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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Papiere herunterdrücken, es ist jedoch ganz undenkbar, daß, welche einstweilige
Folgen auch der Zusammenstoß haben wird, eine mit solchen Hilfsquellen ver¬
sehene, so thätige und scharfsinnige Nation sich nicht schleimig wieder heben werde,
und da jedes commercielle Interesse es streng gebietet, daß der Credit im Aus¬
lande selbst mit großen Opfern aufrecht erhalten werde, so halte ich diese Scheine
trotz der drohenden Wolken, die jetzt den Horizont bedecken, und trotz der in
Europa viel besprochenen Nepudiation sür die sichersten Papiere der Welt.

Dagegen Hute sich jeder Fremde, nordamerikanische Eisenbahnactien zu be¬
rühren; eine sehr geringe Zahl derselben ist gut und trägt ihre Procente, die
große Mehrzahl jedoch ist keinen Cent werth. Die Eisenbahnen haben während
ihres Baues die Directoren bereichert, tragen, wenn man die Unterhaltungskosten
abrechnet, wenig ein, und dieses Wenige muß auf die Interessen der gemachten
Anleihen verwendet werden; den armen Actionären hat man grausam mitgespielt,
und es ist zu verwundern, daß man jetzt noch Gimpel findet, welche, eingeladen,
zu einem dergleichen Unternehmen beizusteuern, den Agenten nicht augenblicklich
zur Thür hinauswerfen. Der befolgte Plan bei Ausführung dieser Werke war
dieser: Einige schlaue Männer der wohlhabenden Classe, welche aus das Direc-
torium des vorgeschlagenen Werkes speculirten, ließen, sich von einer Anzahl der
ersten Handelshäuser des Landes ein Gutachten abgeben, daß eine Eisenbahn
zwischen zwei angegebenen Punkten nicht nur dem ganzen commerciellen Interesse
höchst dienlich sein, sondern auch den Actionären eine Revenue von 20--3t) Pro¬
cent eintragen würde. Nachdem die Presse für einige Monate das Publieum mit
diesen Gedanken vertraut gemacht hatte, wurde eine Abschätzung der Kosten ge¬
macht, welche z. B. auf fünf Millionen ausfiel. Diese Abschätzungen waren sehr
geeignet, deu Unerfahrenen zu täuschen, gingen bis in das kleinste Detail und
zogen selbst alle erdenkliche Hindernisse und Unglücksfälle in Berechnung. Mit
der Billigung und den Unterschriften so vieler angesehener einflußreicher Namen
versehen, fanden diese Actien bald Käufer, in wenigen Monaten war das Capi¬
tal unterschrieben, oben erwähnte Herren schlichen sich in das Directorium und
der Bau begann. Von nnn an dachte Niemand mehr an den Vortheil der Ac¬
tionäre, bei jedem abgeschlossenen Contract für Arbeit oder Materialien füllten
sich die Directoren die Taschen, und die Folgen dieser oft ins Unglaubliche gehen¬
den Betrügereien und Verschwendung waren, daß nach einem gewissen Zeiträume
die fünf Millionen verausgabt, die, Eisenbahn jedoch noch nicht zur Hälfte fertig
war. Die Directoren wendeten sich nun um Zuschuß an die Actionäre, diese,
theils unfähig, mehr zu geben, theils entrüstet über die Art der Verwaltung, ver¬
weigerten eine weitere Beisteuer. Die Herren Directoren negociirten in diesen:
Dilemma eine Anleihe von fünf Millionen und verpfändeten zur Sicherheit der
Interessen die Einnahmen der ganzen Eisenbahn, wenn sie fertig sein würde. Für
eine Zeitlang hatte das Geschäft wieder seinen glänzenden Fortgang, doch auch


Papiere herunterdrücken, es ist jedoch ganz undenkbar, daß, welche einstweilige
Folgen auch der Zusammenstoß haben wird, eine mit solchen Hilfsquellen ver¬
sehene, so thätige und scharfsinnige Nation sich nicht schleimig wieder heben werde,
und da jedes commercielle Interesse es streng gebietet, daß der Credit im Aus¬
lande selbst mit großen Opfern aufrecht erhalten werde, so halte ich diese Scheine
trotz der drohenden Wolken, die jetzt den Horizont bedecken, und trotz der in
Europa viel besprochenen Nepudiation sür die sichersten Papiere der Welt.

Dagegen Hute sich jeder Fremde, nordamerikanische Eisenbahnactien zu be¬
rühren; eine sehr geringe Zahl derselben ist gut und trägt ihre Procente, die
große Mehrzahl jedoch ist keinen Cent werth. Die Eisenbahnen haben während
ihres Baues die Directoren bereichert, tragen, wenn man die Unterhaltungskosten
abrechnet, wenig ein, und dieses Wenige muß auf die Interessen der gemachten
Anleihen verwendet werden; den armen Actionären hat man grausam mitgespielt,
und es ist zu verwundern, daß man jetzt noch Gimpel findet, welche, eingeladen,
zu einem dergleichen Unternehmen beizusteuern, den Agenten nicht augenblicklich
zur Thür hinauswerfen. Der befolgte Plan bei Ausführung dieser Werke war
dieser: Einige schlaue Männer der wohlhabenden Classe, welche aus das Direc-
torium des vorgeschlagenen Werkes speculirten, ließen, sich von einer Anzahl der
ersten Handelshäuser des Landes ein Gutachten abgeben, daß eine Eisenbahn
zwischen zwei angegebenen Punkten nicht nur dem ganzen commerciellen Interesse
höchst dienlich sein, sondern auch den Actionären eine Revenue von 20—3t) Pro¬
cent eintragen würde. Nachdem die Presse für einige Monate das Publieum mit
diesen Gedanken vertraut gemacht hatte, wurde eine Abschätzung der Kosten ge¬
macht, welche z. B. auf fünf Millionen ausfiel. Diese Abschätzungen waren sehr
geeignet, deu Unerfahrenen zu täuschen, gingen bis in das kleinste Detail und
zogen selbst alle erdenkliche Hindernisse und Unglücksfälle in Berechnung. Mit
der Billigung und den Unterschriften so vieler angesehener einflußreicher Namen
versehen, fanden diese Actien bald Käufer, in wenigen Monaten war das Capi¬
tal unterschrieben, oben erwähnte Herren schlichen sich in das Directorium und
der Bau begann. Von nnn an dachte Niemand mehr an den Vortheil der Ac¬
tionäre, bei jedem abgeschlossenen Contract für Arbeit oder Materialien füllten
sich die Directoren die Taschen, und die Folgen dieser oft ins Unglaubliche gehen¬
den Betrügereien und Verschwendung waren, daß nach einem gewissen Zeiträume
die fünf Millionen verausgabt, die, Eisenbahn jedoch noch nicht zur Hälfte fertig
war. Die Directoren wendeten sich nun um Zuschuß an die Actionäre, diese,
theils unfähig, mehr zu geben, theils entrüstet über die Art der Verwaltung, ver¬
weigerten eine weitere Beisteuer. Die Herren Directoren negociirten in diesen:
Dilemma eine Anleihe von fünf Millionen und verpfändeten zur Sicherheit der
Interessen die Einnahmen der ganzen Eisenbahn, wenn sie fertig sein würde. Für
eine Zeitlang hatte das Geschäft wieder seinen glänzenden Fortgang, doch auch


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[0194] Papiere herunterdrücken, es ist jedoch ganz undenkbar, daß, welche einstweilige Folgen auch der Zusammenstoß haben wird, eine mit solchen Hilfsquellen ver¬ sehene, so thätige und scharfsinnige Nation sich nicht schleimig wieder heben werde, und da jedes commercielle Interesse es streng gebietet, daß der Credit im Aus¬ lande selbst mit großen Opfern aufrecht erhalten werde, so halte ich diese Scheine trotz der drohenden Wolken, die jetzt den Horizont bedecken, und trotz der in Europa viel besprochenen Nepudiation sür die sichersten Papiere der Welt. Dagegen Hute sich jeder Fremde, nordamerikanische Eisenbahnactien zu be¬ rühren; eine sehr geringe Zahl derselben ist gut und trägt ihre Procente, die große Mehrzahl jedoch ist keinen Cent werth. Die Eisenbahnen haben während ihres Baues die Directoren bereichert, tragen, wenn man die Unterhaltungskosten abrechnet, wenig ein, und dieses Wenige muß auf die Interessen der gemachten Anleihen verwendet werden; den armen Actionären hat man grausam mitgespielt, und es ist zu verwundern, daß man jetzt noch Gimpel findet, welche, eingeladen, zu einem dergleichen Unternehmen beizusteuern, den Agenten nicht augenblicklich zur Thür hinauswerfen. Der befolgte Plan bei Ausführung dieser Werke war dieser: Einige schlaue Männer der wohlhabenden Classe, welche aus das Direc- torium des vorgeschlagenen Werkes speculirten, ließen, sich von einer Anzahl der ersten Handelshäuser des Landes ein Gutachten abgeben, daß eine Eisenbahn zwischen zwei angegebenen Punkten nicht nur dem ganzen commerciellen Interesse höchst dienlich sein, sondern auch den Actionären eine Revenue von 20—3t) Pro¬ cent eintragen würde. Nachdem die Presse für einige Monate das Publieum mit diesen Gedanken vertraut gemacht hatte, wurde eine Abschätzung der Kosten ge¬ macht, welche z. B. auf fünf Millionen ausfiel. Diese Abschätzungen waren sehr geeignet, deu Unerfahrenen zu täuschen, gingen bis in das kleinste Detail und zogen selbst alle erdenkliche Hindernisse und Unglücksfälle in Berechnung. Mit der Billigung und den Unterschriften so vieler angesehener einflußreicher Namen versehen, fanden diese Actien bald Käufer, in wenigen Monaten war das Capi¬ tal unterschrieben, oben erwähnte Herren schlichen sich in das Directorium und der Bau begann. Von nnn an dachte Niemand mehr an den Vortheil der Ac¬ tionäre, bei jedem abgeschlossenen Contract für Arbeit oder Materialien füllten sich die Directoren die Taschen, und die Folgen dieser oft ins Unglaubliche gehen¬ den Betrügereien und Verschwendung waren, daß nach einem gewissen Zeiträume die fünf Millionen verausgabt, die, Eisenbahn jedoch noch nicht zur Hälfte fertig war. Die Directoren wendeten sich nun um Zuschuß an die Actionäre, diese, theils unfähig, mehr zu geben, theils entrüstet über die Art der Verwaltung, ver¬ weigerten eine weitere Beisteuer. Die Herren Directoren negociirten in diesen: Dilemma eine Anleihe von fünf Millionen und verpfändeten zur Sicherheit der Interessen die Einnahmen der ganzen Eisenbahn, wenn sie fertig sein würde. Für eine Zeitlang hatte das Geschäft wieder seinen glänzenden Fortgang, doch auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/194>, abgerufen am 22.07.2024.