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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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sten und ehrlichsten gegen die Herzogthümer gerirt hat, und in seinem
guten Willen, ihnen zu helfen, nur an Hindernissen gescheitert ist, welche es
zu besiegen nicht stark genug war. Es ist kein Frieden, der Preußen Unehre
dringt, ja er ist besser, als wir nach den bestehenden Verhältnissen zu hoffen
wagten. Nicht die Erbitterung der Dänen gegen seine Paragraphen beweist
dies, sondern ein Blick auf die Situation der Herzogthümer. Sie standen mit
Preußen allein gegen Dänemark, Rußland, England, und so lauge Preußen die
Hand über ihnen hielt, auch gegen Oestreich und seine Partei. Nicolaus hatte
seit dem Herbst 48 für Dänemark lebhaft Partei genommen, im Winter von 48
waren deßhalb seine Beziehungen zu Preußen sehr kühl, im Sommer 49
während dem Feldzug unter Prittwitz war sein Auftreten drohend geworden, und
fast jedes Vorrücken der Preußen mußte das Berliner Kabinet mit einem kalten
Warnungsruf von Nußland bezahlen. Wenn Preußen im Frühjahr 49, damals
als seinem König die Kaiserkrone angetragen wurde, großes Spiel spielte, mit
Rußland, Oestreich, vielleicht auch mir Frankreich brach, und sich den Ungarn
verband; wenn es damals zum Aeußersten entschlossen, den Kampf gegen die
conservativen Staaten unternahm, selbst geschwächt durch die Revolution von 48,
sast nur auf seinen eigenen Conservativen ruhend, in tödtlicher Feindschaft mit allen
Kabineten und Dynastien und auf der andern Seite wieder im Kampf mit dem
Fluch des Jahres 48, der radikalen Demokratie; wenn es uuter solchen Verhält¬
nissen mit einem genialen Fürsten Alles, seine eigene Existenz und die Existenz
Deutschlands für ein großes Prinzip hätte einsetzen wollen, damals, nur damals
konnte es viel mehr für die Herzogthümer thun. Seit der Zeit, bei anderer
Politik und geringerer Kühnheit wenig mehr, als es gethan hat. Im Sommer,
im Herbst des vorigen Jahres, in diesem Frühjahr vollends, war es dnrch 890,0(10
unbeschäftigte Russen und 599,999 Oestreicher, durch den klagende" Schrei nach
Frieden, der aus seinem Ostseegebiete erscholl, gefesselt. Und wohl war zu besor¬
gen, daß die preußische Negierung auf Kosten der Herzogthümer einen schlechten Frieden
schließe" werde, dessen Verzögerung ihm in Deutschland selbst die Hände band.
Die Herzogthümer hatten keinen Freund uuter den einflußreichen Mächte" Europa's,
ihre geradem Forderungen wurden von allen Kabi"ete", als de" europäische" Frie¬
den störende Prätensionen, oder als rebellisches Auflehnen gegen ihren Souverän:
betrachtet. War das nicht so? Und war es nicht Preußen allein, welches wieder in
diesen Verhandlungen ihre Ansprüche, den Mannsstamm der Erbfolge und die
Unthcilbarkeit vertrat? Und diese Forderungen der Herzogthümer hat es vertreten
mit einer Energie und einer persönlichen Entschlossenheit seines Regenten, die
wir bei andern Gelegenheiten mit Schmerz vergebens ersehnt haben. Eine spätere
Zeit wird auch darüber schriftliche Beweise bringen, vorläufig haben wir keinen
Grund, an den: zu zweifeln, was von zuverlässigem Munde aus der Umgebung
der preußischen Fürsten in das Publikum gekommen ist.


sten und ehrlichsten gegen die Herzogthümer gerirt hat, und in seinem
guten Willen, ihnen zu helfen, nur an Hindernissen gescheitert ist, welche es
zu besiegen nicht stark genug war. Es ist kein Frieden, der Preußen Unehre
dringt, ja er ist besser, als wir nach den bestehenden Verhältnissen zu hoffen
wagten. Nicht die Erbitterung der Dänen gegen seine Paragraphen beweist
dies, sondern ein Blick auf die Situation der Herzogthümer. Sie standen mit
Preußen allein gegen Dänemark, Rußland, England, und so lauge Preußen die
Hand über ihnen hielt, auch gegen Oestreich und seine Partei. Nicolaus hatte
seit dem Herbst 48 für Dänemark lebhaft Partei genommen, im Winter von 48
waren deßhalb seine Beziehungen zu Preußen sehr kühl, im Sommer 49
während dem Feldzug unter Prittwitz war sein Auftreten drohend geworden, und
fast jedes Vorrücken der Preußen mußte das Berliner Kabinet mit einem kalten
Warnungsruf von Nußland bezahlen. Wenn Preußen im Frühjahr 49, damals
als seinem König die Kaiserkrone angetragen wurde, großes Spiel spielte, mit
Rußland, Oestreich, vielleicht auch mir Frankreich brach, und sich den Ungarn
verband; wenn es damals zum Aeußersten entschlossen, den Kampf gegen die
conservativen Staaten unternahm, selbst geschwächt durch die Revolution von 48,
sast nur auf seinen eigenen Conservativen ruhend, in tödtlicher Feindschaft mit allen
Kabineten und Dynastien und auf der andern Seite wieder im Kampf mit dem
Fluch des Jahres 48, der radikalen Demokratie; wenn es uuter solchen Verhält¬
nissen mit einem genialen Fürsten Alles, seine eigene Existenz und die Existenz
Deutschlands für ein großes Prinzip hätte einsetzen wollen, damals, nur damals
konnte es viel mehr für die Herzogthümer thun. Seit der Zeit, bei anderer
Politik und geringerer Kühnheit wenig mehr, als es gethan hat. Im Sommer,
im Herbst des vorigen Jahres, in diesem Frühjahr vollends, war es dnrch 890,0(10
unbeschäftigte Russen und 599,999 Oestreicher, durch den klagende» Schrei nach
Frieden, der aus seinem Ostseegebiete erscholl, gefesselt. Und wohl war zu besor¬
gen, daß die preußische Negierung auf Kosten der Herzogthümer einen schlechten Frieden
schließe» werde, dessen Verzögerung ihm in Deutschland selbst die Hände band.
Die Herzogthümer hatten keinen Freund uuter den einflußreichen Mächte» Europa's,
ihre geradem Forderungen wurden von allen Kabi»ete», als de» europäische» Frie¬
den störende Prätensionen, oder als rebellisches Auflehnen gegen ihren Souverän:
betrachtet. War das nicht so? Und war es nicht Preußen allein, welches wieder in
diesen Verhandlungen ihre Ansprüche, den Mannsstamm der Erbfolge und die
Unthcilbarkeit vertrat? Und diese Forderungen der Herzogthümer hat es vertreten
mit einer Energie und einer persönlichen Entschlossenheit seines Regenten, die
wir bei andern Gelegenheiten mit Schmerz vergebens ersehnt haben. Eine spätere
Zeit wird auch darüber schriftliche Beweise bringen, vorläufig haben wir keinen
Grund, an den: zu zweifeln, was von zuverlässigem Munde aus der Umgebung
der preußischen Fürsten in das Publikum gekommen ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/92>, abgerufen am 01.09.2024.