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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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nischen Verhältnissen gehört dazu, mit Vortheil mit den öffentlichen, gntgelegenen
fruchtbaren, aber uncultivirten Ländereien zu speculiren. Diese steigen allerdings
und zwar unfehlbar jährlich im Preise, zuweilen, wenn der Besitzer durch Glücks-
fälle begünstigt wird, um das Tausendfache, doch kann man gewöhnlich nicht
rechnen, daß ein gut auf Interessen angelegtes Capital schlechter rentirt, als ein
in uncultivirten Ländereien angelegtes, welches für eine Reihe von Jahren ganz
todt liegen bleiben muß, um dann das Jnteressendefieit durch den erhöhten Kauf¬
preis zu decken. Mein Rath ist, dem Agenten diese allerdings oft sehr verfüh¬
rerischen Speculationen zu untersagen und ihn rein auf eine sichere Anlage seiner
Capitalien auf Grundeigenthum gegen Zinsen zu beschränken. Dem Manne,
welcher zu diesem Geschäfte gewählt wird, kann ich sagen, daß er, wenn er spä¬
ter vielleicht, von einem andern Gliede abgelöst, nach Europa zurückkehrt, die
hier zugebrachten Jahre nie bereuen wird. Amerika ist eine excellente Schule
für das Leben und ich möchte jedem jungen Manne von Bildung wünschen, daß
es ihm möglich wäre, einige Novizenjahre hier zu verleben, er würde, an Welt¬
klugheit sehr bereichert, sein Vaterland wiedersehen. Der von mir oben ange¬
führte Operationsplan wird schon seit vielen Jahren von englischen Familien befolgt.

Das Minimum, von dessen Interessen eine Familie ans dem deutschen Mit¬
telstande in den mittlern Staaten (Ohio) mit einiger Annehmlichkeit leben kann,
sind 5000 preußische Thaler, diese betragen uach amerikanischem Gelde 3500 Dol¬
lars, da das preußische 3^ Guldeustück 1 Dollar 40 Cents gilt. Diese nie¬
drigste Annahme werde ich als normal betrachten, und mir einen Mann von
40--50 Jahren denken, er gehöre der deutschen Mittelclasse an, verstehe keine
Kunst, kein Handwerk, sei uicht willens oder geeignet, ein kaufmännisches Geschäft
zu treiben, und wünsche nur, die letzte Hälfte seines Lebens in einer ruhigen, be¬
scheidenen, doch sorgenlosen Zurückgezogenheit zuzubringen und über das Fort¬
kommen seiner Kinder beruhigt zu sein. Erwähnter Mann besitze, wie wir oben
annahmen, nachdem er die Reisekosten gedeckt, bei seiner Ankunft in Columbus
noch 3500 Dollars. Die ersten acht Tage wohne er in einem Gasthofe und
suche währeud der Zeit die Bekanntschaft einiger Deutschen der bessern Classe zu
machen, zu gleicher Zeit wird er eine Gelegenheit haben, mehrere solide Handels-
häuser kennen zu lernen, deren bedeutender Grundbesitz und Reichthum Vertrauen
verdient. An eiues dieser Hänser wende er sich, um 2000 Dollars seines Ca¬
pitals für das erste Jahr zu 6 oder 8 Procent unterzubringen. Um ganz sicher
zu gehen, traue er selbst der vou der gauzen Stadt anerkannten Rechtlichkeit und
dem Reichthume dieses erwählten commerciellen Hauses nicht, sondern nehme sich
einen guten Advocaten, dem er für seine Bemühung 5 Dollars zu zahlen haben
wird, und lasse sich von dem erwähnten Handelshause entweder Hypothek auf
Grundeigentum oder noch zwei andere reiche Leute der Stadt zu Bürgen geben,
welche Forderung man ihm ohne Schwierigkeit gewähren wird, da es eine große


nischen Verhältnissen gehört dazu, mit Vortheil mit den öffentlichen, gntgelegenen
fruchtbaren, aber uncultivirten Ländereien zu speculiren. Diese steigen allerdings
und zwar unfehlbar jährlich im Preise, zuweilen, wenn der Besitzer durch Glücks-
fälle begünstigt wird, um das Tausendfache, doch kann man gewöhnlich nicht
rechnen, daß ein gut auf Interessen angelegtes Capital schlechter rentirt, als ein
in uncultivirten Ländereien angelegtes, welches für eine Reihe von Jahren ganz
todt liegen bleiben muß, um dann das Jnteressendefieit durch den erhöhten Kauf¬
preis zu decken. Mein Rath ist, dem Agenten diese allerdings oft sehr verfüh¬
rerischen Speculationen zu untersagen und ihn rein auf eine sichere Anlage seiner
Capitalien auf Grundeigenthum gegen Zinsen zu beschränken. Dem Manne,
welcher zu diesem Geschäfte gewählt wird, kann ich sagen, daß er, wenn er spä¬
ter vielleicht, von einem andern Gliede abgelöst, nach Europa zurückkehrt, die
hier zugebrachten Jahre nie bereuen wird. Amerika ist eine excellente Schule
für das Leben und ich möchte jedem jungen Manne von Bildung wünschen, daß
es ihm möglich wäre, einige Novizenjahre hier zu verleben, er würde, an Welt¬
klugheit sehr bereichert, sein Vaterland wiedersehen. Der von mir oben ange¬
führte Operationsplan wird schon seit vielen Jahren von englischen Familien befolgt.

Das Minimum, von dessen Interessen eine Familie ans dem deutschen Mit¬
telstande in den mittlern Staaten (Ohio) mit einiger Annehmlichkeit leben kann,
sind 5000 preußische Thaler, diese betragen uach amerikanischem Gelde 3500 Dol¬
lars, da das preußische 3^ Guldeustück 1 Dollar 40 Cents gilt. Diese nie¬
drigste Annahme werde ich als normal betrachten, und mir einen Mann von
40—50 Jahren denken, er gehöre der deutschen Mittelclasse an, verstehe keine
Kunst, kein Handwerk, sei uicht willens oder geeignet, ein kaufmännisches Geschäft
zu treiben, und wünsche nur, die letzte Hälfte seines Lebens in einer ruhigen, be¬
scheidenen, doch sorgenlosen Zurückgezogenheit zuzubringen und über das Fort¬
kommen seiner Kinder beruhigt zu sein. Erwähnter Mann besitze, wie wir oben
annahmen, nachdem er die Reisekosten gedeckt, bei seiner Ankunft in Columbus
noch 3500 Dollars. Die ersten acht Tage wohne er in einem Gasthofe und
suche währeud der Zeit die Bekanntschaft einiger Deutschen der bessern Classe zu
machen, zu gleicher Zeit wird er eine Gelegenheit haben, mehrere solide Handels-
häuser kennen zu lernen, deren bedeutender Grundbesitz und Reichthum Vertrauen
verdient. An eiues dieser Hänser wende er sich, um 2000 Dollars seines Ca¬
pitals für das erste Jahr zu 6 oder 8 Procent unterzubringen. Um ganz sicher
zu gehen, traue er selbst der vou der gauzen Stadt anerkannten Rechtlichkeit und
dem Reichthume dieses erwählten commerciellen Hauses nicht, sondern nehme sich
einen guten Advocaten, dem er für seine Bemühung 5 Dollars zu zahlen haben
wird, und lasse sich von dem erwähnten Handelshause entweder Hypothek auf
Grundeigentum oder noch zwei andere reiche Leute der Stadt zu Bürgen geben,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/197>, abgerufen am 22.07.2024.