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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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mit deutschen Gebeten, mit entblößtem Haupte, mit deutscher Predigt und
SouutagSgottesdicnst eingerichtet. -- Die Einsichtsvollern in der alten Gemeinde
wollten zwar den Reformern solche Concessionen machen, mit welchen diese sich be¬
gnügen konnten, und den Ansichten der "bedächtig Vorschreitenden" Rechnung
getragen wordeu mare, aber eine von Schwab gegen die Genossenschaft ge¬
schleuderte Bannbulle und der Kitzel mehrerer Neformgenossen nach etwas Auf¬
fallenden und Außergewöhnlichem machte dies wohlmeinende Bestreben scheitern;
und die Spaltung ist bis zum heutigen Tage unheilbar.

Mit dem Fall der Revolution begann ein neues Stadium in dem religiösen
Leben der ungarischen Juden. Die Aufhebung des?1aeewm regium scheint auch
auf die orthodoxen Rabbiner Ungarns uicht ohne Wirt'ung geblieben zu sein. In
Preßburg, in der Stadt, wo die Jndenkrawalle und die starrste Orthodoxie
ihren gesegneten Boden haben -- die Preßburger Judengemeinde ist so reich an
religiösen Finsterlingen, daß diese Gemeinde im Landtag 184^ eine Petition
gegen die Emancipation der Juden einreichte -- traten die verschollenen Hel¬
den von Paks zusammen und reichten bei der Negierung ein Gesuch ein um
die Zusammenberufung einer Nabb inersynode und die Einsetzung des obener¬
wähnten Prüfungöcollegiums. Unsere Regierung, die anßer den Bayonnctten noch
die Katholikenvereine und blutschwitzeudeu Madonnen gegen den bösen Geist der
Revolution spielen läßt, wird vermuthlich auch die Bärte der frommen Rabbi
uicht verschmähen, um mit ihnen die revolutionären Ideen der ungarischen Juden
wegzukehren, und die wahren Freunde der Reform sehen sowohl dem finstern
Treiben dieser eifernden Pfaffen, als dem Ueberstürzen der Sturmreformer mit
Bangen entgegen.

Die Leiden der letzten Jahre hatten die verschiedenen Parteien im ungarischen
Judenthume näher gebracht; der Umstand, daß Einhorn, der Prediger der
Pesther Neformgenossenschaft, wegen einiger Ausdrücke in der gebotenen Auad>
häugigkeitspredigt landesflüchtig wurde, gab der Hoffnung Raum, daß die so
sehr wünschenswerthe Einigung der Pesther Juden -- und diese dienen einem
großen Theile des Landes zum Muster -- zu Staude kommen werde. Jetzt
hören wir, daß Einhorn seiner baldigen Zurückberufung entgegensieht; möge er
die Rückkunft in sein unglückliches Vaterland mit dem schönen und eiues Priesters
wahrhaft würdigen Amte der Versöhnung feiern, und die geistigen und pecu-
niären Kräfte, die bei jeder Bildung neuer Seelen verloren gehen, zum Nutz
/X und Frommen des wahren Fortschritts zu vereinigen streben.




mit deutschen Gebeten, mit entblößtem Haupte, mit deutscher Predigt und
SouutagSgottesdicnst eingerichtet. — Die Einsichtsvollern in der alten Gemeinde
wollten zwar den Reformern solche Concessionen machen, mit welchen diese sich be¬
gnügen konnten, und den Ansichten der „bedächtig Vorschreitenden" Rechnung
getragen wordeu mare, aber eine von Schwab gegen die Genossenschaft ge¬
schleuderte Bannbulle und der Kitzel mehrerer Neformgenossen nach etwas Auf¬
fallenden und Außergewöhnlichem machte dies wohlmeinende Bestreben scheitern;
und die Spaltung ist bis zum heutigen Tage unheilbar.

Mit dem Fall der Revolution begann ein neues Stadium in dem religiösen
Leben der ungarischen Juden. Die Aufhebung des?1aeewm regium scheint auch
auf die orthodoxen Rabbiner Ungarns uicht ohne Wirt'ung geblieben zu sein. In
Preßburg, in der Stadt, wo die Jndenkrawalle und die starrste Orthodoxie
ihren gesegneten Boden haben — die Preßburger Judengemeinde ist so reich an
religiösen Finsterlingen, daß diese Gemeinde im Landtag 184^ eine Petition
gegen die Emancipation der Juden einreichte — traten die verschollenen Hel¬
den von Paks zusammen und reichten bei der Negierung ein Gesuch ein um
die Zusammenberufung einer Nabb inersynode und die Einsetzung des obener¬
wähnten Prüfungöcollegiums. Unsere Regierung, die anßer den Bayonnctten noch
die Katholikenvereine und blutschwitzeudeu Madonnen gegen den bösen Geist der
Revolution spielen läßt, wird vermuthlich auch die Bärte der frommen Rabbi
uicht verschmähen, um mit ihnen die revolutionären Ideen der ungarischen Juden
wegzukehren, und die wahren Freunde der Reform sehen sowohl dem finstern
Treiben dieser eifernden Pfaffen, als dem Ueberstürzen der Sturmreformer mit
Bangen entgegen.

Die Leiden der letzten Jahre hatten die verschiedenen Parteien im ungarischen
Judenthume näher gebracht; der Umstand, daß Einhorn, der Prediger der
Pesther Neformgenossenschaft, wegen einiger Ausdrücke in der gebotenen Auad>
häugigkeitspredigt landesflüchtig wurde, gab der Hoffnung Raum, daß die so
sehr wünschenswerthe Einigung der Pesther Juden — und diese dienen einem
großen Theile des Landes zum Muster — zu Staude kommen werde. Jetzt
hören wir, daß Einhorn seiner baldigen Zurückberufung entgegensieht; möge er
die Rückkunft in sein unglückliches Vaterland mit dem schönen und eiues Priesters
wahrhaft würdigen Amte der Versöhnung feiern, und die geistigen und pecu-
niären Kräfte, die bei jeder Bildung neuer Seelen verloren gehen, zum Nutz
/X und Frommen des wahren Fortschritts zu vereinigen streben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/186>, abgerufen am 22.07.2024.