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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Gliedern. Das Musikchor am Schluß der Sturmcolouue mußte unser National-
lied "Schleswig-Holstein meerumschlllngeil" blasen, die Soldaten begleiteten
und vollem Gesaug und drangen im Sturmschritt auf dem schmalen Damme vor.
Von allen Seiten schmetterten die Kngeln der Feinde in ihre Reihen furchtbare
Verwüstungen aurichtend, sie setzten unerschrocken ihren Marsch fort, bis unüber-
steigliche Hindernisse deiuselbeu Viuhalt geboten. An fünf Stunden vou des Abends
6 bis 11 Uhr dauerte das Gefecht unaufhörlich fort; mehrmals zurückgedrängt,
stürmten die Unsrigen immer wieder vor das gut geleitete Feuer der dänischen
Geschütze; die vielen angelegten Minen, die krachend in die Lust flogen, die Block¬
häuser, deren mehrere ausgebaut waren, verhinderten das weitere Vordringen.

Schleswig-Holstein ist leider uicht in der Lage, allem Officieren, welche es
so nöthig braucht, eine sorgenfreie Zukunft sicherm zu können; wir sind überzeugt,
viele Hunderte deutscher Militärs würden mit Freuden ihren Dienst aufgeben, um
in unsere Reihen zik kommeu, die jedem deutscheu Kameraden mit Freuden geöff-
net siud. Sind doch an 130 deutsche Offtciere seit dem Tage vou Jdsted in
Schleswig-holsteinische Dienste getreten und vergeht auch jetzt uoch keine Woche,
wo deren nicht uoch mehrere zu uus kommeu. Besonders preußische Officiere
siud in letzter Zeit viele hier angelangt, und erwartet werden noch mehrere kur¬
hessische Officiere, von denen wir jetzt schon 5 bis 6 unter uus zählen. -- Aber
auch Soldaten bekommen wir jetzt täglich aus ganz Deutschland, obgleich freilich
der Zuzug uur genug zu der Größe vou unserm gemeinsamen Vaterlande zu
nennen ist. 4000 Streiter, die uicht aus Schleswig-Holstein selbst gebürtig sind,
haben in den letzten Monaten wieder Dienste bei uns genommer. Etwa 200
Ungarn und Polen mögen sich unter dieser Zahl befiudeu, sonst siud alle übrigen
Deutsche. Preußen, Hannover, Oldenburg und Mecklenburg haben im Verhält¬
niß die größte Zahl zu diesem Contingente geliefert, obschon alle deutsche
Staaten darin vertreten find. Die wenigsten sandte Oestreich; doch sind 8 ösj>
reichische Officiere, darunter 3 Hauptleute, in letzter Zeit in Dienst getreten.
Künstler, Studenten, Gelehrte, junge Beamte haben die Büchse oder Muskete
ergriffen und sind als gewöhnliche Soldaten in Reis und Glied getreten. Auch
uuter deu Schleswig-Holsteinern selbst sieht man Leute jedes Standes, Alters
und Bildungsgrades, denn ohne Ausnahme muß Jeder, der uur die Waffen
tragen kann, im Alter von 19 bis 35 Jahren jetzt hier dienen. Allein fünf
Abgeordnete des Landtages in Kiel befinden sich in Reis und Glied als Solda¬
ten, während zwei andere Abgeordnete Ofsiciersposten bekleiden. Oft sieht mau,
daß 3 bis 4 Brüder lieben einander in Reis und Glied stehen lind der Vater
dient oft neben dem Sohne. So fiel z. B. bei Friedrichsstadt der Gutsbesitzer
und Laudtagöabgeorduete Völleutseu aus dem Dithmarschen, voll eiuer dänischen
Kugel getroffen. Obgleich schou ein silberhaariger Greis, hatte der Mann, von
glühender Vaterlandsliebe begeistert, schon im vorigen Jahre die Büchse ergrissen


Gliedern. Das Musikchor am Schluß der Sturmcolouue mußte unser National-
lied „Schleswig-Holstein meerumschlllngeil" blasen, die Soldaten begleiteten
und vollem Gesaug und drangen im Sturmschritt auf dem schmalen Damme vor.
Von allen Seiten schmetterten die Kngeln der Feinde in ihre Reihen furchtbare
Verwüstungen aurichtend, sie setzten unerschrocken ihren Marsch fort, bis unüber-
steigliche Hindernisse deiuselbeu Viuhalt geboten. An fünf Stunden vou des Abends
6 bis 11 Uhr dauerte das Gefecht unaufhörlich fort; mehrmals zurückgedrängt,
stürmten die Unsrigen immer wieder vor das gut geleitete Feuer der dänischen
Geschütze; die vielen angelegten Minen, die krachend in die Lust flogen, die Block¬
häuser, deren mehrere ausgebaut waren, verhinderten das weitere Vordringen.

Schleswig-Holstein ist leider uicht in der Lage, allem Officieren, welche es
so nöthig braucht, eine sorgenfreie Zukunft sicherm zu können; wir sind überzeugt,
viele Hunderte deutscher Militärs würden mit Freuden ihren Dienst aufgeben, um
in unsere Reihen zik kommeu, die jedem deutscheu Kameraden mit Freuden geöff-
net siud. Sind doch an 130 deutsche Offtciere seit dem Tage vou Jdsted in
Schleswig-holsteinische Dienste getreten und vergeht auch jetzt uoch keine Woche,
wo deren nicht uoch mehrere zu uus kommeu. Besonders preußische Officiere
siud in letzter Zeit viele hier angelangt, und erwartet werden noch mehrere kur¬
hessische Officiere, von denen wir jetzt schon 5 bis 6 unter uus zählen. — Aber
auch Soldaten bekommen wir jetzt täglich aus ganz Deutschland, obgleich freilich
der Zuzug uur genug zu der Größe vou unserm gemeinsamen Vaterlande zu
nennen ist. 4000 Streiter, die uicht aus Schleswig-Holstein selbst gebürtig sind,
haben in den letzten Monaten wieder Dienste bei uns genommer. Etwa 200
Ungarn und Polen mögen sich unter dieser Zahl befiudeu, sonst siud alle übrigen
Deutsche. Preußen, Hannover, Oldenburg und Mecklenburg haben im Verhält¬
niß die größte Zahl zu diesem Contingente geliefert, obschon alle deutsche
Staaten darin vertreten find. Die wenigsten sandte Oestreich; doch sind 8 ösj>
reichische Officiere, darunter 3 Hauptleute, in letzter Zeit in Dienst getreten.
Künstler, Studenten, Gelehrte, junge Beamte haben die Büchse oder Muskete
ergriffen und sind als gewöhnliche Soldaten in Reis und Glied getreten. Auch
uuter deu Schleswig-Holsteinern selbst sieht man Leute jedes Standes, Alters
und Bildungsgrades, denn ohne Ausnahme muß Jeder, der uur die Waffen
tragen kann, im Alter von 19 bis 35 Jahren jetzt hier dienen. Allein fünf
Abgeordnete des Landtages in Kiel befinden sich in Reis und Glied als Solda¬
ten, während zwei andere Abgeordnete Ofsiciersposten bekleiden. Oft sieht mau,
daß 3 bis 4 Brüder lieben einander in Reis und Glied stehen lind der Vater
dient oft neben dem Sohne. So fiel z. B. bei Friedrichsstadt der Gutsbesitzer
und Laudtagöabgeorduete Völleutseu aus dem Dithmarschen, voll eiuer dänischen
Kugel getroffen. Obgleich schou ein silberhaariger Greis, hatte der Mann, von
glühender Vaterlandsliebe begeistert, schon im vorigen Jahre die Büchse ergrissen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/170>, abgerufen am 22.07.2024.