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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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wohner Kassels erkundigt, wie hat er vertröstet ans die Zeit, wo man ihn erst
recht kennen und würdigen lernen werde! Und bekräftigt nicht selbst die Flucht
ans Kassel, über welche damals selbst die damaligen und spätern Freunde Hassen-
pflug's den Stab brachen, als über eine That der Mutlosigkeit, dasselbe Urtheil?
Geschah sie nicht gerade in der Nacht, welche ans die erste Kunde von dem
Spruche des Oberappellatiousgerichtes folgte, dessen energisch ausgeführte Kon¬
sequenzen den Ministerpräsidenten sehr möglicher Weise an einen ganz andern
Platz bringen konnten, als uach Wilhelmsbad?

Wir siud durch die in uuserer Zeit cousequenter ausgebildeten politischen
Systeme und die hervorgetretene radiealfeiudliche Stellung der verschiedenen po¬
litischen Parteien zu einander über die Wahrheit hinaus darau gewöhnt wordeu,
das: post dvL ergo xropler toe in die Seele und die Berechnungen hervortre-
tender Persönlichkeiten zu verlegen. Was hat man nicht Alles gefabelt über die
principielle und consequente Durchführung einer vou Anfang an schlau überlegte",
schlau ciugefädelteu, schlau durchgeführten Hasseupflilgscheu Politik! Raisonnements
ans der Ferne, theoretische Constructionen, welche dnrch die offeukuudigsteu That-
sachen für den, der Angen hat, widerlegt werden! Kann man denn, um das
Derbste, anscheinend am sichersten Stehende herauszugreifen, kann man anch nur
einen Augenblick an einen von vorn herein gefaßten Plan Hasseupflug's zur Re¬
stauration des Bundestags denk'en, wenn man dessen wiederholt öffentlich abge¬
gebenen Erklärungen über diesen Bundestag liest, ohne ihn für stellenweise ganz
verrückt zu halten? Ebenso hat er sich selbst in der für die spätern Schritte so
wichtigen Bestimmung der Verfassungsurkunde über eine "Zuziehung", d. h. Be¬
stimmung des landständischen Ausschusses für die 2c. Steuerausschreibuug offtciell
in Verordnungen Lügen gestraft. Hassenpflug kam, erbeten von dem nach einem
entschieden vormärzlichen Minister sich sehnenden Kurfürsten, auf eigene Rechnung
nach K!urhesseu, nachdem er sich eines starken Gehaltes und für deu Fall eines
nothwendig werdenden raschen Rückzugs eiuer Anweisung auf eine tüchtige Summe
ans der Privatcasse des Fürsten versichert hatte. Das letztere Verhältniß er¬
leichterte ihm obendrein seine Stellung dem Kurfürsten gegenüber.. Vertrauend
auf deu schou beginnenden stärkern Wellenschlag der reactionären Strömung in
deu öffentlichen Verhältnissen Dentschland'S, bauend auf seiue früher erprobten
Kunststücke gegen die Satzungen der knrhessischen Verfassungsurkunde und auf
einen deu Weisungen des Millisteriumö folgsamen Geist in dem Beamtenstand
glaubte Hasseupflug mit Erfolg -- die alten Wege wandeln, die früher gekosteten
Früchte uoch einmal genießen zu können. Aber mochte der Fürst noch so bereit¬
willig auf alle Pläne und Insinuationen des rehabilitirteu Ministers eingehen,
Hassenpflng fand Verhältnisse vor, die er nicht vorhergehen, Gegner, die er
nicht bewältigen konnte, Untergebene, die für seine Pläne viel zu gut und charak-
.terfest waren, und gar wenig Freunde und Helfer. Was er unternahm auf tur-


wohner Kassels erkundigt, wie hat er vertröstet ans die Zeit, wo man ihn erst
recht kennen und würdigen lernen werde! Und bekräftigt nicht selbst die Flucht
ans Kassel, über welche damals selbst die damaligen und spätern Freunde Hassen-
pflug's den Stab brachen, als über eine That der Mutlosigkeit, dasselbe Urtheil?
Geschah sie nicht gerade in der Nacht, welche ans die erste Kunde von dem
Spruche des Oberappellatiousgerichtes folgte, dessen energisch ausgeführte Kon¬
sequenzen den Ministerpräsidenten sehr möglicher Weise an einen ganz andern
Platz bringen konnten, als uach Wilhelmsbad?

Wir siud durch die in uuserer Zeit cousequenter ausgebildeten politischen
Systeme und die hervorgetretene radiealfeiudliche Stellung der verschiedenen po¬
litischen Parteien zu einander über die Wahrheit hinaus darau gewöhnt wordeu,
das: post dvL ergo xropler toe in die Seele und die Berechnungen hervortre-
tender Persönlichkeiten zu verlegen. Was hat man nicht Alles gefabelt über die
principielle und consequente Durchführung einer vou Anfang an schlau überlegte«,
schlau ciugefädelteu, schlau durchgeführten Hasseupflilgscheu Politik! Raisonnements
ans der Ferne, theoretische Constructionen, welche dnrch die offeukuudigsteu That-
sachen für den, der Angen hat, widerlegt werden! Kann man denn, um das
Derbste, anscheinend am sichersten Stehende herauszugreifen, kann man anch nur
einen Augenblick an einen von vorn herein gefaßten Plan Hasseupflug's zur Re¬
stauration des Bundestags denk'en, wenn man dessen wiederholt öffentlich abge¬
gebenen Erklärungen über diesen Bundestag liest, ohne ihn für stellenweise ganz
verrückt zu halten? Ebenso hat er sich selbst in der für die spätern Schritte so
wichtigen Bestimmung der Verfassungsurkunde über eine „Zuziehung", d. h. Be¬
stimmung des landständischen Ausschusses für die 2c. Steuerausschreibuug offtciell
in Verordnungen Lügen gestraft. Hassenpflug kam, erbeten von dem nach einem
entschieden vormärzlichen Minister sich sehnenden Kurfürsten, auf eigene Rechnung
nach K!urhesseu, nachdem er sich eines starken Gehaltes und für deu Fall eines
nothwendig werdenden raschen Rückzugs eiuer Anweisung auf eine tüchtige Summe
ans der Privatcasse des Fürsten versichert hatte. Das letztere Verhältniß er¬
leichterte ihm obendrein seine Stellung dem Kurfürsten gegenüber.. Vertrauend
auf deu schou beginnenden stärkern Wellenschlag der reactionären Strömung in
deu öffentlichen Verhältnissen Dentschland'S, bauend auf seiue früher erprobten
Kunststücke gegen die Satzungen der knrhessischen Verfassungsurkunde und auf
einen deu Weisungen des Millisteriumö folgsamen Geist in dem Beamtenstand
glaubte Hasseupflug mit Erfolg — die alten Wege wandeln, die früher gekosteten
Früchte uoch einmal genießen zu können. Aber mochte der Fürst noch so bereit¬
willig auf alle Pläne und Insinuationen des rehabilitirteu Ministers eingehen,
Hassenpflng fand Verhältnisse vor, die er nicht vorhergehen, Gegner, die er
nicht bewältigen konnte, Untergebene, die für seine Pläne viel zu gut und charak-
.terfest waren, und gar wenig Freunde und Helfer. Was er unternahm auf tur-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/236>, abgerufen am 26.07.2024.