäßigung besprochen waren, von der letzten vormärzlichen Stände-
Versammlung auszuschließen; ja er suspendirte ihn sogar durch einen offenbaren
Gewaltschritt vou seinen städtischem Aemtern, wogegen die städtischen Behörden
bei den Gerichten Schutz suchten und fanden. Natürlich wurde Wippermann
freigesprochen; „die Hand des Richters streifte blos über ihn hin," wie er sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/270>, abgerufen am 22.07.2024.