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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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die Soldateska. Mit Säbelpatenten und den grün bebuschten Nebellentödtern
im Vordergrund ließ sich zwar nicht immer in Ehren, aber doch mit Kraft
und einiger Sicherheit regieren, und der Philosoph'Melden hat schon längst ge¬
sagt: "Die Herren Minister gebrauchen uns nur als Blitzableiter." Aber jetzt,
wenn die Regierungsgewalt ungetheilt in die Hände der Civilverwaltung sällt,
soll auch der Belagerungszustand seinem Ende zugeführt, dann sollen con-
stitutionelle Formen beobachtet, die Landtage und endlich gar der Reichstag
berufen werden, und diese an und sür sich unschuldigen Dinge werden selbst diesem
Ministerium Verlegenheiten bereiten, welches sich nicht durch Blödigkeit aus¬
zeichnet.

Man ist geneigt, den Sieg des Ministeriums dem Einfluß der in^Wien ver¬
sammelten Vertraucusmäuuerzuzuschreiben, die ihre Theilnahme ander Constituirung
der Kronländer verweigert haben sollen, so lange die Generäle allmächtig und die
Maßregeln der Negierung illusorisch sind. Das ist von den italienischen, aber nicht
von den ungarischen Vertrauensmännern zu glauben. Die Lombarden und Ve-
netianer haben von Oestreich nie etwas für ihre Nationalität, ihr Bestehen als
italienischer Volksstamm gefürchtet, denn sie wohnen unvermischt auf ihrem Ter¬
ritorium, und an ihren Grenzmarken noch Millionen ihrer Brüder bis.an die
Alpen und das Cap Passaro. Der Haß gegen die Herrschaft der Tedeschi ist ein alter,
aus den Zeiten der hohenstaufischen Kaiser auf sie vererbter, und da sich ihnen diese
Herrschaft in alter wie in neuerer Zeit meist durch Soldatenhaufen manifestirte, so
werden sie die Aufhebung der Soldateuherrschaft als eine respektable Concession
betrachten. Ganz anders in Ungarn. Das ungarische Volk bildet eine vereinzelte Insel
in dem großen Ocean der Völkerstämme. Der Spruch: "extra HunMrwm non est
vltg," ist keine patriotische Phrase, sondern eine ernste Wahrheit, denn außer
Ungarn kann der Ungar nirgends kein Vaterland finden. Haynau hat ihm seine
Helden geschlachtet, aber er hat sich wenig mit Politik und am allerwenigsten mir der
Schwarzenbergischen Centralisation befaßt; die Bestrebungen, das Land zu einer
Provinz, und seine Einwohner deutsch oder slavisch zu machen, sind von dem Bureau
ausgegangen, die Beamten, die diese Maßregeln ausführen sollen, sind von
dem Ministerium entsendet worden, und die Schwierigkeiten, die diesen von den
Generälen in den Weg gelegt wurden, dienten dem Lande einigermaßen zur
Genugthuung. Als Beweis für diese Ansicht brauche" wir nur die bekannte
Brochure von Zsedvnyi anzuführen, die von der Partei der ungarischen Vertrauens¬
männer ausging, und die, nicht aus Furcht, sondern aus Prinzip den Ober-
commandanten schonte, während sie der Regierung die Verkehrtheit ihrer Maß
regeln zu beweisen suchte. Und so siel Heynau, als er auf eigne Faust human
gehandelt hatte.

Das Niederreißen der ungarischen Zollschranken ist ein anderes Zeichen von
Energie der Negierung und wenn man > . Gerüchten glauben darf, so soll die


die Soldateska. Mit Säbelpatenten und den grün bebuschten Nebellentödtern
im Vordergrund ließ sich zwar nicht immer in Ehren, aber doch mit Kraft
und einiger Sicherheit regieren, und der Philosoph'Melden hat schon längst ge¬
sagt: „Die Herren Minister gebrauchen uns nur als Blitzableiter." Aber jetzt,
wenn die Regierungsgewalt ungetheilt in die Hände der Civilverwaltung sällt,
soll auch der Belagerungszustand seinem Ende zugeführt, dann sollen con-
stitutionelle Formen beobachtet, die Landtage und endlich gar der Reichstag
berufen werden, und diese an und sür sich unschuldigen Dinge werden selbst diesem
Ministerium Verlegenheiten bereiten, welches sich nicht durch Blödigkeit aus¬
zeichnet.

Man ist geneigt, den Sieg des Ministeriums dem Einfluß der in^Wien ver¬
sammelten Vertraucusmäuuerzuzuschreiben, die ihre Theilnahme ander Constituirung
der Kronländer verweigert haben sollen, so lange die Generäle allmächtig und die
Maßregeln der Negierung illusorisch sind. Das ist von den italienischen, aber nicht
von den ungarischen Vertrauensmännern zu glauben. Die Lombarden und Ve-
netianer haben von Oestreich nie etwas für ihre Nationalität, ihr Bestehen als
italienischer Volksstamm gefürchtet, denn sie wohnen unvermischt auf ihrem Ter¬
ritorium, und an ihren Grenzmarken noch Millionen ihrer Brüder bis.an die
Alpen und das Cap Passaro. Der Haß gegen die Herrschaft der Tedeschi ist ein alter,
aus den Zeiten der hohenstaufischen Kaiser auf sie vererbter, und da sich ihnen diese
Herrschaft in alter wie in neuerer Zeit meist durch Soldatenhaufen manifestirte, so
werden sie die Aufhebung der Soldateuherrschaft als eine respektable Concession
betrachten. Ganz anders in Ungarn. Das ungarische Volk bildet eine vereinzelte Insel
in dem großen Ocean der Völkerstämme. Der Spruch: „extra HunMrwm non est
vltg," ist keine patriotische Phrase, sondern eine ernste Wahrheit, denn außer
Ungarn kann der Ungar nirgends kein Vaterland finden. Haynau hat ihm seine
Helden geschlachtet, aber er hat sich wenig mit Politik und am allerwenigsten mir der
Schwarzenbergischen Centralisation befaßt; die Bestrebungen, das Land zu einer
Provinz, und seine Einwohner deutsch oder slavisch zu machen, sind von dem Bureau
ausgegangen, die Beamten, die diese Maßregeln ausführen sollen, sind von
dem Ministerium entsendet worden, und die Schwierigkeiten, die diesen von den
Generälen in den Weg gelegt wurden, dienten dem Lande einigermaßen zur
Genugthuung. Als Beweis für diese Ansicht brauche» wir nur die bekannte
Brochure von Zsedvnyi anzuführen, die von der Partei der ungarischen Vertrauens¬
männer ausging, und die, nicht aus Furcht, sondern aus Prinzip den Ober-
commandanten schonte, während sie der Regierung die Verkehrtheit ihrer Maß
regeln zu beweisen suchte. Und so siel Heynau, als er auf eigne Faust human
gehandelt hatte.

Das Niederreißen der ungarischen Zollschranken ist ein anderes Zeichen von
Energie der Negierung und wenn man > . Gerüchten glauben darf, so soll die


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[0095] die Soldateska. Mit Säbelpatenten und den grün bebuschten Nebellentödtern im Vordergrund ließ sich zwar nicht immer in Ehren, aber doch mit Kraft und einiger Sicherheit regieren, und der Philosoph'Melden hat schon längst ge¬ sagt: „Die Herren Minister gebrauchen uns nur als Blitzableiter." Aber jetzt, wenn die Regierungsgewalt ungetheilt in die Hände der Civilverwaltung sällt, soll auch der Belagerungszustand seinem Ende zugeführt, dann sollen con- stitutionelle Formen beobachtet, die Landtage und endlich gar der Reichstag berufen werden, und diese an und sür sich unschuldigen Dinge werden selbst diesem Ministerium Verlegenheiten bereiten, welches sich nicht durch Blödigkeit aus¬ zeichnet. Man ist geneigt, den Sieg des Ministeriums dem Einfluß der in^Wien ver¬ sammelten Vertraucusmäuuerzuzuschreiben, die ihre Theilnahme ander Constituirung der Kronländer verweigert haben sollen, so lange die Generäle allmächtig und die Maßregeln der Negierung illusorisch sind. Das ist von den italienischen, aber nicht von den ungarischen Vertrauensmännern zu glauben. Die Lombarden und Ve- netianer haben von Oestreich nie etwas für ihre Nationalität, ihr Bestehen als italienischer Volksstamm gefürchtet, denn sie wohnen unvermischt auf ihrem Ter¬ ritorium, und an ihren Grenzmarken noch Millionen ihrer Brüder bis.an die Alpen und das Cap Passaro. Der Haß gegen die Herrschaft der Tedeschi ist ein alter, aus den Zeiten der hohenstaufischen Kaiser auf sie vererbter, und da sich ihnen diese Herrschaft in alter wie in neuerer Zeit meist durch Soldatenhaufen manifestirte, so werden sie die Aufhebung der Soldateuherrschaft als eine respektable Concession betrachten. Ganz anders in Ungarn. Das ungarische Volk bildet eine vereinzelte Insel in dem großen Ocean der Völkerstämme. Der Spruch: „extra HunMrwm non est vltg," ist keine patriotische Phrase, sondern eine ernste Wahrheit, denn außer Ungarn kann der Ungar nirgends kein Vaterland finden. Haynau hat ihm seine Helden geschlachtet, aber er hat sich wenig mit Politik und am allerwenigsten mir der Schwarzenbergischen Centralisation befaßt; die Bestrebungen, das Land zu einer Provinz, und seine Einwohner deutsch oder slavisch zu machen, sind von dem Bureau ausgegangen, die Beamten, die diese Maßregeln ausführen sollen, sind von dem Ministerium entsendet worden, und die Schwierigkeiten, die diesen von den Generälen in den Weg gelegt wurden, dienten dem Lande einigermaßen zur Genugthuung. Als Beweis für diese Ansicht brauche» wir nur die bekannte Brochure von Zsedvnyi anzuführen, die von der Partei der ungarischen Vertrauens¬ männer ausging, und die, nicht aus Furcht, sondern aus Prinzip den Ober- commandanten schonte, während sie der Regierung die Verkehrtheit ihrer Maß regeln zu beweisen suchte. Und so siel Heynau, als er auf eigne Faust human gehandelt hatte. Das Niederreißen der ungarischen Zollschranken ist ein anderes Zeichen von Energie der Negierung und wenn man > . Gerüchten glauben darf, so soll die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/95>, abgerufen am 27.07.2024.