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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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eine grüne Pelzmütze und statt des Tatars einen Nock und Mantel anzunehmen.
Sodann führte man ihn in einen dreispännigen, vor dem Hause stehenden Post¬
wagen, der jedoch keine Aehnlichkeit von jenen scandalösen Kibitken hatte, auf
welchen Verbrecher transportirt werden. Neben ihm nahmen ein Wachtmeister
und ein Soldat Platz, auf dem vordern Sitz, mit dem Gesicht gegen den Po¬
pen gewendet, zwei andere Soldaten. Der Postillon saß ans den Pferden. Als
der Tag grauete, befand er sich schon in völlig fremden Gegenden. Die auf¬
steigende Sonne gab ihn: nur so weit Auskunft, daß matt ihn ostwärts trans-
portire.

Diese Neise, bei welcher die Escorte nicht ein einziges Mal gewechselt und
nnr ein Mal Ill Stunden lang gerastet wurde, währte fünf Tage und endete
in einem bei einem elenden Städtchen gelegenen griechischen Kloster des Gouver¬
nements Czernigöw.

War der wackere Mann bisher uicht als Verbrecher behandelt worden, so
wurde er es nun von seinen orthodoxe): Amtsbrüdern. Anfangs zwar zeigten ihm
die Mouche einige äußerliche Schonung, zugleich aber quälten sie ihn, er solle
einsehen und bekennen, daß seine Voreltern ein ungeheures. Verbrechen begangen,
indem sie päpstliche Glaubenssätze angenommen. Da B. nach Möglichkeit aus¬
weichend entgegnete, so faßten die Mönche bald den Muth, seinen Wiedereintritt
in die griechische Kirche zu fordern. Seiner Weigerung folgte die abscheulichste
Behandlung. Man suchte den wackern Mann dnrch Spott, Hohn und Ver¬
achtung, zuweilen anch durch Schläge förmlich zu erdrücken.

Nach Verlauf eiues Jahres war ein Bericht über ihn bei "irgend einer"
hohen Behörde eingereicht. In Folge dessen wurde er aufgefordert, dem geist¬
lichen Stande für immer zu entsagen und eine Anstellung in einer Regiments¬
kauzlei oder einem ähnlichen Amte anzunehmen. Allein er war nicht zu einer
Verzichtleistung zu bewegen, und dies verzögerte seine Gefangenschaft in dem
Kloster noch um drei Vierteljahre.

Endlich wurde ihm sein Schicksal so peinlich, daß er sich entschloß, aus jede
priesterliche Berechtigung Verzicht zu leisten. Unter dieser Bedingung erhielt
seine Bitte, sich fortan als Lehrer erhalten zu dürfen, die Genehmigung des
Generalgubernators.

Aber in Betreff seines spätern Aufenthaltsortes hielt es das Gouvernement
nicht für unnöthig, Bedingungen zu machen. Die erste war, daß er sich im
Gubernium Saratow niederlasse, die zweite, daß er keine Stadt wähle, welche
über dreißigtausend Einwohner enthalte. Der Pope wählte Saratow und reiste,
nachdem er die nöthigen Briefe nach Lithauen befördert hatte, ab. In Tion
bei Karsk erwirkte er sich die Erlaubniß, seine Gattin erwarten zu dürfen, Das
arme Weib traf nach einigen Wochen mit ihren zwei Kindern ein.

Auf der weitern Reise wurde der Pope als politischer Gefangener behält-


eine grüne Pelzmütze und statt des Tatars einen Nock und Mantel anzunehmen.
Sodann führte man ihn in einen dreispännigen, vor dem Hause stehenden Post¬
wagen, der jedoch keine Aehnlichkeit von jenen scandalösen Kibitken hatte, auf
welchen Verbrecher transportirt werden. Neben ihm nahmen ein Wachtmeister
und ein Soldat Platz, auf dem vordern Sitz, mit dem Gesicht gegen den Po¬
pen gewendet, zwei andere Soldaten. Der Postillon saß ans den Pferden. Als
der Tag grauete, befand er sich schon in völlig fremden Gegenden. Die auf¬
steigende Sonne gab ihn: nur so weit Auskunft, daß matt ihn ostwärts trans-
portire.

Diese Neise, bei welcher die Escorte nicht ein einziges Mal gewechselt und
nnr ein Mal Ill Stunden lang gerastet wurde, währte fünf Tage und endete
in einem bei einem elenden Städtchen gelegenen griechischen Kloster des Gouver¬
nements Czernigöw.

War der wackere Mann bisher uicht als Verbrecher behandelt worden, so
wurde er es nun von seinen orthodoxe): Amtsbrüdern. Anfangs zwar zeigten ihm
die Mouche einige äußerliche Schonung, zugleich aber quälten sie ihn, er solle
einsehen und bekennen, daß seine Voreltern ein ungeheures. Verbrechen begangen,
indem sie päpstliche Glaubenssätze angenommen. Da B. nach Möglichkeit aus¬
weichend entgegnete, so faßten die Mönche bald den Muth, seinen Wiedereintritt
in die griechische Kirche zu fordern. Seiner Weigerung folgte die abscheulichste
Behandlung. Man suchte den wackern Mann dnrch Spott, Hohn und Ver¬
achtung, zuweilen anch durch Schläge förmlich zu erdrücken.

Nach Verlauf eiues Jahres war ein Bericht über ihn bei „irgend einer"
hohen Behörde eingereicht. In Folge dessen wurde er aufgefordert, dem geist¬
lichen Stande für immer zu entsagen und eine Anstellung in einer Regiments¬
kauzlei oder einem ähnlichen Amte anzunehmen. Allein er war nicht zu einer
Verzichtleistung zu bewegen, und dies verzögerte seine Gefangenschaft in dem
Kloster noch um drei Vierteljahre.

Endlich wurde ihm sein Schicksal so peinlich, daß er sich entschloß, aus jede
priesterliche Berechtigung Verzicht zu leisten. Unter dieser Bedingung erhielt
seine Bitte, sich fortan als Lehrer erhalten zu dürfen, die Genehmigung des
Generalgubernators.

Aber in Betreff seines spätern Aufenthaltsortes hielt es das Gouvernement
nicht für unnöthig, Bedingungen zu machen. Die erste war, daß er sich im
Gubernium Saratow niederlasse, die zweite, daß er keine Stadt wähle, welche
über dreißigtausend Einwohner enthalte. Der Pope wählte Saratow und reiste,
nachdem er die nöthigen Briefe nach Lithauen befördert hatte, ab. In Tion
bei Karsk erwirkte er sich die Erlaubniß, seine Gattin erwarten zu dürfen, Das
arme Weib traf nach einigen Wochen mit ihren zwei Kindern ein.

Auf der weitern Reise wurde der Pope als politischer Gefangener behält-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/178>, abgerufen am 22.07.2024.